The Revenant: Trapper Hugh auf Abwegen
Eine Filmkritik von Robert Schweizer
Der Regisseur Alejandro González Iñárritu präsentierte seinen letzten Film „Birdman“ vor noch nicht einmal einem Jahr, da veröffentlicht er schon seinen neuen Film. Der Neue „The Revenant – Der Rückkehrer“ (USA 2015) geht stilistisch in eine ganz andere Richtung, als diese hoch gelobte, mit Preisen überschüttete Komödie „Birdman oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit“ (USA 2014). Vielleicht hätte sich Iñárritu an seinem Vorgängerfilm ein Vorbild nehmen sollen, denn ein bisschen weniger Ernsthaftigkeit hätte „The Revenant“ gut getan.
Es ist die Geschichte des Trappers Hugh Glass (Leonardo DiCaprio), der zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen Trupp von Pelzhändlern durch die Wildnis von South Dakota führt. Mit dabei ist sein Sohn Hawk (Forrest Goodluck), dessen Mutter eine Pawnee-Indianerin war. Ein Angriff von Ureinwohnern dezimiert die Expedition um ein Vielfaches. Nur eine kleine Gruppe kann sich in Sicherheit bringen. Der Moment der Sicherheit währt jedoch nicht lange: Die Attacke eines Bären überlebt Glass mehr als knapp. Der Versuch, den Verwundeten durch die Wildnis im Schnee zu transportieren, muss irgendwann als gescheitert erklärt werden, zumal Glass’ Zustand hoffnungslos erscheint. Ausgerechnet John Fitzgerald (Tom Hardy), der Glass und seinen Sohn mit Missfallen begegnet, soll bei ihm bleiben und ihn ordentlich bestatten. Man ahnt bereits, dass dieser Plan anders verläuft: Glass’ Sohn wird ermordet und Glass selbst lebendig begraben. Dies bildet den Startschuss für den sich anschließenden Survival- und Revanche-Plot. In dessen Folge sieht man den sonst so schönen Leonardo DiCaprio so ziemlich alle Widrigkeiten überstehen: Er kriecht durch die Wildnis, schwimmt durch eiskaltes Wasser, isst rohes Aasfleisch und schläft sogar im ausgehöhlten Bauchraum eines zu Tode gerannten Pferdes.
DiCaprio gibt alles und wird dafür belohnt
Diese rohen, wirklich ekelerregenden und brutalen Bilder, die man zu sehen bekommt, könnten in keinem größeren Gegensatz zu den unbeschreiblich wunderbaren Naturaufnahmen stehen, die der Kameramann Emmanuel Lubezki eingefangen hat. Vielleicht würde man ohne diese betörenden Momente absoluter Naturschönheit die hyperrealen Aufnahmen, in denen DiCaprio leidet oder einfach nur überlebt, gar nicht ertragen können. Der im wahrsten Sinne körperliche Einsatz, den DiCaprio hier zeigt, ist kaum zu überbieten – nicht umsonst gewann er nach dem Golden Globe auch den Oscar als Bester Hauptdarsteller.
Wobei auch schon die beiden sehenswerten Elemente von „The Revenant“ erwähnt wären: „Leo“ und die Naturaufnahmen. Der zweieinhalbstündige Film ist im wahrsten Sinne lang und langweilt nach einiger Zeit. Zu vorhersehbar ist das, was unausweichlich erscheint. Was dann endlich folgt, ist wiederum zu wenig, um das vorher Erlittene zu rechtfertigen. Der Film stellt große Fragen, wie etwa die nach dem Sinn des Lebens und vor allem die, ob es legitim ist, sich zu rächen und dafür zu töten. Die Antworten auf diese Fragen fallen dann eher mau aus. Ganz nebenbei möchte der Film aber noch mehr: Er möchte auch an den Massenmord an den Ureinwohnern erinnern, an die Vernichtung von Land und Büffelherden.
„The Revenant“ nimmt sich leider oftmals viel zu ernst. Vielleicht mag es daran liegen, dass es sich hier um eine wahre Geschichte handelt. So unwahrscheinlich es klingt, überlebte der echte, historisch dokumentierte Hugh Glass tatsächlich eine Grizzly-Attacke und kehrte nach mehreren Monaten Überlebenskampf in die Zivilisation zurück. Das Rache-Motiv als Überlebenselixier scheint in diesem Zusammenhang nicht abwegig zu sein, doch wäre hier weniger, einfach mehr gewesen: weniger aufgeladene Sinnhaftigkeit, weniger Ambitionen in zu viele Richtungen und weniger Länge. Was bleibt, sind Naturaufnahmen für die Ewigkeit und der erste Oscar für DiCaprio.
Regie: Alejandro González Iñárritu
Drehbuch: Mark L. Smith, Alejandro González Iñárritu
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Domnhall Gleeson, Will Poulter, Forrest Goodluck
Produktion: New Regency Pictures, Anonymous Content, Appian Way
Verleih: Twentieth Century Fox
Länge: 156 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
Start: 6. Januar 2016