Sprungbrett zurück in den Job
Nach einer Familienphase fällt Frauen die Rückkehr in den Beruf oft schwer. Das Seminar „Neuer Start“ vom Münchner Verein für Fraueninteressen hilft beim Comeback: durch Orientierung, Motivation und Stärkung des Selbstvertrauens. Constanze Eder sprach mit Seminarleiterin Inga Fischer, 48, über den elfwöchigen Kurs.
Frau Fischer, was lernen die Frauen bei Ihnen im Kurs?
Sie lernen herauszufinden, was sie können, was sie brauchen und was sie wollen. In der klassischen Familiensituation dreht sich das Leben ja meist um andere. Die Frauen bei uns im Kurs werden dazu ermutigt, wieder eigene Perspektiven zu entwickeln. Sie stecken sich neue Ziele, persönliche und berufliche. Und, ganz wichtig: Sie lernen, diese Ziele dann auch umzusetzen.
Ist das Ziel die Rückkehr in den Beruf?
Für die meisten Frauen ist es das vorrangige Ziel, aber nicht das einzige. 75 Prozent unserer Teilnehmerinnen werden wieder erwerbstätig, in unterschiedlichem Umfang und jede nach ihren Möglichkeiten. Aber unser Auftrag ist es nicht, die Frauen wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Jede Frau definiert ihre individuellen Ziele selbst.
Der Kurs dauert fast drei Monate. Wäre es nicht sinnvoller, die Zeit zum Beispiel in Computerkurse zu investieren, um fachlich wieder auf den neuesten Stand zu kommen?
Nur wenn man schon ganz genau weiß, was man machen möchte und auf welchem fachlichen Stand man ist. Aus meiner Erfahrung heraus müssen viele Frauen aber zunächst herausfinden, wo es für sie beruflich überhaupt hingehen soll. Und dann macht es eben keinen Sinn, irgendeine Computerschulung zu belegen. Vielleicht brauche ich die gar nicht bei dem, was ich künftig machen will. Das größte Problem beim Wiedereinstieg ist nicht die fehlende fachliche Kompetenz.
Sondern?
Wenn Frauen nicht erwerbstätig sind, meinen sie oft, dass sie nichts können. Das hängt mit der Fürsorgetätigkeit zusammen, die sie für viele Jahre übernommen haben und die nicht entsprechend wertgeschätzt wird. Weder vom Umfeld noch von der Gesellschaft. Der größte Verlust, den Frauen in dieser Zeit erfahren, ist der Verlust von Selbstvertrauen.
Wie steuern Sie dagegen?
Indem wir sie darin bestärken, sich all ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen sowie ihrer Werte und Wünsche bewusst zu werden und diese auch deutlich zu artikulieren. Die Teilnehmerinnen tauschen sich intensiv untereinander aus. Sie reflektieren gemeinsam ihre Situation und finden Lösungen. Das vermittelt ein neues Selbstbewusstsein.
Welche konkrete Unterstützung bietet der Neue Start für den Wiedereinstieg?
Ganz nebenbei bekommen die Frauen im Seminar Gelegenheit, vieles praktisch auszuprobieren: Wir haben viermal die Woche von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr Unterricht – da muss ich schon mal sehen, wie ich die Kinderbetreuung organisiere, ob eine neue Arbeitsteilung im Haushalt notwendig ist. Jeden Tag verfasst eine andere Teilnehmerin das Protokoll, das sie am Computer schreiben und dann vortragen muss. So kann sie wunderbar Fertigkeiten üben, die sie im Job braucht. Wir helfen beim Aufbau eines aussagekräftigen Lebenslaufs, bei der Stellenrecherche, beim Bewerbungsschreiben. Und jede Frau wird dazu ermutigt, sich innerhalb der Kurszeit ein zweiwöchiges Praktikum zu suchen.
Ein Praktikum? Was bringt das einer Frau Mitte vierzig, die früher vielleicht schon zehn Jahre erfolgreich als Juristin gearbeitet hat?
Die Frauen sollen bei uns nicht nur überlegen ,was wäre, wenn‘, sondern die Möglichkeit bekommen, ihre Ideen und Pläne – übrigens immer mit Unterstützung der gesamten Gruppe – auch in die Tat umzusetzen. Die Erfahrungen, die sie beim Finden eines geeigneten Praktikums, beim Bewerben und beim tatsächlichen Ausprobieren sammeln, helfen ihnen maßgeblich dabei, ihre Pläne zur Berufsrückkehr zu konkretisieren.
Neuer Start – heißt das auch, dass viele Frauen nach der Unterbrechung etwas Neues ausprobieren möchten? Oder kehren viele wieder in ihren alten Beruf zurück?
Viele glauben am Anfang, dass sie sich beruflich in eine komplett neue Richtung entwickeln müssen. Denn sie haben das Gefühl, in ihrem alten Beruf den Anschluss verpasst zu haben. Aber im Lauf des Kurses finden sie oft heraus, dass sie an ihr altes berufliches Umfeld anknüpfen können. Die Grundkompetenzen gehen ja nicht verloren. Und zusätzlich nehmen sie in die neue Tätigkeit dann die Fähigkeiten mit, die sie in der Familienarbeit erworben haben: Empathie, Planungskompetenz, Flexibilität, Aufgeschlossenheit.
Wie sind Sie selbst zum Neuen Start gekommen?
Ich war Personalreferentin in einem amerikanischen Konzern und habe selbst meine Berufstätigkeit unterbrochen zugunsten der Familienarbeit. Als meine Kinder vier und sieben Jahre alt waren, habe ich über den „Neuen Start“ gelesen und mich spontan angemeldet. Nach dem Kurs ist mir dann angeboten worden, dort in der Leitung mitzuarbeiten. Ich mache also jetzt wieder etwas Ähnliches wie vorher im Personalwesen, nur dass ich noch mehr mit Menschen zu tun habe. Ich kann hier das tun, was ich wirklich gern mache.