Lebensmodell Fischer auf dem Starnberger See
Der Starnberger See
Länge: 20,2 km
Breite: 4,68 km
Umfang: 49 km
Fläche: 56,36 km
Volumen: 2,99 Mrd. m3
Tiefste Stelle: 127,8 m
Höhe über dem Meeresspiegel: 584 m
ø Tiefe: 53,2 m
ø Wassererneuerungszeit: 21 Jahre
„Ein Fischer hat auch die Aufgabe, den See zu schützen”
Fischer Johann Schuster, Allmannshausen
Johann Schuster ist 81 Jahre alt und fischt auf dem Starnberger See. Viermal in der Woche fährt er hinaus. Gegen sechs Uhr in der Frühe ist der Fischer an seinem Bootshaus. Es ist Mitte September, der Morgen fast windstill. Das Wasser hat 19,5 Grad und wird am Tage auf 21,2 Grad steigen.
Er lässt das Aluboot im Bootshaus an den Stahlketten ins Wasser. Sein größter Fang war ein Karpfen von etwa 60 Zentimeter Länge. Das war vor etwa 20 Jahren. Doch seitdem gibt es Wochen, so wie in diesem Frühjahr, da war nicht ein Fisch in seinen Netzen. Aber es geht ihm weder darum, den größten Fisch zu fangen noch den größten Fang zu machen. „Ein Fischer zieht nicht nur Fische aus dem See, sondern hat auch die Aufgabe, den See zu schützen“, sagt er.
„Als ich angefangen habe, im See zu fischen, um 1950, da war ich 8 Jahre alt.“
Fischer Johann Schuster
Durch das geöffnete Tor des Bootshauses stakt Johann Schuster mit einer Holzstange und gleitet hinaus auf den dunklen See. Dann erst lässt er den Motor an und das Boot tuckert in Richtung Ammerland. Am Ufer erheben sich schwarz die Silhouetten der Bäume, Stege und Bauwerke. Der Himmel über dem nachtschwarzen See hellt langsam auf, im Osten beginnen die Wolken in zartem Rosa zu glimmen.
„Es gab Zeiten, da sind wir morgens schon um drei Uhr aufgebrochen“, sagt er. Denn an warmen Tagen verdirbt das Eiweiß der Fische schnell. „Die Eiswürfelmaschinen gibt es noch nicht so lange.“ Johann Schuster kennt den See seit mehr als 70 Jahren. Als er in den 1950er Jahren begann, im See zu fischen, war er 8 Jahre alt.
Sommerfischerei auf dem Starnberger See
Bis er 15 Jahre alt war, wurde die Sommerfischerei im Ruderboot von Mai bis August mit Zugnetzen und Reusen betrieben. Damals waren die Fischer noch allein auf dem See. Heute werden Reusen immer wieder von neugierigen Badenden aus dem Wasser gezogen oder von Booten beschädigt. Die Fangmethode mit Zugnetzen konnte nur zu zweit ausgeübt werden und brauchte viel Kraft. Die Erträge waren mager, die Arbeit mühsam. Damals waren es noch die Krebse, die die Baumwollnetze beschädigten, denn der See war noch voll mit europäischen Flusskrebsen. „Da hat man sich zu Tode geflickt. So ein Netz, das kostete ja ein Vermögen.“
Er deutet auf die Roseninsel, die sich entfernt in der Morgendämmerung aus dem Wasser abhebt. Bis vor einigen Jahren standen dort seine Netze. Doch seitdem unter dem Wasserspiegel eine Pfahlbausiedlung aus der Zeit um 3700 v. Chr. gefunden und zum Weltkulturerbe erklärt wurde, ist der Bereich gesperrt. Auch ein bronzener Angelhaken und Einbäume aus dem 8. oder 9. Jahrhundert v. Chr. wurden geborgen. So alt wie die Besiedlung am Starnberger See, so alt ist hier auch die Geschichte der Fischerei.
Johann Schuster hat seine Stellnetze am Vortag bei Ammerland gesetzt. Die Schwimmkörper auf dem Wasser zeigen die Positionen der Netze unter der Wasseroberfläche an. Er stellt den Bootsmotor ab und beginnt, das erste Netz einzuholen.
Rückgang des Schilfbestands am Starnberger See
In der Kindheit des Fischers war das Schilf noch allgegenwärtig. Dichtes Röhricht wuchs an den Ufern und um die Roseninsel. Für die Hechte haben sie damals unter Wasser Nester gesteckt, aus Fichtenzweigen. „Der Hecht ist ein Krautlaicher – in Blättern, Stauden, Zweigen. Da gab es noch den ganzen Schilfbestand und die Wasserpflanzen. Die Hechte konnten überall laichen, das war für sie paradiesisch.“ Doch der Schilfbestand am Starnberger See ist, so wie an vielen anderen Seen, seit etwa der Mitte des vergangenen Jahrhunderts stark zurückgegangen.
Schilfsterben
Es gibt diverse Gründe für das Schilfsterben: die Gewässereutrophierung, also die Überdüngung, ankernde Boote und Badenutzung mit Vertritt, Schneisen und Trampelpfaden im Schilf, den Verbiss durch Gänse, Enten oder Schwäne sowie Schiffsinduzierter Wellenschlag oder Hochwasserereignisse. Meist ist es nicht ein einzelnes Merkmal, sondern das Ineinandergreifen mehrerer Faktoren, die Veränderungen bedingen.
Eutrophierung des Starnberger Sees
Seit den 1950er Jahren reihten sich immer mehr Häuser an den Uferhängen. Bevor der Ringkanal gelegt wurde, flossen alle Abwässer aus den Anrainergemeinden in den See. „Früher gab es die sogenannten Zeigerfische im See. Sie haben einen hohen Sauerstoffbedarf und werden auch im Trinkwasserleitungssystem eingesetzt, um die Wasserqualität zu überprüfen. Aber die sind seit den 1960er Jahren eingegangen. Damals war der See eutroph, also überdüngt“, sagt Johann Schuster. Heute gilt der Starnberger See wieder als sauber, aber er ist nährstoffarm. Den Fischen fehlt Plankton.
Seit dem Bau des Ringkanals hat sich die Nährstoffbelastung und die Wasserqualität im Langzeittrend deutlich verbessert. Das Wasser ist klar, mit einer geringen Algenentwicklung. Dafür hat die Freizeitnutzung des Sees mit Motorbooten, Badenden, Seglern und anderen Wassersportlern immens zugenommen. „Wir müssen verstehen lernen, dass so viele Menschen, wie sie jetzt am See sind, die Natur völlig überfordern“, sagt Johann Schuster.
Fischbruthaus in Allmannshausen
In den 1970er Jahren baute die Fischereigenossenschaft Würmsee das Bruthaus , um den Fischbestand zu sichern. Der Vater von Johann Schuster betrieb das Bruthaus und der Sohn übernahm die Aufgabe vom Vater. Das Hauptargument für das Bruthaus war der fehlende Sauerstoff am Boden des Sees vor dem Bau der Ringleitung. Der Fischbestand war gefährdet. Mit den verminderten Schilfbeständen waren auch die Laichzonen und Kinderstuben für die Jungfische stark zurückgegangen. Renkenlaich wurde zugekauft, etwa von großwüchsigen Renkenarten aus Rußland und Österreich oder Felchenlaich vom Bodensee.
Das Bruthaus am See ermöglicht seitdem, den Fischlaich im geschützten Umfeld mit Samenmilch zu befruchten und aufzuziehen, bis die Schlüpflinge mit einem Planktonvorrat in geeignete Zonen für eine gute Kinderstube im See entlassen werden. „Eine irre Arbeit“, sagt Johann Schuster. Wenn die Fische schlüpfen, die Schalen kontinuierlich abgesaugt werden und das Wasser ständig mit Frischwasser erneuert wird, hat der Fischer oftmals auf seinem Feldbett im Bruthaus übernachtet. „Das waren damals große Renken und es gab viel Laich. 800 Liter Eier. Das waren solche Mengen an Fisch, das kannst Du Dir nicht vorstellen.“
Der Starnberger See ist nährstoffarm: zu wenig Plankton
Johann Schuster hat sein Fischereirecht und den Betrieb an seine Tochter “Gilli” übergeben. Sie ist ebenfalls Fischermeisterin und verkauft den täglichen Fang im eigenen Hofladen in Allmannshausen. Dazu gibt es hier Zucht-Saiblinge, Lachs aus Schottland und Meeresfisch. Wenn der Vater morgens mit dem Fang vom See kommt, wird der Fisch geputzt, geräuchert, filetiert oder mariniert. Ohne ihn wäre das alles nicht möglich.
Aus den ersten Netzen hat Johann Schuster an diesem Morgen bisher lauter kleine Renken herausgepult. „Die Fische haben nicht mehr das Wachstum wie in den früheren Jahren.“ Das liegt am nährstoffarmen Wasser. Es gibt zu wenig Plankton. „Die Renken, die wir heute fangen, sind Hungerkünstler.“
Saibling und Forelle machen sich rar
Seitdem er den See kennt, hat sich vieles verändert. Nicht nur die Renke ist kleiner geworden, Saibling und Forelle machen sich heute rar im See. Weißfischarten wie Rotaugen, Rotfedern, Brachsen, Lauben oder Mairenken fängt er ebenfalls nur noch als Einzelexemplare; ebenso wie Zander, Hasel oder den sogenannten Rüsling. Hechte hingegen gibt es noch immer genug und der Waller breitet sich aus. Verschwunden hingegen sind die Teichmuscheln, sagt er. „Dafür haben wir die Dreikantmuschel.“Eine invasive Art, die ursprünglich aus Nordamerika stammt und in Europa heimische Arten verdrängt. „Wenn die mal da ist, haben andere Arten keine Chance mehr.“
„Man muss Respekt vor der Natur haben”
Fischermeister Andi Gastl
Der Fischermeister Andi Gastl ist etwa halb so alt wie Johann Schuster. Gastl übernahm 2008 den Hof seiner Eltern mit dem Fischereirecht für den Starnberger See. Seine Eltern besaßen noch Milchkühe und vermieteten Ferienwohnungen, die inzwischen sein Bruder übernommen hat. 2015 baute er den Betrieb mit einem Hofladen um. An der Stelle, wo früher Stall und Scheune standen, eröffnete er im neuen Anbau ein Hofcafé. 90 Prozent seines Fangs verkauft er direkt über den Hofladen und das Café, sagt er. Dazu gibt noch eine kleine Landwirtschaft mit Flächen, die bewirtschaftet werden.
Fischereirecht auf dem Starnberger See
Wie Johann Schuster fischt auch Andi Gastl vier Tage in der Woche hintereinander. „Das ist so festgelegt durch die Satzung der Genossenschaft. Für alle Fischer gilt das gleiche Recht: vier Fangtage pro Woche.“ Von 2013 bis Herbst 2022 war Gastl Vorstandsvorsitzender der Fischereigenossenschaft Würmsee.
Mitglied der Genossenschaft kann nur werden, wer den Titel eines/r Fischwirtschaftsmeister*in besitzt. Dazu muss man einen notariellen Übergabevertrag vorweisen, aus dem hervorgeht, dass er oder sie ein Anwesen übernommen hat, für das ein Fischereirecht besteht und wo die Fischerei seit Jahrhunderten berufsmäßig ausgeübt wird. Meist scheidet der Vater mit der Hofübergabe aus der Genossenschaft aus und erklärt seinen Nachfolger aus der Familie.
Fischereigenossenschaft
Die Fischereigenossenschaft Würmsee hat das gesamte Fischereirecht auf dem Starnberger See vom Freistaat Bayern gepachtet, vertreten durch die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Das Recht zum Fischen gibt die Genossenschaft an ihre Mitglieder weiter. Die Genossenschaft besteht seit dem Jahr 1909. Ihr Vorläufer war die Fischerinnung ab dem Jahr 1861. Ein Seerichteramt ist bereits aus dem Jahr 1346 bekannt. Es tritt insbesondere bei Verstößen gegen die Genossenschaftsbeschlüsse in Kraft.
Ein Fangtag auf dem Starnberger See
Am frühen Morgen ist Andi Gastl so wie der Fischer Johann Schuster auf dem See. “Die meisten Netze, die wir verwenden, sind Stellnetze” erläutert Gastl. “Sowohl am Boden mit Grundnetzen, oder auch im Freiwasser mit Schwebnetzen. Ansonsten haben wir noch Trappnetze im Einsatz. Das sind große Reusen, mit denen wir in erster Linie Aal, Waller oder Hecht fangen.“
Wenn Andi Gastl nach Hause kommt, wird der Tagesfang verarbeitet. Auch seine Mutter und die Schwester helfen mit im Betrieb. Am Vormittag müssen die Fische für den Laden und das Café vorbereitet werden, an manchen Tagen wird auch geräuchert. Dann liegt noch die Organisation für das Café an, etwa der Wareneinkauf und die Koordination der Mitarbeitenden.
Fischbestand im Starnberger See
Vieles habe sich verändert, seitdem er den See kennt, sagt auch Fischer Gastl. Bei manchen Fischarten vielleicht nur geringfügig, bei anderen mehr. Als er noch ein Kind war, da fragten die Käufer nach kleinen Renken, weil die Menge der Renken damals so groß war. Heute ist es umgekehrt. Die großen Renken sind stets zuerst verkauft, weil die anderen so klein sind, dass eine Person von einer Renke nicht mehr satt wird. Daher werden sie oft filetiert oder zu Matjes verarbeitet.
Der Zander war zu den Zeiten, als der See eutroph und damit nährstoffreicher war, deutlich häufiger zu finden. Indes gibt es heute auch Waller und Karpfen, die sich im See inzwischen heimisch fühlen, ebenso wie der Giebel, der früher hier nicht vorkam. Der Waller ist im Süßwasser die größte Fischart. „Im Starnberger See ist der größte mir bekannte 2,70 Meter lang. Das war schon sehr ungewöhnlich. Das war vielleicht ein Profiteur davon, dass sich das Wasser minimal erwärmt. Weil der das wärmere Wasser mag. Und auch ein bisserl mehr vorkommt, im Vergleich zu früher, obwohl wir den nicht besetzen. Im Durchschnitt werden auch größere Exemplare gefangen als vor 20 oder 30 Jahren.“
Im Mittel sei die Temperatur im See wohl leicht gestiegen, meint Andi Gastl. In seiner Kindheit gefror das Seewasser im Winter zumindest in den Randbereichen. Das ist seltener geworden. „Es hieß immer, alle 15 Jahre friert der See ganz zu. Aber das letzte Mal sind wir im Winter 1996/97 mit dem Fahrrad über das Eis auf die andere Seeseite gefahren. Das ist nun schon 27 Jahre her.“
Starnberger See Museum: „A Few Degrees More“
Seit rund drei Monaten hängen im Starnberger See Museum (SSM) unter dem Motto „A Few Degrees More“ – Ein paar Grad mehr – einige Bilder schief. Das Gemälde „Seeshaupt“ von Edward Cucuel wurde um genau 3,9 Grad gedreht – um diesen Wert würde sich die mittlere Jahrestemperatur im Landkreis Starnberg bis 2100 erwärmen, wenn die Menschen nicht gegensteuern, so heißt es.
Damit schließt sich das SSM einer Initiative des Leopold Museums in Wien in Kooperation mit dem Klimaforschungsnetzwerk Climate Change Centre Austria an. Die für die Starnberger Ausstellung zugrundeliegenden Daten stammen aus Messungen und Prognosen des Bayerischen Landesamts für Umwelt.
Der Starnberger See
liegt 25 km südwestlich von München. Er ist der fünftgrößte See Deutschlands, auf Grund seiner hohen Durchschnittstiefe jedoch der zweitwasserreichste. Er hat keinen alpinen Zufluss und wird nur von kleineren Oberflächen-Fließgewässern und wenigen unterirdischen Quellen gespeist. Der Fluss Würm ist der einzige Abfluss.
Gegenwart und Zukunft des Sees als Lebensraum
Im Rahmen des Projekts diskutierten kürzlich bei einer Podiumsdiskussion Experten die Auswirkung des Klimawandels auf den See. Zum Podiumsgespräch sind Dr. Helmut Wedekind, der Leiter des Starnberger Fischerei-Instituts und Professor Jürgen Geist, der Inhaber des Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie an der TU München eingeladen.
Zu den Aufgaben von Wedekind und seinen Mitarbeitern gehört es, die Artenvielfalt und den Zustand aquatischer Biotope mit ihren Fischbeständen in freien Gewässern zu untersuchen und zu dokumentieren. Jürgen Geist forscht mit seinem Team zu Gewässerökosystemen und den Auswirkungen von Umwelt- und Klimabedingungen auf die Biodiversität im Wasser.
Veränderungen der Erträge und beim Laichverhalten
Die Veränderungen im See seien schleichend, meint Helmut Wedekind. Ein Monitoring des Fischbestands 2018/19 habe ergeben, dass alle 26 ursprünglichen Fischarten noch vorhanden seien. Hinzu kämen Aal und Karpfen als Besatzfische. Aber es gebe Veränderungen in den Erträgen und beim Laichverhalten. Natürlich werde nach Gründen dafür gesucht. Aber das seien weniger Akutereignisse, vielmehr gelte es, ein komplexes Ineinandergreifen vieler Faktoren zu entschlüsseln.
Zum einen ist der See heute nährstoffarm. Ein verändertes Planktonvorkommen verändert die optimale Nährstoffzusammensetzung für alle Lebewesen im See und kann ein vermindertes Fischwachstum und sinkende Fischbestände zur Folge haben.
Verschiebung der Arten
„Zudem führen Veränderungen der Wassertemperatur zu einer Verschiebung der Arten“, führt Wedekind aus. Renken, Saiblinge und Forellen seien kälteliebende Fischarten. Nicht nur eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur wirke sich auf den Bestand aus, sondern auch kurzzeitige Extremwetterlagen. In Bezug auf die Wassertemperatur und das Fressverhalten seien Generalisten wie etwa der Waller die Gewinner. Der Saibling hingegen hat einen hohen Sauerstoffbedarf, reagiert empfindlich auf Verschmutzung sowie geringe Veränderungen der Wassertemperatur und ist anspruchsvoll mit seinen Laichplätzen.
Monomiktisch
Aufgrund seiner Größe kühlt der See nur langsam ab und erwärmt sich ebenso langsam. Daher durchmischt er sich nur einmal jährlich im Frühjahr, er ist monomiktisch. Er hat nur geringfügige Seespiegelschwankungen. Der langsame Wasseraustausch – es dauert 21 Jahre, bis das gesamte Wasservolumen einmal ausgetauscht ist – macht ihn auch anfällig für Belastungen.
Sauerstoff und Nährstoffverfügbarkeit
Wie ein fortschreitender Klimawandel die Nährstoffverfügbarkeit im See beeinträchtigen kann, erläutert Professor Jürgen Geist. Die Wärmeperioden beginnen heute zunehmend früher und dauern länger. Diese Veränderung wirkt auch auf die Temperatur der thermischen Wasserschichten des Sees ein. In der Tiefenschicht des Sees beträgt die Wassertemperatur durchgängig 4 Grad. An der Wasseroberfläche ist die Temperatur den Großteil des Jahres höher oder niedriger.
Frühjahrszirkulation
Bei 4 Grad ist Wasser am dichtesten und am schwersten. Wärmeres oder kälteres Wasser ist leichter und bildet im See daher eine sogenannte Sprungschicht über dem Tiefenwasser. Die Durchmischung der Wasserschichten im Starnberger See findet nur einmal jährlich im Frühjahr statt, wenn auch die Temperatur der Wasseroberfläche vier 4 Grad beträgt. Dann können die Frühjahrsstürme die Nährstoffe vom Boden bis an die Wasseroberfläche und den Sauerstoff von der Oberfläche in die Tiefe umschichten, wo er für Laich, Kleinstlebewesen und Bakterien, welche die abgestorbenen Organismen abbauen, benötigt wird.
Diese einmal jährlich stattfindende Frühjahrszirkulation ist unerlässlich für den See als Lebensraum von Pflanzen und Tieren. Sollte die Wassertemperatur an der Oberfläche des Sees zu warm bleiben, also nicht bis auf vier Grad absinken, bleibt diese notwendige Durchmischung aus.
“Früher haben die Renken im Dezember gelaicht”
Auf eine höhere Wassertemperatur reagiert jeder Fisch anders. Als Indiz für eine Temperaturverschiebung in den thermischen Schichten des Sees sieht der Fischer Johann Schuster das veränderte Laichverhalten. „Früher haben die Renken Anfang Dezember um den Nikolaustag gelaicht“. Die Wassertemperatur spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Die Renken laichen im See bei etwa 4 bis 6 Grad. Aber in diesem Jahr haben die Fischer noch Ende Januar laichreife Renken gefangen. Wenn dann wiederum die Schlüpflinge im Frühjahr erst so spät in den See entlassen werden können, ist das Plankton manchmal schon zu groß für die kleinen Fischlein. Das Ökosystem des Sees ist komplex. Jede Veränderung innerhalb der einzelnen Entwicklungsphasen hat unmittelbare Auswirkungen auf andere Elemente des Systems.
„Alle Fische bis zu zwei Jahren sollten im See bleiben“, rät Gastl, „damit sie das erste Mal im See ablaichen.“ Man muss also immer mindestens drei Jahre voraus denken. Der Fisch, der in den See gesetzt wird, braucht drei Jahre, bis er gefangen wird. „Und dann fangen wir auch nicht nur die Dreijährigen, sondern sondern auch Vier- und Fünfjährige.“
Die Fischer müssen immer drei Jahre vorausdenken
Es mache keinen Sinn, in einem Jahr, in dem es in der Natur viel Laich gibt, nochmal große Mengen an Laich dazuzusetzen, denn das Futter ist begrenzt. Sonst konkurrieren alle Fische um das knappe Futter und bleiben noch kleiner. „Deswegen kann man die Natur nur unterstützen. Hauptsächlich in Jahren, wenn in der Natur wenig Laich vorkommt.“ Renken sind keine Räuber wie die Waller. Sie ernähren sich von Plankton. Das aber steht nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. „Die Renken müssen also jedes Futterkörnchen suchen und verbrauchen schon dadurch viel Energie. Deswegen wachsen sie im Verhältnis zu langsam.“
„Wir können die Natur nur unterstützen, aber nicht ersetzen”
Fischer Andi Gastl, Leoni
Ein Großteil der Fische laicht nach wie vor im See ab, meint Andreas Gastl. Aber dort sind die Chancen für eine gute Entwicklung nicht so optimal wie im Bruthaus. „Allein schon bei der Befruchtung ist ungewiss, ob das Spermium in dieser Wassermenge zu dem einzelnen Ei findet. Dann spielt der Ort eine Rolle, wo das Ei abgelegt wird: Gibt es dort genügend Sauerstoff? Wird das Ei gefressen? Im Bruthaus ist das Schlüpfen der Brütlinge aussichtsreicher: „Wir haben meistens Befruchtungsraten von über 90 Prozent und zum Schlüpfen kommen meistens über 80 Prozent. Das ist sehr viel mehr als bei den Fischen, die im See laichen. “
2021 wurden im Bruthaus 500 Liter Renkenlaich vorgezogen. Ein Liter Fischeier entspricht etwa 60.000 Fischen. Das ist das Wunschsoll. „Die Menge bei der Renkennachzucht, die wir anpeilen, sind etwa 30 Millionen Stück“, sagt Andreas Gastl. Die Renkenlarven werden mit der Größe von einem Zentimeter wieder in den See eingebracht. Aber die Wunschmenge wird oft nicht erreicht. „Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, war es im Dezember 2022 nur ungefähr die Hälfte“ schätzt Andreas Gastl. Etwa 15 bis 18 Millionen Fische.“
Die Fischer müssen die Zeiten überbrücken, wenn der Fang schlechter ist
„Wenn man ein gutes Jahr hat, dann kann man in dem guten Jahr von der Fischerei leben“, sagt Fischer Gastl. „Aber das ist eher selten. Man kann nicht damit rechnen.“ Deshalb haben viele Fischer ein weiteres Standbein. So wie er das Café auf seinem Hof betreibt, haben andere Bojen und Bootsliegeplätze, einen Bootsverleih, Ferienwohnungen oder einen Campingplatz. „Sonst geht das nicht. Die Erträge sind nicht verlässlich konstant. Man muss immer wieder Zeiten überbrücken, in denen der Fang wieder schlechter ist.“
„Was meine Leidenschaft für die Fischerei ausmacht, das ist die Freiheit, die man hat. Und das Arbeiten mit und in der Natur. Ich brauch das, draußen im Freien zu Arbeiten. Ich sag immer, man muss vor der Natur keine Angst haben, aber man muss Respekt haben. Das ist wichtig.“
„Das Gewässer ist unwiederbringlich“
Johann Schuster ist mit dem Fang zufrieden. Ihm geht es nicht um maximale Erträge. „Manch einer findet, dass ich kein g‘scheiter Fischer bin“, sagt er. „Aber irgendwann muss man das Ruder ablegen und dann spielt es keine Rolle mehr, ob ich in meinem Leben 5 Tonnen Fisch oder noch 2 Tonnen mehr gefangen habe. Die meisten Leute haben kein Gespür für die Natur, die wollen immer so viel wie möglich herausholen.
Mein ganzes Streben ist, dazu beizutragen, den See zu erhalten. Denn das Gewässer ist unwiederbringlich. Ich bin nicht der große Erzähler”, sagt er. „Jetzt machen wir Schluss. Weil die Gilli schon die ganze Zeit räuchert.“
„Es geht immer weiter“, sagt der Fischer Johann Schuster.
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Weiterführende Videos: Fischmeister: Familie Gastl am Starnberger See | Zwischen Spessart und Karwendel | BR – YouTube
Fischerei Schuster, Fisch- und Hofladen: Brigitte “Gilli” Spittank, Zieglerweg 8, 82335 Allmannshausen, T: 08151 970136
Fischermeister Gastl, Hofladen und Hofcafé: Assenbucher Str. 41, 82335 Berg-Leoni, T: 081515627; www.fischermeister-gastl.de
Foto: Barbara Gastl-Pischetsrieder