Artenvielfalt auf dem Acker, Hofkäserei, Milchvieh, Nutzhanf-Felder: Landwirt Georg Hartinger gehört zu den Pionieren der ökologischen Landwirtschaft. Ein Hofbesuch im oberbayerischen Landkreis Erding.

Für Georg Hartinger gibt es keinen Zufall. Hartinger ist ein besonnener Mensch. Mit wachem Blick versucht er einzuschätzen, wer da auf seinen Hof kommt, um herauszufinden, was ihn seit Jahrzehnten antreibt, ökologisch zu wirtschaften.  Er kommt schnell auf den Punkt: Wir haben eine Aufgabe, wir haben Verantwortung. Das ist der Sinn unseres Lebens. Es geht nicht um Selbstverwirklichung.

Der Hof Hodersberg von Georg Hartinger liegt oberhalb von St. Wolfgang, einer Gemeinde im Landkreis Erding. Von der B15 geht ein kleiner Schotterweg ab, ein Stück durch den Wald bis zu einer Anhöhe. Dort betreibt der 62jährige eine Hofkäserei, ökologische Milchwirtschaft, Nutzhanf-Felder sowie Ackerwirtschaft mit Mischfruchtanbau zur Stärkung der Artenvielfalt.

Zentraler Teil des Vierkanthofs ist der Kuhstall. Die Jungkälber bleiben die ersten Wochen bei den Muttertieren. Es sind horntragende Rinder. Hörner sind wichtig für Verdauung und Stoffwechsel, das hat Einfluss auf die Qualität der Milch, erklärt Hartinger. Bei Kraftproben untereinander sind Hörner nur Beiwerk. Kraftproben werden über die Stirnpartie ausgetragen. Es gibt keinen Grund, Hörner zu entfernen.

„Die Natur ist ein System, das in sich klug ist“

Horntragende Rinder in einem Kuhstall

Hörner haben Einfluss auf Verdauung und Stoffwechsel

Hauptaufgabe der Rinder ist fressen und guten Mist machen, ist Hartinger überzeugt. Gesunder Rinderdung ist die Basis für einen nährstoffhaltigen Humusstatus, der die Bodenqualität fördert. Nährreicher Ackerboden sorgt für ausgeglichenes Futter, das die Gesundheit der Rinder unterstützt. Und gesunde Kühe liefern die qualitativ hochwertige Rohmilch für seine Käseprodukte.  Der Kreislauf als Grundprinzip. Zum Fressen gibt es nur rohfaserreiches Raufutter wie Heu und Gras. Getreide mit hohem Proteingehalt ist als Kraftfutter tabu. 3 Stunden pro Tag geht es auf die Weide. Falsche Fütterung schwächt die Herde nachhaltig, erklärt Hartinger. Die meisten Krankheiten wie entzündete Euter oder Leber-Nieren-Degeneration kommen von einem Eiweißüberhang in den Futtermitteln. Leber-Nieren-Krankheiten können zudem an die Kälber weitervererbt werden. Anfangs hatte er auch einige kranke Kühe im Stall. Die gängige Meinung war, das ist normal. Hartinger fand das gar nicht normal und begann zu forschen.

Hofkäserei, Milchvieh, Ackerboden, alles hängt zusammen, alles ist wichtig. Heu machen ebenso wie Käse herstellen. Aber das Wichtigste ist guter Boden, betont Hartinger. Guter Boden ist das Fundament eines gesunden Kreislaufs. Das betrifft auch die Bearbeitung des Ackerbodens. Jede Schicht im Ackerboden hat eigene Bedingungen, die sich gegenseitig beeinflussen. Wenn man durch Pflügen tiefe Furchen schafft und damit Schichten des Ackerbodens zerstört, dann vernichtet das die Struktur des Bodens und das Sauerstoffleben ist im Keller.  „Die Natur ist ein System, das in sich klug ist. Ich als Bauer muss erkennen, wie es funktioniert und es nachahmen, das sichert meine Existenz.“

Vor kurzem ist ein Kalb gestorben, weil die Mutterkuh es nicht ernähren konnte.  „Ich habe versucht, es zu retten, erfolglos“. Für Hartinger gehört auch das zum Kreislauf.  Man darf die Rinder nicht vermenschlichen, sagt er.  Auch der Tod ist Teil des Lebens. Wenn das Kalb sterben musste, dann hat das seinen Sinn. Für Hartinger gibt es keinen Zufall.

„Am Anfang war alles ein Wagnis“

Reifekeller in der Hofkäserei Hodersberg

Die Hofkäserei durchzieht ein intensiver Geruch von Bärlauch und Basilikum. Große Räder von Bergkäse, gewürztem Goldacher und Rosmarin-Schafskäse lagern aufgereiht in Regalen. Die Käseherstellung liegt Hartinger am Herzen. Hier entwickelt er nach alter Handwerkskunst Käsesorten aus unbehandelter Rohmilch, sucht auch hier nach neuen Ideen. Der Käse ist sein Kontakt zum Kunden; die Rückmeldung, ob die Qualität stimmt. Rohmilch reagiert auf den Mond, sagt Hartinger. Und nur mit guter Rohmilch bekommt er das intensive Aroma seines Käses. Das ist der Unterschied von Lebens- zu Nahrungsmitteln, betont Hartinger, Lebensmittel nähren das Leben, den Geist, die Seele. Nahrungsmittel nähren nur den Körper. Gute Produkte stärken die Lebensenergie. Und darum geht es ihm.

Angefangen hat er seine „Erkenntnisreise“ 1987. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, hat er auf Wunsch seines Vaters erst „etwas Richtiges“ gelernt. Landwirt sollte der Sohn nicht werden. Also machte er eine Feinmechaniker-Lehre, hat als Zimmerer, Maurer und Betriebshelfer gearbeitet. Das war alles nicht das Richtige. Anstoß war eine Afrikareise. Der Einblick, unter welchen miserablen Bedingungen für den Westen Agrarprodukte hergestellt werden; wieviel Landfläche wir dort in Beschlag nehmen; wie sich die Lebensstandards unterscheiden. Das hat sein Bewusstsein geschärft. Dann war da noch die Chemikalien-Vergiftung im Rhein, Verschmutzung durch Herstellung von Pflanzenschutzmitteln. Da begann Hartinger umzudenken. Verantwortung zu übernehmen.

Als er den Hof 1985 übernahm, war er auf Bullenmast ausgerichtet. Konventionelle Landwirtschaft. Er begann nach Möglichkeiten der Umstrukturierung zu suchen. Und fand Unterstützung bei Demeter. Die schickten damals Berater an die Höfe. So bekam er seine ersten Mittel zur Hand, um eine Umstellung in Gang zu setzen. Präparate aus der Rudolf-Steiner-Lehre, die positiv auf Pflanzen und Böden wirken. Und nahm an regelmäßigen Treffen mit anderen Demeter-Bauern teil, wo man sich austauschte, gemeinsam aus den theosophischen Schriften las. Das hat ihn geprägt.

Trotzdem: Am Anfang war alles ein Wagnis. Alles war neu. Die Käserei, das ökologische Milchvieh. Also machte er sich auf den Weg. Offenbleiben, Versuche machen, Weiterfragen, Fundamente entwickeln, die funktionieren und wiederholbar sind. Der Weg ist das Ziel. Und zieht die Kraft aus seinem Glauben an den Urgedanken des Lebens, der mehr ist als das Individuum an sich. Bewusstsein, Ordnung, Licht, Liebe, Freude, Schönheit, sind Stichworte, die Hartinger spontan in den Sinn kommen, was der Urgedanke für ihn bedeutet.

„ Nur durch Vertrauen kann sich etwas ändern“

Bio-Landwirt Georg Hartinger im Kuhstall

Bio-Landwirt Georg Hartinger

Und dann erzählt er die Geschichte des Brandes, der vor 10 Jahren seine Stallungen und die Käserei vernichtet hat. Er stand vor dem Aus. Aber auch hier gibt es für Hartinger einen stimmigen Kreislauf.

Im 17.Jahrhundert lebte ein Jungbauer auf dem Hof, dem der Hof versprochen wurde. Als er ihn dann doch nicht bekam, hat er einen „starken Fluch“ gesetzt. Seitdem gab es kein Glück auf dem Hof, berichtet Hartinger weiter. Aus Aufzeichnungen aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv konnte er die Geschichte des Hofes teilweise nachvollziehen. Auffällig war, es wechselten ständig die Namen, es gab keine familiäre Chronologie der Weitergabe. Der Flucht lastete energetisch auf dem Hof, ist Hartinger überzeugt. 2009 ließ er eine Heilerin kommen, die den Fluch verabschiedet hat. Dann brannte es. „Anfangs war ich nur gelähmt in Traurigkeit und Depression“, bekennt Hartinger. Bis er sich wieder mit der Heilerin besprochen hat, die ihm erklärte, dass Feuer die Kraft der Transformation ist. Das ergab dann wieder Sinn für ihn. Energie wird auch in Steinen, Gemäuern, Grundmauern gespeichert. Erst durch das Feuer hat sich die Energie endgültig gewandelt. „Dieses Bewusstsein gab mir die Kraft, den Hof wiederaufzubauen“, ergänzt er. Spürt er die Veränderung? Ich nicht, so Hartinger, ich bin zu nah dran. Andere ja, die spüren einen Unterschied.

 

Im Garten hat Hartinger einen keltischen Steinkreis ausgelegt. Der Steinkreis stabilisiert die Energie, sagt er. Das sieht er als eine seiner Lebensaufgaben. Diesen Ort zu stabilisieren. Und fügt hinzu, „das ist meine neue Berufung, Menschen in dem Steinkreis zu begleiten, sie zu inspirieren, ihren eigenen Weg zu finden, durch Gespräche und Meditationen. Das machen wir momentan einmal im Monat, bei Vollmond. Den Hofbetrieb gebe ich demnächst ab.“ Und sein Wissen über die Käserei weitergeben. Kurse anbieten. Darauf will er sich jetzt konzentrieren. Wieder schließt sich ein Kreis. „Wir brauchen mehr Vertrauen“, sagt er noch.  „Nur durch Vertrauen kann sich etwas ändern, das geht uns verloren.“ In dem sonst so nachdenklichen Gesichtsausdruck deutet sich ein dezentes Lächeln an.