von Lars Wiedemann
Airbnb ist für viele das Gegenteil vom unpersönlichen Übernachten in Hotels. Aber ist es das wirklich? Oder sogar noch mehr?
Wohnen bei echten Menschen
von Lars Wiedemann
Airbnb ist für viele das Gegenteil vom unpersönlichen Übernachten in Hotels. Aber ist es das wirklich? Oder sogar noch mehr?
„Manchmal wirst du mit einem Glas Wein und offenen Armen empfangen. An einem anderen Tag wird dir der Schlüssel in die Hand gedrückt – und das war’s“, berichtete ein Bekannter, der einige Wochen lang durch Nordamerika reiste, von seinen größtenteils positiven Erfahrungen. Er erzählte mir auch, dass eine Familie die Plattform nutzt, um einen kleinen Hotelbetrieb zu eröffnen – man lebte quasi Tür an Tür mit anderen Gästen.
Spannende Ungewissheit
Entspricht das noch den romantischen Vorstellungen aus den Werbeclips des Unternehmens – mit lachenden Gesichtern, die bei „echten“ Menschen wohnen wollen? „Nicht zu wissen, was einen erwartet“, so lautet einer der Beweggründe der Mitglieder.
Dabei ist Ungewissheit doch für viele Menschen ein eher quälendes Gefühl. Für den Gast – und für den Gastgeber erst recht. Oder überwiegt doch die Spannung, nicht zu wissen, wer vor der Tür steht bzw. wer die selbige öffnet?
Teilweise sicher. Andererseits ist Airbnb ein Unternehmen, das im vergangenen Jahr mit knapp zehn Milliarden Dollar bewertet wurde. Und für die Hosts eine zusätzliche Einnahmequelle. Natürlich bleibt dabei Romantik und Authentizität auf der Strecke.
Himmel oder Hölle?
Und nicht nur das. Inzwischen melden sich auch Gegner radikal zu Wort. Auf der Plattform Airbnb Hell werden „unzensierte“ Geschichten sowohl von Gastgebern als auch Gästen versprochen, die abschrecken sollen. Diese können sogar in sieben verschiedenen Sprachen dargestellt werden. Dabei geht es häufig auch um Unzufriedenheit mit dem Kundenservice des Unternehmens.
Ob die albtraumhaften Erfahrungen der Wahrheit entsprechen oder nicht, eines scheint Fakt zu sein. Wenn es Ärger zwischen Gast und Gastgeber gibt, ist Airbnb nicht der geeignete Schlichter. Die Plattform wirbt zwar mit der „Gastgeber-Garantie“, dient aber in der Regel lediglich als Vermittler beim Teilen des Wohnraumes. Der Kundenservice ist übrigens ausschließlich per E-Mail zu erreichen.
Steuerfahnder auf der Lauer
Eine andere Frage ist die der Legalität. Wo Hotels und Pensionen Mehrwertsteuer oder Kurtaxe abführen müssen, sind Anbieter bei Airbnb ebenfalls dazu verpflichtet – zumindest beim Verdacht einer gewerblichen Tätigkeit.
Wenn jemand seine Wohnung sehr regelmäßig an Dritte vermietet, wird die Stadt hellhörig. Denn in einem solchen Fall müsste der Gastgeber ein Gewerbe anmelden. Deshalb besteht zum Beispiel in München das sogenannte Zweckentfremdungsverbot; d.h. die zuständige Behörde muss in entsprechenden Fällen um Erlaubnis gefragt werden. Wenn das nicht geschieht, drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro.
„Wir fordern fairen Wettbewerb“
Frank-Ulrich John, Pressesprecher vom Unternehmerverband DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband), möchte nicht verschweigen, was ihn an Airbnb & Co. stört: „Es geht uns nicht darum, dass man Airbnb generell verbieten sollte. Im Gegenteil: Wir sind ein Unternehmerverband, wir fördern den freien Wettbewerb. Wir fordern aber immer faire Wettbewerbsbedingungen, also dieselbe Ausgangsposition. Diese Anbieter sollen ein Gewerbe anmelden und dies gegebenenfalls versteuern. Wenn sie das tun und sich zusätzlich an Brandschutzvorschriften und Hygienestandards halten, dann ist das doch super“, so seine faire Botschaft.
Finanziell schaden tun die zusätzlichen Anbieter der Hotelbranche nicht, berichtet John und verweist auf die teilweise andere Klientel. „Bemerkbar hat es sich in manchen Fällen schon gemacht, besonders in größeren Städten. Allerdings gibt es keine Einbrüche bei Gästezahlen, wir werden in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge auf ein Allzeithoch zusteuern.
Grundsätzlich ist sich John nicht sicher, ob die persönliche Komponente wirklich für die „Wohnraum-Teiler“ spricht. „In Berlin wurden zum Teil ganze Etagen zweckentfremdet und zur Miete angeboten. Das ist dann nicht mehr sehr persönlich.“
Sind Hotels sogar günstiger?
Überraschendes berichtet der Pressesprecher aus München. „Hier haben wir eine interessante Erkenntnis gemacht. Die angebotenen Wohnungen liegen nämlich im Schnitt etwa 7-8 Euro über dem durchschnittlichen Zimmerpreis in Hotels.“
Dies mag nicht in jeder Stadt so sein. Dennoch werden die Preise auch im Netz den Anlässen angepasst. Pünktlich zum Münchner Oktoberfest schnellen sie in die Höhe. Eine 62 Quadratmeter große Wohnung, die immerhin 20 Minuten entfernt von der Wiesn liegt, wird hier mit 501 Euro PRO Nacht plus 300 Euro Kaution inseriert.
Dieser „Host“ meldete sich übrigens erst im September 2015 an, wenige Wochen vor dem Oktoberfest. Und wird vermutlich erst im nächsten Jahr zur selben Zeit wieder Wohnraum teilen wollen…
Hausboot oder DDR-Zimmer
Was spricht dann eigentlich noch für Airbnb? Zum Beispiel die Vielfalt. Denn es gibt quasi nichts, was es nicht gibt: Ein Hausboot wird auf Airbnb genauso angeboten wie ein Erdloch, ein ehemaliges Gefängnis oder das Übernachten in einem „Original-DDR-Zimmer“.
Wer Spannung und Überraschungen liebt, ist also bei den „echten Menschen“ sicher bestens aufgehoben. Ist dieser Mensch zusätzlich noch kommunikativ und hilfsbereit, kann der Gast zum Beispiel eine fremde Stadt besser und authentischer erkunden als auf eigene Faust.
Und ganz ehrlich: Ein Geschäftsmann, der sich nach einem harten Tag in die Waagerechte begeben möchte, wird der Hotelbranche auch zukünftig vorbehalten bleiben.
Bildquelle: schubalu / pixelio.de
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