Ein Duft in As-Dur

von Alexander Schultz

As-Dur ist die Lieblingstonart der Parfümeurin und Jazz-Musikerin Annette Neuffer. Komponisten verwenden diese Harmonien für besonders warme und geheimnisvoll wirkende Musik. Genau von diesem Charakter ist die künstlerisch begabte Münchnerin.

Die Welt des Luxus interpretiert sie auf ihre eigene Weise. Die 50-Jährige hat sich nicht der Glamour-Welt verschrieben. Stattdessen kreiert sie einfach die Düfte, die sie erfüllen.

Annette Neuffer mit Kater Bärli und selbst kreiertem Flacon und Parfum.

Annette Neuffer ganz privat. (Foto: Ida Koch)

Duft und Musik

Annette Neuffer studierte Jazz-Trompete, bevor sie als selbständige Parfümeurin mit ihrem Label Annette Neuffer Duftmanufaktur in die Welt der Nischenparfums eintauchte. Doch auf der Suche nach Düften hat sie das künstlerische Handwerk nicht ganz gewechselt. Auch heute tritt die Münchnerin noch auf der musikalischen Bühne auf und unterrichtet leidenschaftlich gerne Gesang.

Der Weg zum Parfümeur

Die eine klassische Ausbildung zum Parfümeur ist schwer zu beschreiben, wenn es sie überhaupt gibt. Zunächst ist ein feiner Geruchssinn für die Arbeit unabdingbar. Gestaltungswille und eine kreative Ader spielen bei der Kreation eine erhebliche Rolle. Renomierte Schulen sind das Institut Supérieur International du Parfum, de la Cosmétique et de l’Aromatique Alimentaire (Isipca) in Versailles oder die École de Parfumerie Givaudan in Argenteuil. Sie stellen jedoch nicht die einzige Möglichkeit für einen Berufseinstieg dar. Es ist auch ein Quereinstieg möglich, doch es ist hilfreich, wenn man Erfahrungen in der Chemiebranche sammeln konnte.

Ein Zusammenspiel zwischen Musik- und Duftkomposition existiert Neuffers Meinung nach gerade bei der Ideenfindung zu einem Parfüm. Eine ihrer neuesten Kreationen aus dem Jahr 2016 trägt den Namen Stardust. Die gleichnamige Jazz-Ballade inspirierte die Münchnerin zu einem süßen Duft, der jedoch gerade durch seine geheimnisvollen Untertöne besticht. Auch Poesie beflügelt die Parfümeurin bei der Duftkomposition. Shakespeares Sonnet 18 war der Vater des Gedankens ihres gleichnamigen Lindenblütenparfüms.

Auf Duft-Suche in München

Während wir gemeinsam durch die einschlägigen Läden in München spazieren, erzählt Neuffer, wie sie ihre Liebe zu Düften entdeckt hat. Schon als kleines Kind hat sie sich leidenschaftlich für Pflanzen im Garten ihrer Großmutter interessiert. Dabei steckte die Parfüm-Komponistin ihre Nase in sämtliche Blumen und suchte originelle Eindrücke. Eine Karriere als Parfümeurin nahm klammheimlich ihren Lauf.

Neuffer nimmt einen Flakon aus dem Regal. Dazu greift sie sich einen Teststreifen und sprüht zwei kräftige Stöße. Die Parfümeurin runzelt die Stirn und erklärt, dass die kratzige Bergamotte und das erdige Patchouli zwar ihr Beuteschema seien, doch unter der schönen Kopfnote liege eine synthetische Ambroxan-Basis, die aus einem einzigen Molekül bestünde. „Dies ist typisch für Parfüms, die in erster Linie synthetisch hergestellt sind“, erklärt die Münchnerin.

So ist ein Parfüm aufgebaut

Kopfnote, Herznote und Basisnote gliedern den Duftverlauf. Zunächst ist die Kopfnote am deutlichsten ausgeprägt. Zieht sie sich zurück, beginnt die Herznote deutlicher hervorzutreten. Zum Schluss bleibt die Basis übrig. Die Duftnoten der Kopfnote verfliegen aufgrund ihrer Beschaffenheit schneller als die der Herz- und Basisnote. Typisch für die Kopfnote sind zitrische, fruchtige und frische Nuancen. Oft sind im Herz eines Duftes blumige Komponenten zu entdecken. Die Ingredienzen der Basis haften am stärksten. Hier verwenden Parfümeure gerne Hölzer, Harze oder Vanille und Patchouli. In linearen Düften dagegen sind alle Komponenten gleich stark gewichtet und durchdringen sich von Anfang an gegenseitig.

Mainstream ist nicht ihr Spezialgebiet. Die Parfümeurin ist ihre eigene Zielgruppe. Sie unterwirft sich keinerlei Trends der Parfüm-Welt, die dort genauso präsent sind wie in anderen Bereichen wie Mode oder Musik.

Ein von Annette Neuffer selbst designter Flacon.

Ein Flacon aus dem Hause Annette Neuffer. (Foto: Annette Neuffer)

Duftende und klingende Natürlichkeit

Ein markantes Markenzeichen hat Neuffer schon seit längerer Zeit gefunden. Die besondere Facette ihrer Düfte ist die Natürlichkeit. Da in der Industrie überwiegend synthetische Duftstoffe verwendet werden, setzt Neuffer auf Rohstoffe aus natürlichem Anbau. Organic Luxury Perfumes steht auf der Homepage.

Neuffers Authentizität beeindruckt stark. Mit ihrer unverblümten Art kann sie das Attribut “natürlich” voll für sich beanspruchen. Auch die Musikrichtung des Jazz ist, besonders in den Anfängen, von Natürlichkeit bestimmt. Der Klang von Trompete, Posaune, Kontrabass, Klavier und Schlagzeug wird von keinen technischen Hilfsmitteln verfälscht. Und besonders die menschliche Stimme ist in ihrem Ausdruck stets rein.

Annette Neuffer: Eine wahre Autodidaktin

Duftstreifen beim Trocknen in einem Fotohalter.

Duftstreifen beim Trocknen. (Foto: Alexander Schultz)

Neuffer ist Autodidaktin. Sie lässt sich stets Besonderes und ganz Individuelles einfallen. Ihr Labor ist unkonventionell und voller Überraschungen. Um Duftstreifen gleichzeitig trocknen zu lassen und so aufzubewahren, dass sich ihre Düfte nicht vermischen, funktionierte sie kurzerhand einen Fotohalter um. Einfach und genial. Auch die Umkartons für die Flacons ihrer Kunden sind persönlich gestaltete Einzelstücke, die Neuffers Signatur tragen. Die Verpackung ist wieder verwendbar und unter faiern Bedingungen hergestellt worden. Die Flacons designt sie selber per Hand. Jedes Exemplar ein Unikat.

18 verschiedene Düfte sind aktuell auf ihrer Homepage bestellbar. Die meisten sind unisex. Geschlechterrollen sind nicht zwingend maßgeblich. Jeder kann den Duft tragen, der ihm gefällt. Zwar gibt es Tendenzen, welcher Duft eher einer Frau steht und welcher zu einem Mann passt, doch diese Trennung benutzt Neuffer selten. Klischeehaft ist definitiv anders.

Das Werkzeug einer Parfumeurin.

Das Werkeug einer Parfümeurin. (Foto: Alexander Schultz)

Geplante Suche und reiner Zufall

Eine ihrer jüngsten Kreationen ist durch Zufall, oder besser: Durch einen Tabellenfehler entstanden. Die Rezepte für die einzelnen Düfte werden fein säuberlich dokumentiert. Doch wie es das Schicksal wollte, verrutschte das Komma bei der Mengenangabe für Myrrhe eines bestimmten Parfums. So entstand ohne akribische Planung und ausgeklügeltes Berechnen eine neue Komposition: Avicenna Myrrha Mystica. Die zunächst als “Myrrhe-Gau” bezeichnete Zusammensetzung erwies sich nach einiger Zeit der Reife als wahrlich mysthischer Duft.

Vielleicht ist doch bei allem Suchen der Weg das Ziel?

Annette Neuffer in ihrem Duft-Labor.

Annette Neuffer in ihrem Duft-Labor. (Foto: Annette Neuffer)