„Die Smart City wird kommen“
Experte Klaus Mainzer erklärt Chancen und Risiken digitaler Vernetzung in Städten.
Die Smart City gilt als die Zukunft der Städte. Weltweit setzen Politik und Wirtschaft auf die digitale Vernetzung städtischer Infrastrukturen. Eine Vorreiterrolle nimmt die asiatische Metropole Singapur ein. Europäische Großstädte wie Wien, Amsterdam oder Barcelona sind bereits auf dem Weg in Richtung Smart City. Auch München nimmt an dieser Entwicklung teil: In Neuaubing/Westkreuz und Freiham erprobt die bayerische Landeshauptstadt neue Technologien. Dazu gehören Elektromobilität, intelligente Lichtmasten oder eine App, die mit Infosäulen kommuniziert. Der Technologie-Experte Klaus Mainzer spricht über Freiräume, die eine Smart City öffnen oder auch verschließen kann.
Herr Mainzer, Smart Cities sind derzeit in aller Munde. Was genau ist eine Smart City?
In einer Smart City sind städtische Einrichtungen miteinander vernetzt. So können sich Dienstleistungs-, Gesundheits- und Versorgungssektor gegenseitig abstimmen. Auch ist es entscheidend, den Verkehr zu steuern. Das Internet der Dinge ist die Schlüsseltechnologie: Gegenstände erhalten Sensoren und kommunizieren direkt miteinander. Ein einfaches Beispiel sind Müllcontainer, die ihren Füllstand messen. Wenn sie voll sind, melden sie das dem Abfallunternehmen und werden geleert.
Befürworter der Smart City preisen ihre Effizienz, Nachhaltigkeit und Sicherheit. Wo sehen Sie die größten Chancen?
Die größte Chance sehe ich in der Effizienz. Das zeigt die Industrie 4.0: Objekte, wie Werkstücke und Werkbank verständigen sich über Sensoren. Immer stärker automatisierte Abläufe gibt es nicht nur in der Produktion, sondern auch im Vertrieb. Effizienzsteigerung und große Kostenersparnisse sind die Folge. Und der größte Kostenfaktor ist der Einsatz von Menschen. Wenn man das auf ein Dienstleistungssystem wie eine Stadt überträgt, wird klar, wie die Zukunft aussehen könnte. Wir werden wahrscheinlich nicht mehr wie heute in Bürgerbüros gehen, sondern mit einem smartphoneartigen Gerät zuhause sitzen und die Dienstleistungen abrufen.
Viel mehr Partizipation des Einzelnen
Damit sprechen Sie die Möglichkeiten der direkten Teilhabe an, die eine intelligente Stadt bieten kann.
Genau! Die digitalisierte Stadt lässt viel mehr Partizipation des Einzelnen zu, als es heute der Fall ist. Es wird eine Mitwirkung sein, wie wir sie aus den sozialen Medien kennen. In den kommenden Generationen werden wir es mit Menschen zu tun haben, die sich jederzeit einmischen wollen. Ähnliches werden sie auch von Städten und ihren Dienstleistungen erwarten.
Kritiker der Smart City sehen durch die massive Datensammlung die Privatsphäre der Bürger in Gefahr. Was halten Sie davon?
In Deutschland lässt die Datensicherheit zu wünschen übrig. Sehen wir uns nur den Hackerangriff auf das Regierungsnetz an, der Ende Februar bekannt wurde. Möglicherweise werden Lobbyisten oder Interessenverbände versuchen, an unsere Daten zu kommen und einen Vorteil daraus zu ziehen.
Kontrovers wird die Frage diskutiert, wer die Daten der Bürger erfassen, nutzen und verwalten soll: die Städte oder private Unternehmen. Was ist besser?
Die Städte haben nicht das geeignete Personal, die digitalen Anforderungen zu bewältigen. Deshalb werden sie Outsourcing betreiben und private Unternehmen wie Google mit digitalen Dienstleistungen beauftragen. Das ist eine brisante Entwicklung. So ähnlich ist das im Sicherheitsbereich. Der Staat überträgt Hoheitsaufgaben, wie die Absicherung von Kasernen, an Privatfirmen.
Möglichkeiten der politischen Steuerung
Halten Sie es für denkbar, Bürger bei der Gestaltung und Kontrolle der smarten Städte demokratisch mitwirken zu lassen?
Das ist mein persönlicher Wunschtraum, aber man muss realistisch bleiben. Zum einen setzt das eine enorme Kompetenz bei den Bürgern voraus. Und zum anderen gibt es in Deutschland nicht diese basisdemokratische Tradition wie in der Schweiz. Aus der politischen Erfahrung heraus bin ich ein Verfechter der repräsentativen Demokratie. Wir wählen in Deutschland unsere Vertreter, die in mehreren Stufen für uns Entscheidungen treffen. Dieses Verfahren muss erhalten bleiben und angepasst werden.
In Neuaubing-Westkreuz und Freiham geht München erste Schritte in Richtung Smart City. Lässt sich die Landeshauptstadt intelligenter machen?
Momentan hat München andere Probleme als den Aufbau einer Smart City. München ist die schmutzigste Stadt Deutschlands. Außerdem gibt es ausgeprägte Probleme mit der Infrastruktur. Man braucht bloß an die S-Bahnen denken, die bei niedrigen Temperaturen ausfallen. Aber Sensortechnologie ist sehr nützlich – etwa für die Lösung von Umweltproblemen. Sie hilft den Energieverbrauch zu senken oder den Verkehr zu regulieren. Digitale Infrastrukturen verbrauchen allerdings auch sehr viel Energie. Deshalb ist ein Gesamtkonzept nötig, das Sicherheit, Nachhaltigkeit, Energie und Digitalisierung berücksichtigt. Das halte ich für absolut lebenswichtig für eine Stadt wie München. Ich bin fest davon überzeugt: Die Smart City wird kommen!
Quelle: arte / youtube.com