Radfahren ist klimaschonend, gesund und spart Geld. Alles schön und gut. Aber Fahrradfahren im Winter? Ein Selbstversuch.
Abgasskandal, hohe Benzinpreise, Klimawandel, zu wenig Bewegung. Eigentlich wären das ja genug Gründe dauerhaft auf’s Fahrrad umzusteigen. Die Aussicht bei Minusgraden, Schnee und Regen mit dem Fahrrad durch München zu fahren, ist jedoch nicht gerade verlockend. Tausend Ausreden im Kopf: „Ich will nicht verschwitzt ankommen“, „es ist zu kalt, zu nass, zu heiß, zu weit“ oder „schon zu spät“. Im Sommer ist es einfacher, sich zu überwinden, aber die ersten Regentage im Herbst bremsen viele erstmal wieder aus.
Dieses Jahr aber ist das Maß voll. Nach den ersten winterlichen Totalausfällen bei der Münchener Verkehrsgesellschaft einerseits und zugefrorenen Autoscheiben andererseits, fasse ich den Entschluss: Ich radle den Winter durch. Die passende Ausrüstung ist schon da: Daunenmantel, Fleecemütze unterm Fahrradhelm, Mundschutz gegen Frostschäden im Gesicht, dicke Handschuhe, die alte Skihose als Überhose, gefütterte Stiefeletten. Für Regentage eine wasserdichte Überhose, -jacke und –schuhe. Am Rad eine starke Lampe, Handtasche und Einkaufsbeutel kommen in die Fahrradtasche am Gepäckträger.
Erste Etappe: von Untermenzing nach Nymphenburg
Nebel, feuchtkalte zwei Grad Celsius: Das Wetter motiviert wirklich nicht dazu, sich länger als nötig draußen aufzuhalten, geschweige denn, Fahrrad zu fahren. Egal. Regenhose an, Daunenmantel drüber, und los geht’s. Nach den ersten Metern merke ich, dass es garnicht so schlimm ist, wie ich dachte. Die frische Luft ist angenehm – es riecht nach nassem Asphalt und Herbstlaub. Beim Fahren wird mir warm und es ist ein schönes Gefühl, voranzukommen, anstatt im Stau oder an der Haltestelle zu stehen. Selbstbestimmt unterwegs.
Sobald ich in die Wohngebiete abbiege, verstummt der Verkehrslärm. Nur beim Queren größerer Straßen unterbricht die Hektik der Rushhour die morgendliche Gemütlichkeit. Der Weg führt an der Nymphenburger Schlossmauer entlang zur Nördlichen Auffahrtsallee. Ich bin nicht die einzige Radlerin: vor mir fährt eine Schülerin auf einem klapprigen Damenrad, von links summt ein sportlicher Herr mit Rennrad und Radleroutfit an uns vorbei. Am Schlossrondel führt ein Schotterweg zur Nördlichen Auffahrtsallee, danach rütteln die Reifen allerdings über 200 Meter Kopfsteinpflaster bis zur Menzinger Straße. Neben zwei Gehwegen war wohl nicht mehr genug Platz für einen Fahrradweg. Dünnbereifte sollten sich hier besser als Fußgänger ausgeben.
Zweite Etappe: von Nymphenburg nach Neuhausen
An der Ludwig-Ferdinand-Brücke biege ich rechts ab und kaufe mir beim Bäcker an der Ecke ein Croissant. Im Laden ist es nach der Fahrt fast ein bisschen zu warm, beim Rausgehen merke ich die Kälte plötzlich umso stärker. Eigentlich würde ich gerne noch einen Kaffee im Warmen trinken, doch ich muss weiter. Der Weg über die Arnulfstraße wäre jetzt schneller, aber ich gönne mir für 400 Meter Umweg die hübschere Strecke über die Südliche Auffahrtsallee. Am Grünwaldpark biege ich auf die Renatastraße ab. Vorbei an alten Villen mit grünen Fensterläden und weißen Gartenzäunen, führt der Radlweg geteert neben der kopfsteingepflasterten Straße geradewegs auf die Arnulfstraße zu.
Nach siebeneinhalb Kilometern und einer halben Stunde Fahrt (inklusive Zwischenstopp) erreiche ich das Ziel. Die Vorderseite meiner Oberschenkel fühlt sich taub an von der Kälte, mein Kopf ist aber definitiv wacher als nach einer halben Stunde Fahrt im warmen Bus oder Auto. Ich komme mir richtig sportlich vor. Nebenbei habe ich 200 Kilokalorien verbraucht – das entspricht einem Schokoriegel. Das gleiche nochmal auf der Rückfahrt ergibt 400 Kalorien am Tag – bei fünf Tagen in der Woche sind das 2000 Kalorien. Allein durch tägliches Pendeln mit dem Fahrrad könnte ich also in drei bis vier Wochen ein Kilo abnehmen. Wenn ich den Winter durchradle, wären das bis zur Badesaison im Juni sieben bis acht Kilo! Neben der Tatsache, dass ich mich frischer fühle und bessere Laune habe, ist die Aussicht auf die Bikinifigur nebenbei sehr motivierend. Ob es reicht um mich den ganzen Winter hindurch bei jedem Wetter morgens auf’s Rad zu schwingen? Fortsetzung folgt 😉