Petra Hammerstein ist ein Foodie – ihre Begeisterung fürs Essen und Kochen ist ihr Lebenselixier. Wie man aus Lammhoden, Ochsenschwanz und Kutteln leckere Gerichte zaubert, zeigt sie seit 2010 auf Ihrem Foodblog „derMutAnderer“. Über 1800 Beiträge hat sie bis jetzt online gestellt. Und es werden täglich mehr.
Über den aktuellen Foodtrend „from Nose to Tail“, den der britische Starkoch Fergus Henderson salonfähig gemacht hat, kann Petra Hammerstein nur müde lächeln. Innereien, Sülzen, Schlachtplatten, Kälberfüße, Schweineohren und Pfoten im Sauerkraut waren für sie von Kindesbeinen an ganz normale Bestandteile des Speiseplans. Seit 2010 betreibt sie den Blog „derMutAnderer“ und frönt hier ihrer Leidenschaft für traditionelle Hausmannskost. Es wird gepökelt, gebeizt und mariniert, bis dass die Schwarte kracht.
Was ist Ihr Lieblingsessen?
Blutige Fleischgerichte, rohe Leber, Steak blau gebraten und Austern.
Wie entstand Ihr Hang zu solch außergewöhnlichen Gerichten?
Schon in jungen Jahren hat mich mein Vater einmal in der Woche mit auf Kneipentour genommen. Dazu gehörte unbedingt ein Besuch im Palaiskeller im Bayerischen Hof und in den Pfälzer Weinstuben. Zu der Zeit gab es überall Schnecken, Tatar und manchmal auch Schildkrötensuppe. Die hab ich besonders geliebt. Freunde meiner Eltern meinten damals: Ich sei sehr exzentrisch.
Warum heißt Ihr Blog „derMutAnderer“? Das klingt so gar nicht nach einem Foodblog.
Ich bin unbeirrt meinen ungewöhnlichen Essgewohnheiten nachgegangen, was oft nicht einfach war, denn Essen verbindet nicht immer. „Es wäre doch interessant, wo der Mut anderer wäre. Von dem wäre es interessant zu erfahren“, meinte mein Freund. Und so war der Blog geboren.
Es braucht viel Mut, um sich nicht nach dem Mainstream zu richten und seinen eigenen Weg zu gehen. Woher kommt ihr Mut?
Meine Eltern führten seit 1968 das Antiquariat in der Türkenstraße in München. Zwei Selbstständige, bei denen sich alles ums Geschäft gedreht hat, dadurch bin ich extrem frei aufgewachsen. „Komm heim, wenns dunkel wird oder spätestens um sieben, denn da machen wir zu“, hat meine Mutter gesagt. Immer nur Frauen fragen, wenn irgendetwas los ist, nie mit Männer mitgehen. Und dann hams mir noch gelernt, wie man ohne Ampel über die Straße geht, weil ja nicht überall Ampeln stehen. Und Taxifahren geht auch ohne Geld, denn wenn man in der Türkenstraße ankommt, dann zahlt das Antiquariat. Das waren damals die Weisheiten fürs Überleben. Frei sein, in jeder Hinsicht, ist mir heute noch extrem wichtig.
Was verbinden Sie mit Essen und Kochen?
Gutes Essen war für meine Familie sehr wichtig. Zum Frühstück hat es bei uns oft Lammkoteletts mit Bratkartoffeln gegeben. Da wir abends erst um zehn oder elf Uhr aus dem Antiquariat heimgekommen sind und nur noch eine Kleinigkeit gegessen haben, haben wir immer in der Früh warm gekocht. Während der Schulzeit bin ich deshalb oft zu spät gekommen. Die haben gedacht, wir pennen so lange.
Wir haben immer alle aus der Familie bekocht. „Essen auf Rädern“, haben wir es genannt und das Rindergulasch, die Kalbszunge mit saurem Kartoffelgmüs oder das Blutwurstgröstl an die Oma, die Tante, den Vater verteilt oder mit in den Laden zum Aufwärmen genommen. Meine Mutter hat einmal gesagt: „Ich kann schon verstehen, warum andere Leut bei 30 Grad am See liegen – wir Deppen stehen in der Küche und machen Blutwurst.“
Welchen Mut anderer haben Sie durch Ihren Blog entdeckt?
Ich habe viele Gleichgesinnte kennengelernt, die alle auf ihre eigene Art und Weise einen ausgesprochenen Hang zum Essen, zum Kochen und zum Produkt haben. Inzwischen seh ich nur noch Blogger, anstatt der alten Freunde. Wenn man diesen Knall hat – das kann gar kein anderer aushalten: Von einem Lebensmittelladen zum anderen pilgern und sich auf Fressmessen herumtreiben.
Innerhalb von sechs Jahren mit über 1800 Posts haben Sie sich Ihre treue Internetfamilie aufgebaut. Welches Ziel haben Sie hierbei vor Augen?
Es geht mir darum, Wissen weiterzugeben: Rezepte zu entwickeln, aufzuschreiben und mich darüber auszutauschen. Ich denke, es kommt rüber, dass ich speziell einkaufe, dass ich mich sehr mit einem Produkt befasse. Ich möcht die Leute anregen sich mit traditioneller Hausmannskost zu befassen und dabei über den Tellerrand zu schauen. Grundsätzlich auszuprobieren, was Ihnen schmeckt, denn das bereichert das Leben ungemein, außer man interessiert sich jetzt überhaupt nicht fürs Essen.
Wohin soll der Weg gehen?
2017, im Oktober zur Buchmesse, erscheint mein erstes Kochbuch im Umschau Verlag. Das zweite Kochbuch ist bereits im Entstehen. Es ist sicher schwierig, sich komplett als Foodblogger zu finanzieren. Doch als zweites Standbein neben dem Antiquariat fände ich es nicht schlecht. Aber das geht nur mit viel Fleiß. Meine Mutter sagt immer: „Dein Hobby ist Arbeiten“.
Website: DerMutAnderer
Rezeptvorschlag: Lammhoden auf Tomatensalat mit Estragon und knusprigen Speck