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Beglückende Verwirrung
Fiktive Welten

Beglückende Verwirrung

Georg Kleins fantastischer Roman Miakro entzieht sich jeder simplen Kategorisierung

Auf die Frage nach der Wirkungsabsicht seiner Prosa gab Georg Klein unlängst zur Antwort, er wolle den Lesern das Gefühl vermitteln, „mit dem Nichtverstehen trotzdem glücklich zu sein“. Nach der Lektüre seines im Rowohlt Verlag erschienenen Romans Miakro darf man Klein gratulieren, dieses Ideal auf eindrucksvolle Weise eingelöst zu haben. Wer die Arbeiten des 1953 in Augsburg geborenen Schriftstellers liest, mag sich unwillkürlich an die Filme David Lynchs erinnert fühlen: Weder ist es möglich, noch gewollt, noch überhaupt Sinn der Sache, das Dargebotene auf Anhieb ganz zu begreifen. Im weitesten Sinne lässt sich Miakro als Sci-Fi-Dystopie verstehen. Doch ist das Buch sprachlich wie inhaltlich viel zu einzigartig gestaltet, als dass es mit einer solch pauschalen Etikette ganz zu erfassen wäre. Unzählige rätselhafte, fantastische, Fragen aufwerfende Handlungsstränge sorgen dafür, dass sich das Werk jeder simplen Kategorisierung entzieht.

Buchcover Miakro von Georg Klein

Alles, nur keine leichte Bettlektüre

Mit virtuos innovativer Sprachgewalt, an die in der deutschen Gegenwartsliteratur allenfalls Christoph Ransmayr heranreicht, entwirft Klein eine vielschichtige Rätselgeschichte, ohne eine klare Auflösung zu bieten. Gebilde und Erscheinungen, deren Ursprung und Zweck man nicht erfährt, die jederzeit ihre Form und Beschaffenheit verändern können, prägen die geheimnisvolle Welt Miakros. Diese Welt erfährt der Leser nicht als präzise ausgeleuchtetes Gesamtpanorama. Klein denkt nicht daran, sie kausal herzuleiten und schert sich wenig um klare Bezüge zur Realität. Das Meiste bleibt im Vagen, Zweideutigen, nur Angedeuteten. Und doch ist diese Welt keineswegs beliebig: Wer aufmerksam liest, stößt überall auf schlüssige Details und Facetten, die jeweils Schlüssellochblicke auf die größeren Zusammenhänge erlauben. So bleibt für die Leser wie auch für die nicht minder verwirrten Romanprotagonisten stets beides am Leben: die Furcht und die Neugier.

Subtile Seitenhiebe gegen den Digital Native

Ein besonderer Reiz Miakros liegt darin, dass der anspielungsreiche Text prekäre Facetten unserer modernen Arbeitswelt und des digitalen Zeitalters aufgreift und ebenso konsequent wie fantasievoll weiterdenkt. So spielt ein Großteil der Handlung in einem labyrinthartigen, unterirdischen Bürokomplex, der den Angestellten nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch einziger Lebensraum ist. Tag für Tag entsteigen die Arbeiter wabenartigen Schlafnischen, um anschließend ohne jeden Kontakt zur Außenwelt von einer obskuren, undefinierbaren Tätigkeit vollkommen absorbiert zu werden: An halborganischen Tischen stehend, beobachten sie einen nie endenden Fluss schemenhafter Bilder auf einer Oberfläche aus „weichem Glas“, ohne den eigentlichen Sinn dieser Arbeit zu begreifen. Das Bedürfnis, diesen Sinn zu erschließen, ist ihnen unbekannt; für Gefühle der Entfremdung und des Ausgebeutetseins fehlt ihnen jede Voraussetzung. Diese Bewusstlosigkeit vertieft den Eindruck der albtraumhaft fremden und doch ungeheuer aktuellen Szenerie Miakros noch zusätzlich: Wer das Buch liest, betrachtet den heute allgegenwärtigen, notorisch in sein Smartphone vernarrten „Digital Native“ unweigerlich mit anderen Augen.

Header-Bild: Free-Photos/Pixabay


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