Mutter mit ihrem Kind

Wie entsteht Urvertrauen bei Babys?

SAFE  „Sichere Ausbildung für Eltern“ – unterstützt Eltern beim Aufbau von Urvertrauen und Bindung mit ihrem Kind.

Das Programm hat Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch entwickelt. Er leitet die Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und  Psychotherapie an der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. Außerdem ist er Dozent am Psychoanalytischen Institut Stuttgart, publizierte zu Bindungsentwicklung von Risikokindern sowie zur klinischen Bindungsforschung. Ein Interview von Sandra Westermann.

Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch leitet die Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie an der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er publizierte zu Bindungsentwicklung von Risikokindern sowie zur klinischen Bindungsforschung.

Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch

Herr Professor Brisch, Wie verhalten sich Babys Fremden gegenüber?

Wenn Babys auf die Welt kommen, lassen sie sich von jedem auf den Arm nehmen. Sobald sie sechs bis acht Monate alt sind, ist es anders. Dann gucken sie kritisch, wenn jemand Fremdes kommt, dann wollen sie bei der Person sein, der sie sich bereits anvertraut haben.

Ist dies dann die Hauptbindungsperson?

Ja, das ist dann die spezifische, sichere Hauptbindungsperson. Bei dieser Person findet das Baby Schutz, Sicherheit und Geborgenheit. Es hat das Gefühl, es kann zu dieser Person gehen, wenn es Angst hat. Angst ist nicht angeboren. Angeboren ist nur das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit. Wo ein Baby das findet und bei wem, hat nicht zwangsweise etwas mit biologischer Verwandtschaft zu tun. Es braucht bestimmte Verhaltensweisen, jemanden, der die Signale des Babys richtig liest und sie richtig beantwortet. Wenn die Bindung sicher und das Urvertrauen hergestellt wurde, verinnerlicht dies das Baby im ersten Lebensjahr.

Besteht dieses Vertrauen in Menschen dann ein Leben lang?

Menschen, die dieses Vertrauen im ersten Lebensjahr verinnerlicht haben, vertrauen anderen für den Rest ihres Lebens. Sogar wenn das Vertrauen im späteren Leben gestört wird, so vertraut dieser Mensch dem nächsten wieder. Kinder mit einem gestörten Urvertrauen können das nicht.

Woran erkenne ich, dass die Bindung, das Vertrauen zu meinem Kind gestört ist?

Indem das Kind, wenn es in Not ist, gehemmt ist, sich ihnen anzuvertrauen. Es sucht keinen Körperkontakt. Babys mit Urvertrauen suchen Körperkontakt und Nähe.

Sie haben das Präventions Programm SAFE (Sichere Ausbildung für Eltern), entwickelt, das Eltern bereits während der Schwangerschaft auf den emotionalen Umgang mit ihrem Kind vorbereitet, und geschult, eine sichere Bindung aufzubauen.

Wir erleben es immer wieder, dass hochgradig gestresste Kinder vor ihren Müttern zurückweichen, Angst haben. Im SAFE Programm arbeiten wir mit den Eltern, gucken, was nicht so gut gelaufen ist, oder ob es etwas mit der Kindheitsgeschichte der Eltern zu tun hat. Dann finden wir meistens ungelöste, stressvolle bis traumatische Erfahrungen von Trennung, Verlust oder Gewalt, die nicht gut verarbeitet sind. Alle Eltern wollen liebevoll, feinfühlig sein, mit dem Baby alles richtig machen und sind erschrocken, wenn sie plötzlich ausrasten und schimpfen, bis dahin, dass sie ihre Kinder verletzen und misshandeln. Die Eltern wissen selber nicht, warum.

Wie helfen Sie diesen Eltern?

Wir schauen mit den Eltern schon in der Schwangerschaft Videos an über Mutter-Kind, Vater-Kind Interaktionen und gucken nach den Hotspots beziehungsweise Trigger Points, sprich: Wo habe ich als Mutter oder Vater jetzt schon Angst, womit mich mein Baby stressen könnte? Was habe ich in meiner Geschichte erlebt, dass es mich stresst?

Wie sehen die Langzeit Erfahrungen beim SAFE Programm aus?

Die Erfahrungen sind sehr gut. Es gelingt uns, Eltern, die schon viel Schwieriges in ihrer Kindheit erlebt haben, so auf den Weg zu bringen, dass sie sicher gebundene Kinder haben. Diese Kinder haben das Gefühl von Urvertrauen und Geborgenheit.

Viele Mütter müssen bald nach der Geburt arbeiten gehen. Die Kinder kommen mit sechs Monaten oder einem Jahr in die Krippe. Wie entsteht die Bindung zwischen Mutter und Kind?

Bindung und Vertrauen aufbauen dauert. Es braucht Zeit und Erfahrung miteinander. Wenn eine Mutter wieder früh arbeiten geht oder gehen muss, kann es sein, dass das Urvertrauen noch nicht aufgebaut ist. Es dauert 1-1,5 Jahre bis es sich entwickelt und sich gut verankert hat. Das Kind bringt das Bedürfnis, sich zu binden, evolutionär mit, aber nicht an wen, sondern es schaut nach jemandem der Schutz und Sicherheit bietet. Wenn das Baby dann in die Krippe kommt, bindet es sich dort.

Was können Mütter konkret tun, um die Bindung zu ihrem Kind zu stärken – auch wenn das Kind in der Krippe ist?

Mütter, die früh wieder arbeiten gehen, sollten die Zeit, die sie mit ihrem Kind haben, intensiv nutzen. Zum Beispiel spielen, gemeinsame Dinge erleben, feinfühlig sein und hören, was das Kind gerne möchte.

Herr Professor Brisch, vielen Dank für das Gespräch.

 

Titelfoto: Pixabay