»Die Amerikaner haben schon Satellitenbilder. Die ganze Welt weiß es. Der Wind weht nach Deutschland. Sie lassen die Kinder nicht mehr ins Freie.«
(O-Ton aus „Chernobyl“)
Wie eine Serie zur besten der Welt wird? Indem sie in der internationalen Filmdatenbank IMDb die bis dato ranghöchste Serie „Game of Thrones“ überholt und aktuell 9,5 von 10 Sternen (Stand: 07.10.2019) erhält. Diese Serie kommt genau richtig – in einer Zeit, in der Klimawandel und -katastrophen geleugnet werden und Fake News an der Tagesordnung sind, praktisch überall auf der Welt.
„Chernobyl“ erzählt von der wohl schlimmsten, direkt von Menschen verursachten Katastrophe der Geschichte, bei der es im April 1986 während einer Notfallübung im Kernkraftwerk von Tschernobyl zu einem atomaren Super-GAU kam, der weite Teile Europas radioaktiver Strahlung aussetzte.
Die von Sky und HBO koproduzierte Dramaserie zeichnet nach, wie es zu dem Unglück kommen konnte und welche Opfer die Beteiligten vor Ort erbringen mussten, um Europa in der Folge vor noch größerem Unglück zu bewahren.
Besonders gut wurde die bedrückende Stimmung im kommunistischen Riesenreich eingefangen, das mit den Folgen der Katastrophe in Tschernobyl und der gleichzeitigen zaghaften Perestrojka langsam auseinanderfallen sollte.
Die Serie zeigt auch Gorbatschow als Machtmenschen und Zauderer. Ihm geht es mehr um das Image der Weltmacht als um die Betroffenen. So dauert es ewige drei Tage, bis man endlich die Einwohner der Stadt Pripyat evakuiert, die in der Nähe des Kernkraftwerks liegt.
Drehorte waren ein Vorort von Vilnius, sowie das Innere des AKW Ignalina, eines stillgelegten Kernkraftwerks, beide ausgewählt wegen ihrer Ähnlichkeit zu Tschernobyl. Die optisch perfekt reproduzierte Sowjetzeit, die grandiose Ausstattung bis hin zu Kostümen und Maske und die exzellente Schauspielkunst, besonders von Jared Harris in der Rolle des Atomwissenschaftlers Legasow und Stellan Skarsgård als Parteisoldat Shcherbina: All das ist so beklemmend realistisch, dass Einem über die Dauer von fünf jeweils einstündigen Episoden die Haare zu Berge stehen.
Die Geschichte geht vielleicht gerade deshalb so unter die Haut, weil sie die Generation am meisten berührt, die mitten im Leben steht und wohl den größten Teil der Serienkonsumenten ausmacht. Denn diese Generation hat das Ereignis hautnah miterlebt. Diese Generation hatte Angst. Diese Generation konnte oder durfte ihre Freizeit nicht mehr draußen verbringen, konnte keine frische Milch mehr trinken, keine Pilze oder Fisch essen. Eine bessere Vorlage für eine Serie kann es also kaum geben – wir sind von vorne herein verbunden mit der Erzählung und können die Angst der Charaktere durch unsere eigene nachvollziehen.
„Chernobyl“ ist weit mehr als eine historische Serie und seit Monaten das Gesprächsthema in der Branche. Es ist ein schwergewichtiges, dramatisches Stück inszenierte Zeitgeschichte, brillant in einer Serie verpackt. Allerhöchste Kunst und völlig zurecht die neue beste Serie der Welt.
Das hat auch die Emmy-Jury entsprechend gewürdigt: Bei den 71. Primetime Emmy Awards am 23. September 2019 in Los Angeles wurde die Highlight-Serie über das Reaktorunglück gleich für 19 Emmys nominiert und dreimal ausgezeichnet – in den Kategorien „Beste Miniserie“ sowie „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“.
(Abrufbar bei SKY, Amazon Prime, iTunes und Magenta TV – Stand: 07.10.2019)