Der Münchner Verein KUD Posavina pflegt Tänze und Trachten aus der bosnischen Heimat. Im Interview sagt der Vorsitzende Marko Nedic, was den Mitgliedern wichtig ist und was er von Lederhosen hält
Interview von Werner Kurzlechner
Marko Nedic ist seit Frühsommer 2018 Vorsitzender des KUD Posavina München e.V. Die etwa 140 Mitglieder pflegen das Brauchtum ihrer Heimatregion, des im Grenzgebiet von Bosnien und Kroatien gelegenen Savetals. Seit Dezember 2015 trainieren die kroatischen Bosnier als feste Gruppe im Sportheim der Gartenstadt Trudering. Ihre Volkstänze zeigen sie, in bunte Tracht gehüllt, rund fünfmal im Jahr – nicht nur in München, sondern auch bei Auftritten in Wien oder Zürich.
Der heute 36 Jahre alte Nedic kam als Kind in die bayerische Landeshauptstadt, nachdem seine Familie vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien geflohen war. Nedic arbeitet heute als Produktionstechniker und träumt davon, dass sein Verein einmal beim Wiesn-Festumzug in München dabei ist.
Herr Nedic, tragen Sie auch Lederhosen?
Marko Nedic: Ja, freilich. Ich habe Lederhosen und Haferlschuhe. Die bayerische Tracht anzuziehen, ist für mich zu jedem Oktoberfest Pflicht. Ich lebe schon lange hier, und das gehört einfach zur bayerischen Tradition. Ich fühle mich in Lederhosen sehr wohl.
Die hiesige Tracht unterscheidet sich aber stark von der kroatischen, oder?
Die Lederhose sitzt schon sehr eng. Die Tracht aus Posavina ist lockerer geschnitten. Die Mädchen und Frauen dort tragen sehr farbenfrohe Kleider, die sich gut mit einem Dirndl vergleichen lassen.
Ein Dirndl muss man richtig lesen können: Schleife vorne rechts gebunden bedeutet vergeben oder verheiratet, vorne links gebunden unverheiratet, hinten mittig Witwe. Was verrät denn die Tracht aus der Posavina über ihre Trägerin?
An unseren bunten Kleidern gibt es auch Schleifen mit ganz ähnlicher Botschaft. Ob eine Frau verheiratet ist oder nicht, erkennt man auch an der mit Schnallen befestigten Kopfbedeckung. Dann tragen die Mädchen um den Hals einen Schleier mit wertvollen Goldunzen. Je mehr jemand davon hat, umso wohlhabender ist die Familie. Wichtig zu wissen ist, dass die Posavina-Tracht sich von Ort zu Ort stark unterscheidet.
Gibt es Ihre Tracht in München zu kaufen?
Nein, hier ist sie leider nicht erhältlich. Jedes Kleidungsstück, das unsere Mitglieder anhaben, ist eine in Bosnien handgewebte Einzelanfertigung. Weil so viel Handarbeit drinsteckt, ist die Tracht auch ziemlich teuer. Für ein zehnjähriges Mädchen kostet sie locker 500 Euro. Erwachsene müssen für ein Exemplar bis zu 2000 Euro berappen.
Wenn Sie in die Posavina-Tracht schlüpfen, streifen Sie dann ein Stück Heimat über?
Ja, das kann man so sagen. Die alte Heimat ist hier sehr weit weg. Da geht mir schon das Herz auf, wenn ich die Tracht trage und wenn ich sie an den anderen Mitgliedern sehe – besonders an den Kindern.
Sie selbst sind als Kind auf der Flucht vor dem Krieg in ihrer alten Heimat nach München gekommen. Haben Sie sich schnell hier eingelebt?
Als Zehnjähriger war München für mich eine völlig neue Welt. Aber eigentlich fand ich es hier schon am Anfang recht cool. Das lag auch daran, dass hier die Tradition so stark gelebt wird und etwas darstellt. Ohne Dirndl, Lederhose und Schuhplattler wäre München eben nicht München.
Die ausgeprägte bayerische Identität hat Ihnen also geholfen, hier anzukommen?
Ja, das war so. Die gelebte Tradition sollte deshalb auch unbedingt erhalten bleiben. Ich finde es wichtig, dass die Kinder wissen, welche Tracht ihre Großeltern getragen haben. Und ich denke, dass die jungen Leute heute die bayerischen Bräuche nicht modernisieren, sondern wie überliefert hinnehmen sollten.
Dank des Vereins KUD Posavina können Sie die Traditionen ihrer beiden Heimaten leben?
Ganz genau. Ich will, dass meine beiden Töchter auch hier ein Stück Posavina haben. Wir fahren zwar oft in den Urlaub nach Bosnien oder Kroatien. Aber es ist sehr schön, das Heimatgefühl auch hier zu haben in München. Meine Große ist neun Jahre alt. Ihr macht das Tanzen richtig Spaß. Sie hat im Verein auch schon viele neue Kontakte geknüpft. Auch ich habe im KUD Posavina viele Freunde kennengelernt. Und ich hoffe, dass meine Vierjährige das auch bald erlebt.
Eine Sonderrolle im Verein haben die Musiker, oder?
Ja, weil ihre Zahl bei uns in München sehr begrenzt ist. Es gibt nicht viele, die unsere Instrumente spielen. Unsere Musik wird nur mit zwei Instrumenten gemacht: der Šargija und der Vijolina. Die Šargija ist eine Art Gitarre. Sie hat vier Saiten und wird sowohl geklopft als auch gezupft. Die Vijolina ist eine Geige. Die beiden Instrumente mischen sich zu einer sehr rhythmischen Melodie zusammen. Dazu tanzen wir. Manchmal wird der Tanz durch eine Gesangseinlage unterbrochen. Der Text handelt in der Regel von Hochzeitsbräuchen und ist meistens gereimt.
Sind die Tänze dazu überliefert?
Tradition ist, dass es vier Grundschritte mit einem unterschiedlichen Takt gibt. Aber jeder einzelne Tanz bei uns ist völlig neu choreografiert. Dafür haben wir vier Trainer, die eine sehr wichtige Rolle im Verein spielen.
Was war Ihr bisher schönstes Vereinserlebnis?
Das war unser Sommerfest heuer bei der Mauritius-Gemeinde im Münchner Stadtteil Moosach. Es waren rund 100 Leute da, die zusammen gegrillt haben und gemütlich beieinander waren. Genau das hat vielen Menschen aus Posavina hier bisher gefehlt. Toll waren auch die Reisen nach Zürich oder Wien. Bei diesen Gelegenheiten treffen wir andere Menschen, die alle durch ihre Musik, Tänze und Kleidung miteinander verbunden sind.
Wie kommt es zu Auftritten?
Wir lernen viele Vereine über Social Media kennen. Zwei- bis dreimal im Jahr haben wir Auftritte weiter weg, etwa genauso oft hier in München. Wegen des hohen zeitlichen und finanziellen Aufwands können wir aber nicht jede Einladung annehmen. Wir versuchen einmal im Jahr eine Feier zu organisieren, bei der Vereine von außerhalb mit uns tanzen. Im vergangenen Februar zum Beispiel hatten wir fast 900 Gäste.
Was ist in Ihrem Verein besonders wichtig?
Wir legen Wert darauf, dass unsere Mitglieder echte Tracht aus dem Gebiet Posavina tragen. Diese Regel haben wir aufgestellt, weil wir denken, dass ein Gemisch mit Trachten aus anderen Städten ein Durcheinander ergeben würde.
Sie erwähnten, dass diese Kleidung recht kostspielig ist. Zahlt das jedes Mitglied selbst?
Bis jetzt ja. Denn wir haben keine eigenen Räumlichkeiten, in denen wir vereinseigene Utensilien aufbewahren können.
Ihr Ziel ist sicher, dass sich das in Zukunft ändert.
Ja, genau. Unser großes Ziel ist ein eigenes Vereinsheim. Dort könnten wir uns jederzeit treffen und selbst bestimmen, zu welchen Zeiten wir trainieren wollen. Momentan müssen wir uns mit den Terminen immer mit den anderen Nutzern abstimmen. Das ist sehr schwierig zu organisieren und zu koordinieren. München ist für die Suche nach Räumen bekanntlich ein schwieriges Pflaster. Aber wir sind jung und dynamisch. Ich denke, unser Ziel ist auf Sicht realisierbar.
In Ihrer alten Heimat gab es vor, während und nach dem Bürgerkrieg Hass und Gewalt zwischen den einzelnen Volksgruppen. Gibt es als Zeichen der Versöhnung Kontakte zu Serben und Muslimen?
Der Bürgerkrieg war schlimm, aber er ist leider geschehen. Ich wünsche keinem, so etwas jemals erleben zu müssen. Hier in München gibt es auch serbische Vereine, die wie wir ihr Brauchtum pflegen. Ich habe schon einige Veranstaltungen besucht, auf denen serbische Volkstänze präsentiert wurden. So etwas finde ich einfach schön – jeder lebt seine Tradition. Wir tauschen uns auch mit bosnischen Vereinen mit muslimischem Hintergrund aus und rufen uns gegenseitig an, um Erfahrungen auszutauschen.
Der KUD Posavina ist aber ein Verein mit ausschließlich kroatischen Mitgliedern?
Das ist bis jetzt so. Aber alle sind herzlich eingeladen, bei uns mitzumachen. Wir leben alle in einer Stadt, die München heißt. Berührungsängste sind da fehl am Platz.
Das gilt auch für Bayern, die einmal etwas anderes als Dirndl und Lederhosen tragen wollen?
Absolut. Wir heißen jeden willkommen.
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