Tomorrow: Was können wir heute für morgen tun?

Der französische Dokumentarfilm „Tomorrow“ nimmt uns mit auf eine Reise zu Menschen in aller Welt, die daran arbeiten, unseren Planeten für kommende Generationen zu erhalten.

Initialzündung des Films ist eine im Nature-Magazin erschienene wissenschaftliche Studie. Diese belegt, dass unser Ökosystem aufgrund des Bevölkerungswachstums, der Übernutzung der natürlichen Ressourcen, des Artensterbens und des Klimawandels innerhalb der nächsten 80 Jahre zusammenbrechen wird. Wenn wir so weitermachen wie bisher.

Die Schauspielerin Mélanie Laurent und der französische Aktivist Cyril Dion wollen sich mit diesem Szenarium nicht abfinden und begeben sich auf eine Reise: Sie besuchen weltweit Menschen, die erfolgreich nachhaltige Leuchtturm-Projekte und Initiativen in unterschiedlichen Bereichen wie Landwirtschaft, Energie, Wirtschaft, Demokratie und Bildung initiiert haben. Die Bandbreite reicht von Urban Gardening über zukunftsweisende Energie- und Städtebauprojekte, alternative Währungssysteme bis hin zu Selbstverwaltung und neuen Bildungskonzepten.

Das Grün kehrt zurück

Detroit, einst Metropole der Automobilindustrie, verlor innerhalb eines halben Jahrhunderts fast eine Million Einwohner. Die Industrie wanderte ab, zurück blieben Armut, Verfall und Kriminalität. Das Stadtbild ist geprägt von leerstehenden Ruinen. Doch langsam kehrt das Grün zurück: Inmitten der Stadt, neben verfallenden Fabrikgebäuden, in Hinterhöfen und Brachen zwischen Hauptverkehrsadern der Stadt, bewirtschaften Bürger gemeinsam Gärten. Das Motto lautet: Warum aus Teilen der Stadt nicht wieder Land machen und lokal produzieren? Urban Gardening belebt ausgestorbene Straßen, gibt den Menschen Beschäftigung und versorgt sie mit frischen Lebensmitteln. Transportkosten werden reduziert und die Bewohner der Quartiere kommen wieder miteinander in Kontakt.

Dann ein Sprung in der Normandie, wo ein Erzieher und eine Juristin ihren Jobs den Rücken gekehrt und eine kleine landwirtschaftliche Gemüsefarm aufgebaut haben – mittlerweile ein Vorzeigebetrieb für neue Mikrofarmen in Frankreich. Das Zauberwort lautet Permakultur:  Eine organische Form des Gemüseanbaus, die sehr ressourcenschonend ist und ohne Öl, Pestizide, Düngemittel oder starke Mechanisierung auskommt. Die verschachtelte Anordnung der Pflanzen ist genau geplant, damit diese auf natürliche Art Ungeziefer voneinander fernhalten.

Das Ergebnis beeindruckt: Auf gleicher Fläche kann nicht nur besonders nachhaltig, sondern auch ertragreicher produziert werden, als es in der industriellen Landwirtschaft mit einseitig genutzten Flächen und Pestizideinsatz möglich ist. Der Besitzer der Farm Charles Herve Gruyer sagt dazu: „Man will uns klarmachen, dass nur die industrielle Produktion effektiv ist, doch das ist ein Trugschluss, da stehen bestimmte Interessen dahinter.“

Familie Gruyer auf den Feldern Ihres Permakulturbetriebs in der Normandie; Foto: Pandora Film Verleih

Weiter geht die Reise nach Nordeuropa. Die Stadt Kopenhagen hat sich ein großes Ziel gesetzt: Sie will bis zum Jahr 2025 zur ersten klimaneutralen Stadt der Welt werden. Hohe Investitionen in alternative Energien durch Windräder, Biomasse und Erdwärme und ein konsequenter Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur sowie eine Wiederbelebung öffentlicher Plätze stehen auf der Agenda. Die Bilanz beeindruckt schon heute: Nur noch 33 Prozent der Stadtfahrten werden mit dem Auto zurückgelegt, die Heizkosten sind gesunken und die Zufriedenheit der Bürger gestiegen.

„In vielen Ländern tut die Regierung nicht viel in Sachen Klimawandel, aber die Städte engagieren sich sehr stark. Wo die Staaten versagen, müssen die Kommunen übernehmen. Wir haben keine Wahl.“

sagt Morten Kabell, Beigeordneter des Bürgermeisters von Stockholm, zuständig für Ökologie und Stadtplanung.

Wir bekommen Einblicke in eine indische Kleinstadt, in der die Einführung lokaler demokratischer Prozesse zur Solidarität gegen das ungerechte Kastensystem geführt hat. Und in die englische Stadt Bristol, die eine alternative Währung, das „ Bristol-Pfund“ eingeführt hat, um die regionale Wirtschaft zu stärken. Außerdem reist das Produktionsteam nach San Francisco, wo ein innovatives Müllentsorgungsprogramm auf den Weg gebracht wurde, das 80 Prozent der Abfälle wiederverwertet oder kompostiert. Zum Schluss landen wir in Espoo in Finnland, einer Stadt, die sich durch ein vorbildliches Schulsystem auszeichnet.

Inspiration für eine bessere Zukunft

Seit einigen Jahren boomen globalisierungskritische Dokumentarfilme wie „We feed the World“ oder „Plastic Planet“. Oft zeigen diese mit erhobenem Zeigefinger auf die umweltökologischen Missstände, bleiben dem Zuschauer aber gleichzeitig Perspektiven und Handlungsalternativen schuldig. Anders bei „Tomorrow“. Die positive Stimmung zieht sich durch den gesamten Film, der zwar aufrütteln will, aber gleichzeitig auch eine optimistische Botschaft sendet: Gemeinsam können wir es schaffen! Dies geschieht, indem der Film real existierende zukunftsweisende Projekte vorstellt: Denkanstöße, die als Blaupause dienen können.

Dabei beschränkt er sich nicht nur auf ein Themengebiet, sondern zeigt den Zusammenhang zwischen Kernthemen wie Landwirtschaft, Energiegewinnung, Stadtplanung, Müllentsorgung, Schulsystemen und demokratischer Teilhabe auf. Die Frage „Warum können wir das nicht überall so machen?“ steht dabei im Raum.  Die dargestellten Lösungsansätze sind wie kleine Puzzleteile, deren Summe das Bild einer anderen Zukunft zeichnen könnten.

Der Film zeigt, dass gemeinschaftliche regionale Projekte, wenn sie im Kleinen beginnen, das Potential haben, die Basis für weitere Entwicklungen zu bilden. Heute erst einmal nur auf der lokalen Ebene, aber auf lange Sicht vielleicht auch auf der großen Weltbühne. Eine Form des horizontalen Aktivismus als Weg, um der von oben nach unten gerichteten Politik, die durch Machtinteressen und Lobbyismus gekennzeichnet ist, etwas entgegen zu setzen.

„Die Initiativen erschaffen kleine Gemeinschaften, die nichts mit Öko-Klischees zu tun haben. Es war uns wichtig, Menschen zu zeigen, die uns ähneln und mit denen sich jeder identifizieren kann. Es ist ein Blick auf eine Gesellschaft, wie es sie morgen geben könnte. Wir wollen die Zuschauer dafür begeistern, in so einer Welt zu leben, wie diese neuen Helden zu sein, die weder Millionäre noch Stars sind, aber so wertvoll, schön und menschlich. Ganz normale Menschen, die Gärten anlegen, tolle Schulen gründen.“



Cyril DION*

Kritisieren kann man sicherlich, dass in dem Film sehr viele Themengebiete angesprochen werden und die Betrachtungen dabei an der Oberfläche bleiben. Zudem ist der Film recht komplex und man muss sich ihn gegebenenfalls ein zweites oder drittes Mal anschauen, um sämtliche Aspekte zu erfassen. Auch würde man sich an einigen Stellen eine sanftere Aneinanderreihung der Inhalte und Darstellung der Übergänge wünschen und eine dezente musikalische Untermalung. Dennoch bietet der Film einen guten Einblick in Handlungsoptionen, die funktionieren können, aber auch Zeit und Einsatz verlangen.

Einige der im Film dargestellten Themen sind inzwischen populär geworden. Beispielsweise die „Urban Gardening“-Konzepte oder auch das Konzept der „Essbaren Stadt“, dass sich sukzessive in vielen Städten ausbreitet. Auch das Modell des „Zero Waste“, dass in San Francisco begann, wurde in weitere amerikanische Städte exportiert. So entstand  das Netzwerk „Zero Waste Europe“ aus mehr als 400 beteiligten Städten. Als erste Stadt Deutschlands will Kiel zur „Zero Waste City“. Vielleicht auch angeregt durch den Film.

In Frankreich wurde „Tomorrow“ 2016 mit dem César für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet.  Es handelt sich um ein Crowdfunding-Projekt.

Weitergehende Informationen zum Film

Weitere Beiträge von Karin Erz:
Essbare Gärten Puchheim

Fotos: Pressefotos PANDORA FILM Verleih – Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen

Quelle: * Presseheft „Tomorrow“, www.tomorrow-derfilm.de