Während überall Corona tobt, summen im heimischen Pflaumenbaum die Bienen und sammeln Nektar. Ihnen ist das völlig egal, ob die Welt gerade beinahe still steht – sie sammeln fröhlich weiter.

Da fällt mir ein: Was ist eigentlich aus der Diskussion rund um die generös honigspendenden und vom Aussterben bedrohten Insekten geworden? Im letzten Sommer noch schossen die bienenfreundlich besamten Grünstreifen mit lustig bunten Stangen wie Pilze aus dem Boden. Und jetzt? Alles wieder gut? Oder einfach nur der ungeteilten Aufmerksamkeit auf ein Molekül mit Eiweißhülle gewichen?

Mein nächster Gedanke: Im letzten Sommer hatten wir die Idee, uns ein eigenes Bienenvolk zuzulegen. Bei der Idee ist es bis jetzt geblieben. Vielleicht ist die Corona-bedingte Homeoffice-Quarantäne genau der richtige Moment, sich da noch mal einzulesen. Hilft es überhaupt gegen das Bienensterben, wenn man zum Hobbyimker wird? Ich recherchiere und finde die Wettbewerbsarbeit eines jungen Hobbyimkers, der aus seiner Sicht die Frage beantwortet, ob mehr Privathaushalte Bienen halten sollten. Genau richtig. Ich nehme meinen Laptop, lege mich in die Hängematte und lese, begleitet von emsigem Summen, den Bericht des engagierten jungen Mannes namens Johann Christian Scherer:

Ein junger Imker erzählt seine Geschichte

„Meine Geschichte als Imker beginnt am Abend des 4.12.2017, als mich mein Vater davon überzeugte, mir die Sendung „Hart aber Fair” zum Thema Bienensterben anzusehen. Ranga Yogeshwar war zu Gast, mit ihm eine Imkerin, ein Landschaftsökologe von den Grünen, der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft von der CSU und der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Der Abend entwickelte sich zu einer angeregten Diskussion über Glyphosat und die Auswirkungen billigen Essens auf die Welt der Bienen und die Natur im Allgemeinen. Natürlich waren mir die vielen Umweltsünden des Menschen bewusst, doch dass die Insekten so sehr darunter leiden, war mir nicht klar. Über den Winter begann ich mich zu informieren. Ich las Bücher, recherchierte auf YouTube.“

Imkern ist nicht zeitaufwändig und machbar

Bienenkästen nach Warée

Vater und Sohn entschieden sich für die Imkerei nach Warré, eine natürliche Bienenhaltung mit speziellen Bienenkästen, in der Fachsprache Beuten genant. Auf Ebay kauften sie 4 gebrauchte Sätze Warré-Beuten und alle nötigen Werkzeuge. Die Bienen kamen von einem örtlichen Imker. Weil das Volk für die Beuten viel zu groß war, teilten sie es noch im selben Frühjahr, im nächsten Frühjahr gleich noch mal. Nun, in unserem Obermenzinger Handtuchgarten würde eine Beute sicher Platz finden, denke ich und lese weiter.

„Ich kann sagen, dass meine Warré-Kästen einen extrem geringen Aufwand erfordern: Die Kontrolle der drei Kästen dauert nie länger als eine halbe bis dreiviertel Stunde und muss im Durchschnitt alle drei bis vier Wochen durchgeführt werden. Dieser Aufwand ist so gering, dass sehr viele Leute genug Zeit aufbringen können, um sich zumindest um ein einzelnes Volk zu kümmern.“

Der Ideal-Zustand: Ohne Insektizide und exzessive Imkerei

Mutig definiert der junge Mann einen Ideal-Zustand, in welchem Bienen dazu in der Lage sind, in ihrem natürlichen Lebensraum zu existieren, ohne den Einfluss von schädlichen Insektiziden und ohne Stress durch exzessive Imkerei: Sie bestäuben auf natürliche Weise die landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und finden in der Natur eine große Vielfalt an Pflanzen, um sich abwechslungsreich zu ernähren.

Dasselbe gilt für kommerzielle Bienen: Ist die Anzahl der Bienen groß genug, können sie alle Pflanzen bestäuben. Wenn man sie geographisch gleichmäßig verteilt, wird saisonaler Transport überflüssig: Ganz im Gegensatz zu den heute üblichen großen Imkerei-Betrieben mit mehreren hundert Völkern an einem Ort. Es gäbe mehr und dezentraler verteilte Bienenvölker, die umliegende Gärten, Wälder und Äcker bestäuben könnten. Ich nicke innerlich.

„Das Imkern hilft, die Problematik besser zu verstehen und bringt die Schwierigkeiten, welche die Bienen gerade erleben, der Bevölkerung näher“. Auch das klingt logisch.

Junge Menschen für das Imkern begeistern

Auf den ersten Blick wirkt dies recht überschaubar in der Umsetzung: Die Medien, vor allem sehr nutzernahe und jugendorientierte Plattformen wie Instagram, YouTube und Co., aber auch TV und Rundfunk könnten Menschen motivieren, Imker zu werden und Bienen im heimischen Garten anzusiedeln.

Bienenvolk am Eingang des Bienenstocks

Allerdings gibt der junge Mann zu bedenken, dass Imkern, besonders am Anfang, Kosten verursachen kann: Knapp 1000 € kalkuliert man für einen Imkeranzug, Werkzeug, Beuten und das Bienenvolk. Hinzu kommen laufende Kosten wie Mittel zur Varroa-Bekämpfung, die Neuanschaffung einer Königin bei Verlust sowie Futter für den Winter. Da nicht jeder einen passenden Garten oder Spaß am Umgang mit stechenden Insekten hat, reduziert sich die Zahl der potenziellen Privatimker. Ich freue mich schon auf die Proteste meines unliebsamen Nachbarn.

Der junge Imker zieht seine Schlussfolgerung: „Somit kann die Frage Sollten mehr Privathaushalte Bienen halten zwar mit einem klaren Ja beantwortet werden, jedoch wird dies nicht ausreichen, um den Bienenpopulationen wieder zu alter Stärke zu verhelfen und unser großes Problem der Bestäubung zu lösen.“

Nun bin ich restlos überzeugt von dem Gedanken an einen eigenen Bienenstock – der Nachbar soll einfach ruhig sein.

Wildbienen unterstützen – ein Blumentopf auf dem Balkon hilft

Bienen beim Nektar sammeln

„Ergänzend sollten wir auch den Wildbienen mehr Beachtung schenken. Sie sind beim Bestäuben wesentlich effizienter und bringen keinen Aufwand oder Kosten mit sich. Im Gegensatz zu den Honigbienen benötigen sie keine Pflege eines Imkers, bringen keine Kosten mit sich und erfordern kein Wissen oder besondere Ausbildungen. Der einzige relevante Faktor für die Wildbienen, welcher von Privatpersonen direkt beeinflusst werden kann,  sind der Lebensraum und die Nahrungsquellen. Gegen den Nahrungsmangel der Insekten kann direkt vorgegangen werden, indem man in seinem Garten wilde und heimische Blumen  wachsen lässt. Ein kleiner Streifen ist dabei vollkommen ausreichend, um den Insekten zu helfen. Falls kein Garten vorhanden ist, kann derselbe Effekt durch einen einfachen Blumentopf auf der Fensterbank erzielt werden.“ Ein praktischer Vorschlag, den künftig hoffentlich viele Menschen beherzigen.

Klare Forderung an die Regierung

„Allerdings ist der Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft  noch weit und wird  viele Innovationen benötigen. Der Einsatz von Pestiziden muss reduziert werden und die Vielfalt der Pflanzen muss wachsen. Ansonsten werden die Bienen immer abhängiger von Nahrungsergänzungsmitteln und der Pflege durch einen Imker“. Der junge Mann vertritt hier eine ganz klare Position. Beeindruckend wie ich finde.

„Eine solche Veränderung kann nur durch das Eingreifen einer höheren Instanz hervorgerufen werden“, lese ich weiter. „Deshalb fordere ich von der Regierung, dass mehr für den Erhalt der Artenvielfalt sowohl bei den Tieren als auch bei den Pflanzen getan wird. Die Landwirtschaft muss durch Vorteile für sich selbst dazu gebracht werden, mehr Flächen verwildern zu lassen und den Einsatz von Pestiziden zu minimieren. Ein schlichtes Verbot würde nicht helfen, da sich mit genug Anstrengungen immer ein Weg um das Verbot herum finden wird. Es muss durch Prämien und andere Vorteile lukrativ für die Landwirtschaft werden, sich für die Umwelt einzusetzen.“ Mir wird gerade bewusst, dass die Arbeit zwar erst ein paar Monate alt ist, die Diskussion in der Landwirtschaft jedoch gerade eine viel existenzbedrohendere ist.

Wir können alle etwas tun

„Wir können alle etwas gegen den Verlust der Bienen tun. Und um das Leben so, wie wir es heute kennen, zu erhalten, muss jeder einzelne seine Lebensweise bienenfreundlicher gestalten.“

Weise Worte für einen jungen Mann von 17 Jahren, denke ich erneut und klappe meinen Laptop zu. Ich schließe die Augen und freue mich im Stillen auf meine Bienen im Sommer – hoffentlich.

 

Beiträge in diesem Magazin:
April, April – Humor nur mit Mundschutz
Das Corona-Abi – Lernen in der Warteschleife
Willkommen in Deinem Mondjahr, Diana
Summ Bienchen Summ

Zur Autorin
Diana Scherer