Wild- und Honigbienen brauchen ein schönes Zuhause

Auch in Zukunft brauchen Bienen artenreiche Lebensräume. Fast jede zehnte Wildbienenart in Europa ist vom Aussterben bedroht. Die Initiative „Bienen-leben-in-Bamberg“ will gegensteuern.

Imkerin Ilona Munique und Imkermeister Reinhold Burger haben 2014 die Initiative „Bienen-leben-in-Bamberg“ gegründet. Im Interview mit Julia Salzmann reden sie über Honig- und Wildbienen, Herausforderungen durch den Klimawandel, und die Beziehung zwischen Mensch und Biene.

Was hat die Kulturgeschichte des Menschen mit den Bienen zu tun?

Ilona Munique: Die Honigbiene ist wie kaum ein anderes Tier mit dem Leben der Menschen eng verknüpft. Seit Jahrtausenden werden Bienen wegen ihrer Produkte wie Wachs und Honig genutzt und gehalten. Schon vor der Erfindung des elektrischen Lichts lieferten die Bienen den Menschen das Wachs für die Kerzen. Und sie waren und sind als Honigproduzenten interessant: Viele Menschen bevorzugen Honig als Süßungsmittel für Nahrungsmittel.

Reinhold Burger: Die Biene in ihrer heutigen Form gibt es schon mehr als 40 Millionen Jahre. Die ältesten Darstellungen des Imkerberufs finden sich auf 8-12.000 Jahre alten Höhlenmalereien. In einer Höhle in Spanien zeigt eine Felszeichnung eine Honigjägerin oder einen Honigjäger, die oder der auf einem Baum klettert, um ein Bienenvolk auszubeuten.

Wo liegen die Anfänge der Initiative „Bienen-leben-in-Bamberg“?

Ilona Munique: 2011, als wir beide das Imkern anfingen, war uns nicht klar, wohin die Reise führt. Wenn man sich intensiv mit Bienen beschäftigt, taucht automatisch das Thema Klima auf, denn das ist ein sehr wichtiges Thema in der Landwirtschaft und für die Tierhaltung. Die Klimaveränderungen sind bereits jetzt stark spürbar. Nachdem uns klar wurde, dass es um die Biene schlecht steht, wollten wir aktiv werden. Ich komme eigentlich aus der Erwachsenenbildung, bin Bibliothekarin, Reinhold ist Geograph.

2014 startete die Finanzierungsphase, 2015 bauten wir die Bienen-Info-Wabe und 2016 gab es das erste Mal Programm. Die Bamberger Schulbiene bekam mit der Bienen-Info-Wabe einen grünen Klassenraum. Der Unterricht mit der Bamberger Schulbiene beginnt in der zweiten Klasse. Am Anfang kamen wir mit all unseren Materialien persönlich in die Schulen. Damit die Kinder direkten Kontakt mit den Bienen haben, wir die Bienen jedoch schlecht ins Klassenzimmer mitbringen können, kommen die Schulklassen jetzt zu uns.

Gebäude der Bienen Info Wabe im Panorama mit Kräuterbeeten
Bienen InfoWabe Panorama
Ihr habt also einen klaren Bildungsauftrag?

Ilona Munique: Wir sehen uns als Initiative, die vor allem Jungimker ausbilden wollen. Wir möchten der Bevölkerung niedrigschwellig zeigen, um was es bei den Bienen, beim Honig, bei der Imkerei und bei der Bestäubung geht. Im Zentrum steht der Lebensraum Biene und was dabei zu beachten ist. Wir wollen Kinder und Erwachsene jeden Lebensalters ansprechen.

Die Bienen sterben am Erfolg der Zivilisation. Sie sterben am Menschen, der aus ihnen gefügige Haustiere gemacht hat. Was halten Sie von dieser Aussage?

Reinhold Burger: Die Biene ist kein Haustier: Man kann sie nicht domestizieren. Man kann sie nicht wie einen Hund trainieren. Es ist etwas ganz anderes als Hühnerhaltung oder Schweinehaltung, denn da hat man die Tiere im Stall. Da kann man sagen, das sind Nutztiere, die schon domestiziert sind, aber die Biene, die ist nach wie vor ein Wildtier. Sie ist stark mit der sie umgebenden Natur verzahnt.

Was können wir Menschen für die Bienen tun?

Ilona Munique: Wir können der Biene ein schönes Zuhause geben. Das ist nötig, weil in unserer Kultur und in unserem Raubbau an der Natur kein Lebensraum für die Honigbiene als wildlebendes Tier besteht. Wo findet sie noch Bäume mit ausreichend Löchern drin? Das gibt es praktisch nicht. Vielleicht hätten wir eine Chance, wenn wir einige Bäume stehen lassen und die Honigbienen dort einnisten lassen? Aber die Biene kann hier in Europa vor allem deswegen schlecht überleben, weil sie die asiatische Varroamilbe auf sich trägt, gegen die sie nicht angehen kann. Das ist ein Fluch der Zivilisation: Wir haben die Varroamilbe irgendwann hierher gebracht und damit müssen Honigbiene und Wildbiene leben.

Der Mensch kann insofern etwas dafür, weil er eben wandert, weil er sich verbreitet, weil er nicht mehr zu Hause auf seiner Scholle sitzt. Durch die Globalisierung ist die europäische Biene mit der Varroamilbe befallen worden. Ohne die Hilfe des Imkers kann die Biene nicht mehr leben: Der Imker pflegt die Biene. Den meisten Imkern, die heute das Imkern anfangen, geht es darum, dass die Biene ihre Bestäubungsleistung vollbringt. Denen geht es gar nicht so sehr um den Honig.

In den letzten Jahren ist das Bienensterben in den Medien immer wieder Thema. Besteht Grund zur Panik?

Reinhold Burger: Man muss auch hier differenzieren. Es gibt zum einen die Honigbiene. Sie wird von Imkern als Nutztier gehalten, weil sie die Bestäubungsleistung erfüllt und Honig liefert. Auf der anderen Seite gibt es Wildbieren. Wildbienen leben in der Regel nicht in Staaten, sondern als Einzelbienen. Den Wildbienen geht es wirklich nicht gut. Von ihnen sterben viele Arten aus. Die Wildbiene hat das Problem, dass sie Nistgelegenheiten und Nahrung braucht und keinen so großen Flugkreis wie die Honigbiene hat.

Daher braucht sie in unmittelbarer Nähe der Stelle, wo sie brütet, die entsprechenden Pflanzen. Und dann gibt es ganz viele Wildbienen, die auf eine, zwei oder drei Blüten spezialisiert sind. Und wenn sie die nicht finden, dann sterben sie. Für die Honigbiene ist das Leben einfacher, sie ist Generalistin. Sie fliegt alle möglichen Blüten an. Die Honigbiene braucht wegen der Varroamilbe die Imker. Ohne Imker würden sehr wenige Honigbienenvölker überleben.

Ilona Munique: Insofern stimmt es auch, dass der Mensch einen Teil dazu beiträgt, dass es den Bienen schlecht geht: zugebaute Landschaften, versiegelte Böden, wenig Artenreichtum.

Mit welchen Klimaveränderungen haben Bienen und Imker in den letzten Jahren zu kämpfen?

Ilona Munique: Die Veränderung geht ganz stark in Richtung Steppenklima (kontinentales Klima mit heißen Sommern mit wenig Niederschlag und kalten Winter, Anm. d. Red.). Dieses Jahr ist es anders, aber das ist ein Ausreißer. Die letzten drei Dürrejahre können sich jederzeit wiederholen. Dann bekommen wir ein Steppenklima. Mit der Verlangsamung des Jetstreams (Starkwind, der rund um den Globus in 8 bis 12 km Höhe von Westen nach Osten weht, Anm. d. Red.) kriegen wir jetzt wirklich Probleme als Imker, die Bienen ohne Chemie gesund erhalten möchten.

Denn wir müssen die Honigbiene pflegen und vor allem gegen die Varroamilbe schützen. Wir behandeln die Honigbienen mit Säuren, unter anderem Ameisensäure und Oxalsäure. Die müssen zu bestimmten Zeiten gegeben werden und innerhalb eines bestimmten Wettergeschehens. Es wird jetzt immer schwieriger, dies zur rechten Zeit zu machen. Das Wetter ist nicht mehr vorhersehbar, es kann sich von einem auf den anderen Tag ändern und dann kann die Behandlung nicht mehr gut wirken.

Die Imker von heute müssen unglaublich flexibel reagieren. Ein berufstätiger Mensch von heute schafft das oft gar nicht. Früher waren viele Imker über 60, aber das hat sich geändert. Viele jüngere Menschen wollen imkern. Sie sind motiviert vom Umweltschutz-Gedanken, können aber nicht so flexibel reagieren. Denn das heißt zum Beispiel: entweder die Bienen oder der Urlaub. Viele sind nicht bereit, sich diesen Anforderungen unterzuordnen.

Reinhold Burger: Die letzten Jahre war es schwierig, die Varroabehandlung mit Ameisensäure durchzuführen, weil es einfach zu heiß war. Wenn es Temperaturen von 30 Grad hat, kann man sie nicht mehr anwenden. Genauso ist es ein Problem, wenn es kühl und feucht ist, weil die Säure verdunstet. Sie braucht entsprechende Temperaturen und am besten eine nicht so hohe Luftfeuchtigkeit. Wenn das Wetter nicht passt, muss man flexibel reagieren und sich andere Strategien überlegen. Wir müssen als Imker die Biene da stärken, wo es gerade geht.

Was müsste an politischen Entscheidungen getroffen werden, um den Bienen zu helfen?

Ilona Munique: Die Politik muss dafür sorgen, dass der Klimawandel gestoppt wird. Dafür, dass eine Stärkung der Biene durch genug Trachtangebot da ist. Glyphosate, Neonicotinoide und andere bienenschädliche Spritzmittel dürfen nicht eingesetzt werden. Es muss viel stärker kontrolliert werden, wer wann was einsetzt. Und es müsste sanktioniert werden, wenn dies nicht in Absprache mit den Imkern geschieht. Bisher wissen wir von keinem Bauern, der sich mit den Imkern abspricht.

Randolf Menzel, ein bekannter Bienenforscher, hat nachgewiesen, dass Bienen aufgrund der Neonicotinoide ihr Gedächtnis verlieren. Kommen Bienen mit dem Gift an Pollen, Blättern oder Nektar in Berührung, sind Desorientierung, Gedächtnisverlust und ein geschwächtes Immunsystem die Folge. So finden die Bienen nicht mehr zu ihrem Volk und zu ihrer Brut zurück.

Ilona Munique: Die Politik ist auch gefordert, wenn behauptet wird, die Honigbiene bräuchte Massentracht. Ein Sonnenblumenfeld sieht super aus. Aber warum sind da keine Bienen? Weil Sonnenblumen, um ertragreich zu sein, zur Ölgewinnung für industrielle Produktionszwecke als Hybridsorten gezüchtet werden, die der Landwirt nicht mehr selbst vermehren kann. Das heißt, dass sie eigentlich unfruchtbar sind, weil kein Nektar und keine Pollen mehr vorhanden sind. Und was habe ich von einem Glyphosatverbot, wenn überall sogenannte Notfallzulassungen das Ganze wieder aushebeln?

Reinhold Burger: Der Klimawandel ist ein langfristiges Thema. Was die Politik kurzfristig tun könnte: weg von der industrialisierten Landwirtschaft, weg von den vielen Pflanzenschutzmitteln, mehr Hecken, eine vielseitige Fruchtfolge. Es gibt Politiker*innen, die die Zeichen der Zeit erkennen, aber es gibt auch Betonköpfe, die stark von Lobbyorganisationen beeinflusst sind: In Bayern ist das der Bauernverband und auf EU-Ebene die Chemieindustrie. Die Politik müsste aufhören sich nach den lobbyhörigen Bauernverbänden zu richten.

Für drei Neonicotinoide gibt es ein europaweites Verbot, aber in Oberfranken wurden durch die Notfallzulassung diese Verbote zum Teil wieder ausgehebelt. Ein Beispiel ist die Zuckerrübe. Gegen die Blattlaus und damit die Blätter nicht vergilben wird das Saatgut mit Neonicotinoid gebeizt. Das ist verboten worden. Aufgrund des Druckes der Bauernverbände gibt es aber eine Notfallzulassung.

Das Problem, das ich als Imker dabei habe, ist auch: Ich muss mich selbst um Informationen kümmern. Gerade habe ich die Liste der Felder in Landkreis Bamberg, die mit gebeiztem Saatgut bestellt worden sind, angefordert. Ich bin als Imker verantwortlich für meine Bienen und muss dafür sorgen, dass sie keinen Gefahren ausgesetzt werden.

Ihr seid politische Akteure im Stadtraum Bamberg. Was wollt Ihr jungen Menschen vermitteln?

Ilona Munique: Ich sage allen jungen Menschen: Fangt an. Wir tun unser Bestes und wissen nicht, wo es aufgehen wird und wie lange wir es machen können. Man kann mit seinem Kreis- oder Stadtabgeordneten sprechen und Missstände beklagen. Vor der Wahl haben wir Wahlprüfsteine verschickt. Wir laden regelmäßig Politiker*innen ein, um uns mit ihnen auszutauschen.

 Wir bekommen oft die Frage: Was kann ich persönlich tun? Blumen für die Wildbienen zu pflanzen ist nur eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit: Werdet politisch tätig oder sucht die Politiker*innen, die ihr in eurem Spezialgebiet, dort, wo ihr euch gut auskennt, aufklärt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Stadt zum Beispiel total dankbar ist, wenn wir direkt den Kontakt suchen und sachlich, fachlich und informativ – ohne zynisch zu sein – sagen, was uns auf dem Herzen liegt. Und was wir für Möglichkeiten für Veränderungen sehen. Es geht darum, der Menschheit zu helfen, ein Stück weit informierter zu werden. Denn die Information ist die Basis aller Entscheidungen

Reinhold Burger: Was wir machen, ist ja auch primär, Informationen zu vermitteln: Wir informieren über Bienenhaltung. Es gibt viele Wege, wie man das tun kann und wir bekehren niemanden, indem wir sagen: Das ist die einzig richtige Art und Weise.

Reinhold Burger und Ilona Munique

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