Lieferketten: Das Europäische Parlament hat am 1. Juni 2023 seine Verhandlungsposition zur Richtlinie hinsichtlich der nachhaltigen Unternehmensführung beschlossen. Der Entwurf der Corporate Sustainability Due Diligence (CSDDD) definiert sowohl menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten. Was kommt damit in naher Zukunft verschärft auf Unternehmen in der EU zukünftig zu?
Transparenz hilft Menschenrechten und Umwelt
Die Vorgaben stehen für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen des Anwendungsbereichs künftig Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermitteln müssen. Sie sollen dabei Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten. Unternehmen müssen zudem in angemessener Weise sowohl die vorgelagerte (beispielsweise Rohstoffabbau) als auch die nachgelagerte Kette (Verwendung, Verwertung, Entsorgung) im Blick haben.
Wozu brauchen wir ein EU-Lieferkettengesetz?
Menschenrechte und die Umwelt sollen geschützt werden. Weltweit arbeiten Millionen von Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Zwangsarbeit und Kinderarbeit sind an der Tagesordnung. Löhne unter dem Existenzminimum sind keine Seltenheit. Viele Menschen arbeiten unter lebensgefährlichen Bedingungen. Sie leiden unter gesundheitlichen Wirkungen. Dazu gibt es Umweltverstöße entlang der globalen Lieferketten. Ausbeutung und Umweltzerstörung liegen auch in europäischen Lieferketten durch Unternehmen vor.
Trilog: Der weitere EU-Gesetzgebungsprozess
Im EU-Gesetzgebungsprozess folgt damit der nächste Schritt vor der Verabschiedung der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). Der Rat der Europäischen Union, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission verhandeln nun den endgültigen Richtlinientext.
Wichtige Regelungen der Lieferkettenrichtlinie
Der Entwurf der EU-Kommission nennt die wichtigsten Bestandteile der Lieferkettenrichtline. Dazu gehören der Anwendungsbereich des EU-Lieferkettengesetzes, Sorgfaltspflichten und die Reichweite der unternehmerischen Verantwortung. Der Klimaschutz, die Durchsetzung der Richtlinie und die Frist, in der die Mitgliedsstaaten diese umsetzen müssen, sind hier aufgeführt.
Der Anwendungsbereich des EU-Lieferkettengesetzes
Die Richtlinie erfasst drei Gruppen von Unternehmen:
- Unternehmen ab 500 Arbeitnehmer und 150 Mio. € weltweitem jährlichen Nettoumsatz.
- Unternehmen ab 250 Arbeitnehmer mit einem Jahresumsatz von mindestens 40 Mio. €, wenn sie mindestens 20 Mio. € ihres Umsatzes in einem Risikosektor tätigen. Zu Risikosektoren zählen etwa Textil, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Lebensmittel, Chemie, Gewinnung mineralischer Ressourcen (beispielsweise Rohöl, Erdgas, Kohle, Metalle und Erze).
- Unternehmen aus einem Drittstaat, wenn sie a) mehr als 150 Mio. € Nettojahresumsatz in der EU oder b) 40 – 150 Mio. € Nettojahresumsatz in der EU und mindestens 20 Mio. € ihres weltweiten Umsatzes in einem Risikosektor erzielen.
Lieferketten: Sorgfaltspflichten der Unternehmen
Unternehmen sollen menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Risiken in ihren Wertschöpfungsketten ermitteln. Präventions- und Abhilfemaßnahmen sind zu ergreifen und darüber zu berichten. Unternehmen sollen dabei nur das umsetzen, was vor dem Hintergrund der Schwere des Risikos und ihrer individuellen Einflussmöglichkeiten angemessen ist.
Reichweite unternehmerischer Verantwortung
Die Sorgfaltspflichten beziehen sich sowohl auf die vorgelagerte als auch auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette. Die vorgelagerte Kette umfasst alle Aktivitäten eines Unternehmens zur Herstellung eines Produktes (beispielsweise Rohstoffabbau) und zur Erbringung von Dienstleistungen. Die nachgelagerte Kette umfasst alle Aktivitäten der Geschäftspartner eines Unternehmens hinsichtlich Vertrieb, Transport, Lagerung oder Entsorgung. Abnehmer und Verbraucher sind nicht erfasst.
Lieferketten: Klimaschutz bei großen Unternehmen
Große Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmer werden verpflichtet, einen Klimaplan zu erstellen, um die Unternehmensstrategie im Einklang mit dem 1,5°C Ziel auszurichten und sich entsprechende Emissionsreduktionsziele zu setzen.
Durchsetzen von Sanktionen
Vorgesehen ist die Kombination von behördlicher Kontrolle, einschließlich Bußgeldern, mit einer zivilrechtlichen Haftung.
Unterstützung für Unternehmen
Es sind Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen und speziell für indirekte erfasste KMU vorgesehen.
Lieferketten: Menschenrechte und Umwelt
Annexe sowohl zu den international geschützten Menschenrechten sowie zu internationalen Umweltabkommen, aus denen konkrete Verhaltenspflichten für Unternehmen abgeleitet werden, sind erforderlich.
Lieferketten: Zeitfenster für Mitgliedsstaaten
Nach Verabschiedung haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in ihr Recht zu überführen. Danach treten die nationalen Umsetzungsgesetze gestaffelt nach Größe der Unternehmen in Kraft, bis fünf Jahre nach Verabschiedung der o.g. Anwendungsbereich gilt.
Sanktionen und Kontrollmechanismen
Unternehmen, die die Vorschriften nicht einhalten, sind schadenersatzpflichtig und können von den nationalen Aufsichtsbehörden mit Sanktionen belegt werden. Zu den Sanktionen gehören Maßnahmen wie die namentliche Anprangerung („Naming and Shaming“), die Rücknahme der Waren eines Unternehmens vom Markt oder Geldstrafen von mindestens 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes. Nicht-EU-Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, werden von der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU ausgeschlossen.
Vertiefende Informationen:
Quelle: Entwurf für das CSR-EU-Lieferkettengesetz
PwC: Die Europäische Lieferkettenrichtlinie
BR 24: EU-Lieferkettengesetz nach FDP Blockade auf Eis
Tagesschau: Keine Mehrheit – EU-Lieferkettengesetz erneut gescheitert
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz
Seit dem 01.01.2023 gilt bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG). Es soll die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Lieferketten stärken. Dieses wird durch das europäische Lieferkettengesetz verschärft.
Für wen gilt das Gesetz?
Das Gesetz richtet sich an Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind. Oder dort eine Zweigniederlassung haben. Es tritt in zwei Schritten in Kraft:
- Für Unternehmen mit mindestens 3000 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer (seit 2023).
- Für Unternehmen mit mindestens 1000 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer (ab 2024).
Kleinere Unternehmen und ausländische Zulieferer fallen jedoch nicht unter das Gesetz. Sie müssen daher nicht mit Kontrollen oder Bußgeldern durch die zuständige Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, rechnen. Das Gesetz kann aber indirekte Auswirkungen auf die Geschäftspartner der deutschen Abnehmer haben.
Vertiefende Informationen:
Quelle: Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz
EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR)
Ende Juni 2023 ist die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten in Kraft getreten. Unternehmen stehen damit in der Pflicht Sorgfaltspflichten zur Reduktion von globaler Entwaldung zu erfüllen. Ausschlaggebend ist der „Bewaldungs-Status“ von Erzeugungsflächen zum Stichtag 31.12.2020. Dieser muss entlang der Lieferkette nachgewiesen werden.
Für Unternehmen ist wichtig zu wissen, inwieweit sie mit Ihren Produkten betroffen sind. In welcher Rolle? Als Inverkehrbringer oder Händler? Welche relevanten Rohstoffen (Kaffee, Kakao, Rinder, Palmöl, Soja, Kautschuk und Holz) und daraus hergestellten Erzeugnisse (> 800 Produktgruppen) in der EU können sie inverkehrbringen und handeln?
Nicht-KMU-Marktteilnehmer und Händler haben bis 30.12.2024 Zeit, ihre globalen Wertschöpfungsketten zu prüfen und die von der EUDR geforderten Sorgfaltspflichten umzusetzen. Für KMU-Marktteilnehmer gilt eine verlängerte Frist bis 30.06.2025.
Vertiefende Informationen:
PwC: EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten
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