Hornklang in Perfektion
Felix Kliesers beeindruckender Auftritt in der Stadthalle Germering.
Der Anblick des schmucklosen Metallständers irritiert. Er steht mittig der Bühne vor einem leeren Stuhl. Ein Horn ist daran festgeschraubt. Die Verunsicherung hält an, als das norwegische Kammerorchester sich mit respektvollem Abstand hinter der Vorrichtung aufstellt.
Felix Klieser betritt die Szene. Er ist schlank, sein Hemd ärmellos, seine Schuhe schlackern, als seien sie zu groß. Er trägt sie barfuß. Nach kurzer Verbeugung setzt er sich auf den Stuhl, streift die Schuhe ab und bringt sich in Position zu seinem Instrument. Er hebt seinen Fuß auf Augenhöhe, legt ihn an das Horn und dirigiert das Orchester via Kopfnicken.
Musikalisches Talent befreit von äußeren Umständen
Geige, Harfe oder Horn: Jedes Instrument verlangt für das Spiel auf gehobenem Konzertniveau die Bedienung mittels zweier Hände. Felix Klieser ist ohne Arme geboren. Dennoch erhielt er bereits als Fünfjähriger den ersten Horn-Unterricht. Er lernte, die Ventile seines Instruments mit den Zehen des linken Fußes zu bedienen und seinem Horn einen ganz besonderen Klang zu entlocken. Felix Klieser gewann zahlreiche Preise, darunter den Leonard Bernstein Award, den „Life Award“ in der Kategorie „Kunst und Kultur“ sowie den ECHO Klassik. Er konzertierte unter anderem mit Pop-Ikone Sting, Sir Simon Rattle und Ruben Gazarian.
Außergewöhnliches Solo
Das Programm des Abends ist vielseitig. Rumänischen Volkstänzen von Bartok folgen ein Hornkonzert von Haydn in D-Dur und von Mozart in Es-Dur (KV 417). Klieser taucht ab in die Musik, er spielt streckenweise mit geschlossenen Augen. Seine Intonation ist so weich, der Klang seines Instrumentes so ergreifend und raumfüllend, dass das Horn selbst im Piano das ebenfalls großartige Orchester dominiert. Auch regelmäßigen Besuchern von Klassikkonzerten ist das Horn als Soloinstrument nicht unbedingt geläufig. Klieser demonstriert mit seinem vollendeten Spiel, die dem Blasinstrument eine sanfte Erhabenheit verleiht, warum es hier zu Recht im Mittelpunkt steht. Und mit ihm Klieser selbst.
Nach wenigen Sekunden ist das Erstaunen über die außergewöhnliche Spielhaltung des Solisten verflogen. Das einzigartige Talent dieses Ausnahmekünstlers beschert dem Publikum durchgängig Gänsehaut. Sein Horn klingt wie Engelsgesang, Tonvolumen und -längen erscheinen mit der schmalen Statur Kliesers eigentlich unvereinbar. Er spielt in absoluter Perfektion. Musik aus einer anderen Welt.
Begeisterung pur
Die Blumen, die Klieser unter langanhaltendem Applaus überreicht bekommt, kann er nicht selbst entgegennehmen. Der Strauß liegt, als Klieser wieder in seine Schuhe schlüpft und abgeht, am Fuße des schmucklosen Metallständers. Die Begeisterung seines Publikums bleibt, denn Klieser braucht Geduld, als er anschließend im Foyer der Stadthalle noch lange Autogramme schreibt. Mit dem Fuß.
Foto: Maike Helbig