Wenn von Kraftplätzen die Rede ist, denkt manch einer spontan an Orte wie Stonehenge, den Heiligen Berg Kailash oder die Ufer des Ganges. Doch so weit muss man nicht reisen. Jeder kennt Plätze in freier Natur, an die er immer wieder gerne zurückkehrt, um Kraft zu tanken. Ein alter knorriger Ahornbaum, ein spiegelglatter Moorsee im Abendlicht oder eine blühende Bergwiese. Tröstlich ist es zu spüren, dass alle Lebewesen, ob Mensch, Tier oder Pflanze, dem Rhythmus der Jahreszeiten unterworfen sind – dem Lebenszyklus von Werden und Geburt, Wachsen und Vergehen.
Die Natur ist ein überaus komplexes und rätselhaftes System, das Forscher und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen seit Jahrhunderten zu entschlüsseln versuchen. Je mehr sie darüber in Erfahrung bringen, desto mehr ungelöste Fragen tauchen auf. Menschgemachter Klimawandel, schwindende Artenvielfalt, Abholzung riesiger Waldflächen, die Explosion der Weltbevölkerung, zuletzt die Pandemie – nur um einige der ganz großen Herausforderungen unserer Tage zu nennen.
Doch es gibt auch faszinierende Erkenntnisse und Antworten: die Kunst der Navigation bei Tiermigrationen über Tausende von Kilometern, die Kommunikation der Bäume über Wurzeln und Pilze oder die filigrane Schönheit und Heilkraft von Pflanzen.
Pflanzen galten lange Zeit als passive Organismen, die sich nicht vom Fleck bewegen. Sie dienten als Nahrung und Arznei, doch ihre Organismen schienen grundlegend anders als die von Tier und Mensch zu sein. Doch Experten wie Stefano Mancuso, Professor für Biologie an der Universität Florenz, konnten in den letzten Jahren mit erstaunlichen Erkenntnissen aufwarten. Er und einige seiner Kollegen sind davon überzeugt, dass Pflanzen Sinne haben. Sie besitzen also auf gewisse Weise kognitive Fähigkeiten, die wir bislang nur Menschen oder höher entwickelten Tieren zuzuschreiben gewohnt sind.
Er verweist auf die fabelhafte Symbiose von Pilzen und Grünalgen, die sich zu Flechten verbinden. Die evolutionär entwickelten „Tricks“, die Pflanzen anwenden, um Insekten, Tiere oder Menschen dafür einzusetzen, ihren Pollen zu verbreiten. Rankpflanzen, die sich mithilfe einer Art von Tastsinn an anderen Pflanzen hochziehen, um so ans Licht zu gelangen. Wurzeln, die tief unter der Erde Hindernisse umgehen und ihren Weg suchen. Vieles spricht dafür, dass die Forschung hier noch lange nicht an ihrem Ende angelangt ist.
Die Kenntnisse über die Wirkweise von Heilpflanzen sind uralt und unabhängig voneinander in unterschiedlichen Kulturen entstanden. Zu allen Zeiten haben die Menschen darauf vertraut. Auch wenn sich die Indikationen und Behandlungsmethoden verändert haben, werden viele der Heilkräuter noch heute eingesetzt. Einige uralte Hausmittel kann man heute noch selbst herstellen und sammeln, sollte das aber nur unter kundiger Anleitung tun. Denn es gibt auch einige Giftpflanzen, die leicht mit ihren ungiftigen Doppelgängern verwechselt werden können. Wer sich die Zeit nimmt und die Pflanzen genauer betrachtet, wird ihre Schönheit und Einzigartigkeit entdecken.
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