Co-Working hilft gegen Isolation im Büro und Alltagstrott bei der Arbeit. Kleine Firmen und Freiberufler nutzen geteilte Arbeitsräume, um anders zu arbeiten. Der Impact Hub München versammelt dazu eine besondere Gemeinschaft.
Wer den Impact Hub München finden will, muss erst etwas suchen. Zwischen dem Lärm spielender Kinder im Hinterhof einer Mittelschule und dem Krachen der Kisten eines Gemüsegroßhandels flankiert ein braunes Schild ein stilles Wohnhaus. Die hohen Fenster geben den Blick auf eine große Halle mit Arbeitsplätzen und Büros frei. Hier befanden sich ursprünglich Lagerräume, die nun in einen hellen, großen Arbeitsraum verwandelt wurden. Wer kommt hier eigentlich zusammen?
Die Atmosphäre in der großen Halle liegt irgendwo zwischen Bibliothek und Café: Es riecht nach neuem Holz, Tee und Kaffee. Leise Unterhaltungen mischen sich mit Tastaturgeräuschen, Tassen klirren, ein Wasserkocher läuft in der Küche. Im geteilten Arbeitsbereich sind alle Tische besetzt, die Leute arbeiten konzentriert nebeneinander. Die würfelförmigen Büros und die Galerie darauf sind fast voll besetzt. An einem großen schwarzen Tisch im Eingangsbereich steht Oliver und schneidet zwei Kuchen in handliche Scheiben. Eine Glocke klingt durch die große Halle, einige Köpfe gehen hoch: „Cakesgiving!“
„Hier geht es um eine ganz eigene Philosophie“
Oliver, ein Student Mitte zwanzig, ist mit einem besonderen Anliegen hier: Er arbeitet an der Universität Bayreuth an einer Studie zu Co-Working-Spaces und möchte Mitglieder des Impact Hub zu ihren Erfahrungen interviewen. Kein Problem, Vorstellungen von Projekten und die Frage nach Austausch sind die Leute hier gewöhnt. Es braucht lediglich Kuchen, etwas Zeit und fließendes Englisch – die Community ist international.
Es dauert ein wenig, aber dann kommen einige Interessierte aus Neugier oder Appetit am Tisch zusammen. Oliver erzählt, es wird nachgefragt, aufmunterndes Lächeln, Nicken und erste Tipps: „Eine Studie zum Hub ist eventuell nicht sehr repräsentativ für andere Co-Working-Spaces“, meint Matthias, ein Unternehmer in den Dreißigern. „Die Stadt und die Leute hier sind sehr spezifisch. Es geht viel um Gründergeist mit sozialem Hintergrund und einer ganz eigenen Philosophie.“
Wie für Matthias, der mittlerweile drei Jahre dabei ist, steht für viele im Hub der soziale Aspekt im Vordergrund. Sowohl in der Einstellung als auch im Arbeitskonzept. Die meisten bleiben für den Austausch und die Gemeinschaft. Der Umgang ist ungezwungen, die Kleidung leger. Feste Arbeitsplätze gibt es im geteilten Bereich nicht. Jeder kann überall sitzen, Hauptsache der Tisch ist am Abend freigeräumt.
Als unternehmerisch und sozial orientiert beschreibt sich der Impact Hub selbst. Zwischen Topfpflanzen hängen an der Wand Steckbriefe aus der Community: ein Spektrum vom Datenanalysten für Sozialwirtschaft über Kulturpädagogen bis zu Mitgründern eines Start-ups für Umwelttechnik. Was sie verbindet, ist Experimentierfreude und Arbeiten mit gemeinnützigen Zielen. Im offenen Nebenraum, der Arena, findet ein Workshop statt: Etwa 40 Leute diskutieren an Tischen, eng beschriebene Flipcharts sprechen von „gesellschaftlichen Risiken“.
Fokussiertes Miteinander
Viele hier arbeiten selbstständig oder in jungen Start-ups. Der Druck ist hoch, es geht um einen Teil der eigenen Existenz. Wenn die Arbeit absoluten Vorrang hat, bleibt manchmal keine Zeit für den sozialen Austausch. Das versteht hier jeder, viele arbeiten sehr konzentriert. Wer Ruhe braucht, bedient sich bei den farbigen Ohrenstöpseln am Eingang, mietet einen Office-Kubus oder trägt sich für die schalldichten Separees ein.
Aufgrund der hohen Auslastung heute, muss Oliver für seine Befragung ausweichen. Der hintere Teil des Gebäudes wird gerade renoviert, dort gibt es verhängte, aber freie Zimmer. Mit seiner nächsten Interviewpartnerin geht er durch den frisch gestrichenen Flur zu den Rückräumen. Die Schritte klingen gedämpft auf dem Malerteppich, es riecht nach Farbe. In der Chillout-Area auf Sofas neben dem Kicker warten drei bärtige Mittdreißiger auf ihren Flug. Es geht nach Brasilien. Oliver findet nun selbst heraus, dass die Mitglieder hier besondere Prioritäten haben. Mit dem Fragebogen seines BWL-Instituts kommt er teilweise gar nicht weiter. „Konflikte durch Konkurrenz? Habe ich hier noch nie erlebt“, erklärt seine Interviewpartnerin, eine Architektin. „Das Monetäre steht im Hintergrund, es geht um Ergänzung und gegenseitige Bereicherung.“
Am Ändern arbeiten
Das zeigt sich auch in der Gemeinschaft. Matthias erzählt, dass wenige hier lange bleiben. Entweder die Firma wird zu groß für ein Büro im Hub, oder das Geschäft geht ein im Kampf um Förderungen, Umsätze und Kredite. „In den Hub zu gehen ist für alle eine bewusste Entscheidung“, meint Matthias. „Die Einstellung und Arbeitsphilosophie muss man mögen.“ Der Impact Hub München fasst Co-Working bewusst anders auf. Der Ort ist ein Neben- und Miteinander, ein Austausch von Platz, Zeit und Wissen. Arbeits- und soziale Gemeinschaft an einem Platz zu haben, darf hier niemanden stören.
Draußen kommen Menschen von der Arbeit bei der nahen Großmarkthalle. Im Hub geht es noch weiter. Für einige entspannt beim Feierabend mit Kollegen, für andere ist heute noch lange nicht Schluss.