Swing Low, Sweet Cadillac: Oldtimer lassen die Herzen in Fürstenfeld höher schlagen

Heute ist mein Glückstag. Auf der Wiese am Einlass zu den Motorworld Oldtimertagen in Fürstenfeld bremst neben mir Franz aus Freising mit seinem Fiat Barcetta. „Sonderlackierung“, verrät der Strohhut-behütete Autoliebhaber mir nicht ohne Stolz, „Ferrari-Rot“. Ich trage einen schwarzen Rollkragenpulli und einen schwarzen Bleistiftrock. „Rot-schwarz, des san die Farbn vom Deifi“, ruft Franz mir zu. Und überrascht mich mit der Bitte um ein Foto von mir in seinem roten Flitzer.

Swinging Pettycoats

Motorengeräusche und Auspuffgase erinnern an den Geruch aus Kindertagen in den 1960igern. Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Es klingt nach „Swing Low, Sweet Cadillac“ des amerikanischen Jazz-Trompeters Dizzy Gillespie aus dem Jahr 1967. Junge und ältere Damen in adretten Pettycoat-Kleidern der 1950iger Jahre stöckeln mal mehr, mal weniger elegant in ihren Pumps mit Pfennigabsätzen umher. Sie tänzeln über die glatten Böden der Ausstellungshallen und die noch vom Tau nassen Wiesen. Einige posieren kokett mit knallroten Kussmündern und Ponytollen neben hochglanzpolierten bonbonfarbigen Cadillacs. Kubafeeling in Fürstenfeld.

Roaring Jaguar

Das Ausstellungsgelände einer der größten Oldtimerveranstaltungen Deutschlands liegt dem Fürstenfelder Kloster zu Füßen. Über 1500 klassische Fahrzeuge sowie mehr als 190 Aussteller. Die Oldtimer-Community kennt sich. Überall wird herzlich gegrüßt und gescherzt. Alles, was das Oldtimer-Herz begehrt, ist zu sehen und vieles zu erwerben. Ein mintgrüner VW-Käfer mit Brezn-Fenster – ein anderer Käfer mit Warhols Marilyn-Konterfei auf der Motorhaube, ein Jaguar Type C mit geöffneter Haube. Glänzender 6-Zylinder, cremefarbene Lederinnenausstattung mit Sportlenkrad aus edlem Holz. Zu haben für 90.000 Euro. Ein Schnäppchen für Liebhaber schönen Retrodesigns mit passender Brieftasche. Diese gibt es für Stilperfektionisten farblich passend zur Lackierung.

Blick unter die Motorhaube. Foto: Gabriele Rinkenbach

Schrauben macht glücklich

Überall werden Neuerrungenschaften und Restaurierungsarbeiten begutachtet und bewundert: „Bärig, do legst di nida.“ Die Stimmung ist so heiter wie der Himmel über Fürstenfeld. Oldtimerliebhaber älterer und jüngerer Baujahre duzen und beratschlagen sich an den zahlreichen Ständen. Dort halten ambitionierte Selbstschrauber nach Originalersatzteilen, Lenkrädern, Schraubschlüsseln und sonstigen benötigten Teilen zur Vollendung ihrer Werke Ausschau. Ich erblicke ein feuerrotes Oldtimer-Spielzeugauto, das mich an Franzens Flitzer erinnert.

Kleines Auto, große Wirkung. Foto: Gabriele Rinkenbach

Von Kopf bis Fuß auf Vintage eingestellt

Wer mangels Erbtante noch nicht das nötige Kleingeld für den Oldtimer seiner Träume zusammen hat, kann sich schon mal mit stilgerechten Accessoires in Vorfreudestimmung bringen. An Ständern hängen Vintage-Lederjacken und Tellerkleider. Taschen, Haarbänder und Schuhe liegen auf bunten Stoffen im 1950er-Jahre-Design. Die Poloshirts mit dem abgebildeten Traummobil sind „handbemalt“, wie die Preistafel versichert, das Stück zu 49 Euro.

Make a wish! Poloshirts mit Oldtimer nach Wahl. Foto: Gabriele Rinkenbach

Yummy for your tummy

Das Hin und Her über das Ausstellungsgelände macht hungrig. Die Mägen der Gäste hören beim Genuss der leckeren bayerischen Gerichte wie Schweinebraten und Leberkäse schnell auf zu knurren. Snacks, Kaffee und Kuchen können auf rustikalen Bänken unter schattigen Kastanienbäumen oder auf coolen 1950iger Relax-Liegen auf der sonnigen Wiese verspeist werden. Zur Abkühlung dann ein Eis: Gelato italiano, certo!

Zu den Buicks und Cadillacs gibt es keine authentischen amerikanischen XXL-Burger. Die obligaten Pommes sind jedoch in Kombination mit roten und weißen Bratwürsten auch ganz „yummy“. Für Vegetarier gibt es mit einem charmanten „voilà“ kredenzte süße französische Crêpes. Veganer gehen leider leer aus.

Damit die nächste Generation der Oldtimer-Fans nicht ungeduldig wird, tuckert eine tannengrüne Retro-Eisenbahn über das weitläufige Gelände. Das Tuten der Lokomotive lässt die kleinen Abenteurer vor Entzücken jauchzen. Ein Glückspilz, der Kinder hat: Erwachsene dürfen auch mitfahren.

Technik mit Tücken, aber swing high!

Franz fragt mich jetzt sogar, ob ich eine Runde mit seinem roten Flitzer drehen möchte. Do legst di nieder! „Und ob“, sage ich. Ich kann den ersten Gang des 131 PS-starken Cabrios nur mit äußerster Mühe einlegen, verpasse prompt den Schleifpunkt und würge den Wagen ab. Die Schlange an einfahrenden Retrofahrzeugen hinter mir wird immer länger. Ich fange an zu schwitzen. Nervös starte ich erneut und drehe eine spritzige Runde übers Gelände. Schreckhafte Oldtimer-Fans springen zur Seite. Aber Franzens roter Rennflitzer mit „Deifi“-Pilotin in schwarzem Outfit stoppt in „Swing high-Stimmung“ mit quietschenden Reifen in einer Parklücke. Alles heil. „Pfundig, ein echter Glückstag“, denke ich mir.

Franz aus Freising in seinem roten Flitzer. Foto: Gabriele Rinkenbach

Header-Bild und Fotos: Gabriele Rinkenbach