Warum eigentlich vegan?

Veganer:innen verzehren weder Fleisch noch Fisch und auch keine Produkte vom lebenden Tier. Diese Lebensweise kommt nicht nur den Tieren zugute, sondern auch dem Klima.

Vegan leben: Was heißt das?

Wer sich für vegane Lebensweise entscheidet, verzichtet bewusst auf Lebensmittel tierischen Ursprungs. Vegan leben bedeutet: Veganer:innen verzehren weder Fleisch noch Fisch, aber auch keine Produkte vom lebenden Tier wie Milch, Eier oder Honig. Bei Körperpflegeprodukten achten sie darauf, dass diese frei von tierischen Bestandteilen sind. Bienenwachs findet sich nicht nur in Kerzen, sondern auch in Hautcremes. Tabu sind bei dieser Lebensweise auch Pelz, Lederprodukte, Daunenkissen und Wolle.

Vegan leben: Warum eigentlich?

Vegetarisch zu leben, keine toten Tiere zu essen, mag für einige Menschen naheliegend sein. Auch das Votum gegen Pelz und Lederprodukte scheint vielen einleuchtend. Dafür werden Tiere gezielt getötet. Warum aber leben Menschen vegan? Ihnen geht es um das Wohl des Tieres. Andere leben aus ökologischen Gründen vegan, um den persönlichen CO₂-Abdruck zu senken. Gesundheitliche Aspekte sind oft ausschlaggebend: Durch veganes Essen den Blutdruck zu senken oder das geringere Diabetes-Risiko.

Vegan leben: Warum ohne Milch?

Hier spielt die Massentierhaltung eine wichtige Rolle. Kühe geben nur dann Milch, wenn sie ein Kalb geboren haben. Ein Kalb trinkt 10 Liter Milch pro Tag. Die Kühe in der Massentierhaltung produzieren täglich aber 50 Liter Milch und mehr. Es bedarf keiner hohen Rechenkunst, um zu erkennen, dass hier etwas nicht passt. Für die Milchproduktion werden Kühe künstlich geschwängert. Männliche Kälber enden oft schon kurz nach ihrer Geburt auf dem Schlachthof. Milchgebende Kühe haben auch kein langes Leben vor sich. Sie werden schon nach etwa fünf Jahren geschlachtet.

Ziegen- oder Schafsmilch sind keine Alternative für Veganer:innen, da Ziegen und Schafe meist unter ähnlichen Bedingungen wie Kühe Milch produzieren müssen. Für Ziegen und Schafe in Deutschland gibt es nicht einmal gesetzlich geregelte Haltungsbedingungen. Schafs- und Ziegenlämmer werden kurz nach ihrer Geburt von ihrer Mutter getrennt. Psychische Belastungen sind häufig die Folge, denn insbesondere Ziegen sind gesellige Tiere. Männliche Zicklein und Lämmer enden wie männliche Kälber schnell im Schlachthaus.

Auch die teure Kamelmilch ist keine tierfreundliche Alternative. Einziger Unterschied hier ist, dass Kamele nur dann Milch geben, wenn sich ihre Kinder in unmittelbarer Nähe befinden. Für die Haltung von Kamelen gibt es allerdings ebenfalls keine offiziellen Richtlinien.

Kühe in Massentierhaltung
© Anne Mcarthur
Kühe in Massentierhaltung
Schafe leben in der Massentierhaltung auf kleinstem Raum zusammen
© Elena Mozhvilo
Schafe in Massentierhaltung

Vegan leben: Warum ohne Honig?

Bienen produzieren den Honig für sich selbst, nicht für die Menschen. Der Honig wird ihnen weggenommen. Auch hier ist die Massenzucht das Problem. Ähnlich wie Kühe stehen Bienen bei der Honigproduktion unter Leistungsdruck. Sie werden für die Produktion massenhaft gezüchtet und künstlich befruchtet.

Den Bienenköniginnen werden häufig die Flügel gestutzt, um zu verhindern, dass die Tiere umherschwirren. Um den Honig zu entnehmen, räuchern Imker:innen die Bienenstöcke ein. Bienen missinterpretieren den Rauch oft als Waldbrand und ziehen sich gestresst in ihre Waben zurück. Die Gefahr für Bienen, durch den Rauch zu sterben, besteht ebenfalls.

Vegan leben: Warum keine Eier?

Die Massentierhaltung ist auch hier ausschlaggebend für den Eiverzicht. Denn die Hühner leben meist auf viel zu kleinem Raum. Laut EU dürfen 20 Hühner pro Quadratmeter gehalten werden. Hühner werden nicht selten mit Antibiotika gemästet. Ihre Schnäbel werden gestutzt, um zu vermeiden, dass sie sich selbst picken. Denn Hühner picken sich selbst, wenn sie unter Stress stehen.

Sich mit Artgenoss:innen auf kleinstem Raum zu befinden, kann stressig für sie sein. Männliche Küken werden nach der Geburt getötet, da sie weniger Fleisch ansetzen und keine Eier legen. Das Schreddern ist seit 2017 in Deutschland untersagt, dennoch werden Küken nach wie vor getötet. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft betrifft der Tod 40 Millionen Küken jährlich.

Totes Huhn durch Massentierhaltung
© Anne Mcarthur
Totes Huhn durch Massentierhaltung
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Veganismus in Deutschland heute


Rund zwei Prozent der deutschen Bevölkerung ernährt sich laut der Organisation ProVeg International ernährt sich laut der Organisation ProVeg International vegan (Stand 2022). Die Veganer:innen sind noch deutlich in der Minderheit, aber ihre Lebensweise findet immer mehr Zuspruch. Vegane Produkte sind bei fast jedem Discounter erhältlich und als solche gekennzeichnet. Vegan auf Reisen und im Urlaub zu essen, ist teilweise noch schwierig. Aber immer mehr Restaurants haben mitbekommen, dass die Nachfrage wächst. Selbst größere Fast-Food-Ketten bieten mittlerweile ein veganes Speiseangebot an.

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Veganismus: „Nur“ eine Modeerscheinung?


Während der Begriff „vegan“ lange Zeit für viele ein Fremdwort war, hat der Veganismus einen Wandel erlebt. Wer vegan lebt, gilt oft als „Hipster“. Wer es aber mit dem Veganismus ernst meint, entscheidet sich nicht deswegen dafür, weil es plötzlich Mode ist. Denn Veganismus oder zumindest die Idee einer fleischfreien Lebensweise sind nicht neu.

Menschen entschieden sich aus religiösen Gründen schon früh gegen den Fleischkonsum, etwa die Orphiker. Diese religiöse Strömung entstand im 5./6. Jahrhundert vor Christus. Im Glauben an Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier verzichteten sie auf Fleisch, Eier und Wolle. Im Jainismus, einer im 5./6. Jahrhundert entstandenen Religion, gilt das Gelübde der Ahimsa, das Gewaltlosigkeit gegenüber Tieren einschließt. Viele Menschen verzichten daher heute auf Fleisch und Eier.

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Das 19. Jahrhundert: eine vegetarisch/vegan geprägte Zeit


Tendenzen zur fleischfreien Ernährung gab es schon im 19. Jahrhundert. So kritisierte der britische Dichter Percy Bysshe Shelley (1792-1822) den Umgang mit und das Schlachten von Tieren. 1801 wurde der erste Vegetarier-Verein in London gegründet, dem 1847 die Gründung der Vegetarian Society folgte. Auch vegane Ernährung fand bereits im 19. Jahrhundert Beachtung. Als Pionier der veganen Ernährung gilt der Arzt William Lambe (1765-1847), der sich 1806 aus gesundheitlichen Gründen für eine pflanzliche Kost entschied.

1838 eröffnete bei London das Internat „Alcott House“, in dem es nur pflanzliches Essen gab. In Deutschland gründete sich 1867 in Nordhausen die Vegetarische Vereinigung. 1892 wurde der Vegetarierbund Deutschland ins Leben gerufen. Bruno Wolff, der 1933 zum Vorsitzenden des VEBU ernannt wurde, sprach sich für eine rein pflanzliche Ernährung aus. Ein entscheidender Meilenstein für den Veganismus war die Gründung der Vegan Society durch Donald Watson am 1. November 1944.

Watson war zuvor viele Jahre lang Mitglied der Vegetarian Society und prägte den Begriff „vegan“. Die ersten drei und die letzten zwei Buchstaben des Wortes „Vegetarian“ sollten zum Inbegriff der pflanzenbasierten Lebensweise werden. Beim 50-jährigen Jubiläum der Vegan Society 1994 wurde der 1. November zum Weltvegantag. Das Sonnenblumen-Logo der Vegan Society findet sich auf zahlreichen veganen Produkten.

Vegan leben: Woher kommen die Vitamine?

Hauptzutaten einer veganen Ernährung sind Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Getreide, Öle, Nüsse und Samen. Alles Lebensmittel, die gesund sind. Die vegane Ernährung sollte, wie jede Ernährungsform, gesund und ausgewogen sein. Dennoch muss man auf ausreichende Zufuhr von Jod, Folsäure, Omega-3-Fettsäuren und B-Vitaminen, vor allem B12, achten. B12 ist an der Blutbildung und Zellbildung beteiligt und wichtig für die Funktion der Nerven.

Das Vitamin B12 lässt sich leicht bei Fleisch- und Fischverzehr, kaum aber durch pflanzliche Kost aufnehmen. Selbst in Sauerkraut, fermentierten Soja- und Tempehprodukten ist nur eine geringe Menge B12 enthalten. Omega-3-Fettsäuren findet man nicht nur im Fisch, sondern auch in Algen, Lein-, Raps-, Walnuss- und Hanföl. Über Spinat, Grünkohl, Linsen, Kichererbsen, Rucola und Mandeln lässt sich Eisen leicht aufnehmen. Auch Soja, Tofu, Quinoa und Hirse sind wertvolle Eisenlieferanten.

Wer ein Glas Orangensaft trinkt, nimmt nicht nur Vitamin C auf, sondern auch Eisen. Spinat, Grünkohl, Kichererbsen und Linsen sind zugleich Folsäurelieferanten. Für eine vegane Ernährung sind Nüsse empfehlenswert. Nüsse liefern neben Eiweiß auch Eisen, Kalium, Magnesium, B-Vitamine und Vitamin C. Auch der Snack von Kürbiskernen oder Sonnenblumenkernen ist zu empfehlen.

© Maksim Shutov
Nüsse sind für eine vegane Ernährung besonders gut geeignet.

Kürbiskerne enthalten neben den B-Vitaminen die Vitamine A, C, D und E. Sonnenblumenkerne liefern zudem das Vitamin K, das sich positiv auf die Blutgerinnung auswirkt. Ein Vitaminmangel kann alle treffen. Egal, ob man sich vegan und vegetarisch ernährt oder Fisch und Fleisch isst. Die Gewissheit, ob der Körper ausreichend mit Vitaminen versorgt ist, liefert nur eine Blutentnahme.

Der Holo-TC-Test, der den B12-Wert ermittelt, wird bei beschwerdefreien Patient:innen von den Krankenkassen nicht bezahlt. Auch die Bestimmung von Vitamin D, Zink, Selen und Folsäure zählen nicht zum standardisierten Blutbild. Wer diese Werte wissen will, trägt die Kosten selbst. Bestätigt das Laborbild einen Mangel, können nach ärztlicher Rücksprache Vitamine supplementiert werden.

Vegan leben: Ist das klimafreundlich?

Ob vegane Ernährung wirklich klimafreundlich ist, ist eine berechtigte Frage. Viele Veganer:innen ernähren sich von Sojaprodukten. Riesige Sojaanbauflächen werden deswegen in Regenwäldern gerodet. Soja stammt hauptsächlich aus Brasilien, USA und Argentinien und kommt auf langen Transportwegen zu uns. Wer klimafreundlich handeln möchte, kauft Sojaprodukte besser aus Österreich, Italien, Frankreich oder Rumänien.

77 Prozent der geernteten Soja, so die Albert Schweitzer Stiftung, wird an Hühner, Schweine und Kühe verfüttert. Beim Verdauungsprozess stoßen die Tiere Treibhausgase wie Methan und Kohlendioxid aus. Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt aus ökologischer Sicht den Fleischkonsum zu reduzieren. Es weist darauf hin, dass auch Milchprodukte klimabelastend sind.

Vegane Ernährung dagegen senkt laut UBA die Kohlendioxid-Emissionen um rund 40 Prozent und ist in diesem Sinne klimafreundlicher. Wer sich dazu noch regional und saisonal ernährt, handelt umweltbewusst.

Vegan leben: Welche Medikamente sind vegan?

Die persönliche Hausapotheke kann einfach vegan bestückt werden. Zwiebeln, der berühmte Kartoffelwickel, Kräuter, Tees und Ingwer werden bei vielen Beschwerden eingesetzt. Die „Goldene Milch“, ein Getränk aus Kuhmilch, Ingwer und Kurkuma, die als immunstärkend und entzündungshemmend gilt, kann mit einem Pflanzendrink angerührt werden. Und auch zum Quarkwickel, der bei Entzündungen oder Gelenkbeschwerden eingesetzt wird, gibt es eine vegane Alternative: Dafür eignet sich ein Zitronen- oder Weißkohlwickel.

Bei Apotheken- und verschreibungspflichtigen Medikamenten sieht es mit der Veganfreundlichkeit anders aus. Einige Medikamente sind tatsächlich vegan, wie die Vegane Gesellschaft Österreich verrät. Impfstoffe sind oft mit tierischen Eiweißen angereichert und daher nicht vegan. Auch Honig, Laktose, Gelatine oder Schellack finden sich häufig in Medikamenten. Honig ist für seine antibakterielle Wirkung bekannt und Bestandteil vieler Erkältungsmittel. Laktose ist eignet sich gut als Füllstoff für Tabletten. Das Bindemittel Gelatine wird oft als Überzug für Kapseln verwendet.

Medikamente sind in der Regel nicht vegan.
©Myriam Zilles
Medikamente sind in der Regel nicht vegan

Werden Arzneimittel oral eingenommen, kommt Schellack als Überzugsmittel zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein Harz, das aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen wird. Stearate dienen als Schmiermittel bei der Tablettenherstellung. Bei Stearaten handelt es sich um Salze der Stearinsäure. Sie wird durch Fettspaltung aus tierischen und pflanzlichen Fetten und Ölen hergestellt. Stearate in Medikamenten können also tierischen Ursprungs sein. Hinzukommt, dass Medikamente häufig an Tieren getestet werden. Veganer:innen lehnen Tierversuche grundsätzlich ab. Wer vegan lebt, aber auf Medikamente angewiesen ist, muss hier Abstriche machen.

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Pflanzen haben doch auch Gefühle?!

Pflanzen verfügen zwar über ein Nervensystem, jedoch nicht über Schmerzrezeptoren oder ein Gehirn, das Schmerzimpulse weiterleiten kann. Insofern ist davon auszugehen, dass es Pflanzen nichts ausmacht, wenn sie geerntet werden.

Vegan leben: Soll man dafür missionieren?

Es gibt Veganer:innen, aber auch Vegetarier:innen, die versuchen ihr Gegenüber zu „missionieren“. Raphaela Raab bezeichnet sich beispielsweise selbst als militante Veganerin. Manche Tierschutzorganisationen sind für ihre radikalen Kampagnen bekannt. Ein Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichen Ernährungskonzepten ist sinnvoll. Jedoch sollten Veganer:innen nicht krampfhaft versuchen, andere vom Veganismus zu überzeugen.

Dazu zählt auch, niemandem ein schlechtes Gewissen bezüglich des Fleischverzehrs einzureden. Umgekehrt sollten überzeugte Fleischesser:innen Veganer:innen nicht für ihre Lebensweise verspotten. Wer vegan leben möchte, lebt vegan. Wer sich für die vegetarische Lebensweise entscheidet, isst vegetarisch. Und wer Fleisch essen möchte, verzehrt es.

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