Das Verräuchern von Harzen und Kräutern ist eine uralte Tradition der Menschheit. Die Autorin hat es ausprobiert. Ein Selbstversuch.
Es ist vollbracht: Ich spüre eine unglaubliche Erleichterung, ein Gefühl der Leichtigkeit, Frische, Ruhe, aber auch von Aufbruch und Neubeginn. Negative Energien sind draußen, die Räume neu befüllt mit positiven Energien. Und es duftet frisch und gut. Es scheint doch etwas dran zu sein an diesem alten Brauch des Räucherns.
Aber zurück zum Anfang: Als ich vor Jahren das erste Mal ein unbehagliches, beunruhigendes Gefühl in meinen eigenen vier Wänden hatte, holte ich mir eine Freundin zu Hilfe, eine Feng-Shui-Beraterin. Sie prüfte und beurteilte meine Wohnung nach den Feng-Shui-Regeln und riet mir zu einer Reinigungsräucherung. Der Grund: Zu viele fremde Energien. Ich wollte die Methode gern selbst erlernen und ließ mir alles ganz genau von ihr zeigen.
Räuchern ist eigentlich ganz einfach
Alles ist vorbereitet: die Specksteinschale mit Sand, die verschiedenen Räuchermischungen, die Kohletabs, die große Feder und die Kerze, mit der ich jetzt die Kohle entzünde. Erst wenn sie richtig glüht, gebe ich die Räuchermischung darauf. Dann kann es endlich losgehen. Grundsätzlich gilt: Man sollte die Räucherzeremonie konzentriert, würdevoll und mit Respekt vollziehen. Es gibt Räuchermischungen für die unterschiedlichsten Dinge, die man beeinflussen oder verbessern will: Schutz, Reinigung, Liebe, Meditation, Entspannung/guter Schlaf, Konzentration, Vision, Heilung.
Ich starte mit einer Schutzräucherung für mich selbst und beginne dann die erste Runde mit dem östlichsten Raum und im Uhrzeigersinn. Der Rauch wird mit der Feder im Raum verteilt. Nach der Schutzräucherung sollte man die Fenster öffnen, dann geht es in die Reinigungsrunde. Gleichzeitig wünsche ich mir, was ich loswerden will: negative Energien, Probleme, Ängste, Sorgen, Krankheit, Leid oder Streit. Teilweise qualmt es in den Räumen wie verrückt, immer unterschiedlich stark. Danach öffne ich die Fenster erneut und lasse den unangenehm riechenden Mief hinaus. Ich spüre direkt die Erleichterung in mir. Jetzt geht es in die zweite „Energierunde“: Die Räume werden mit frischer Energie befüllt und mit allem, was ich mir für die Räume wünsche: Harmonie, Freude, positive Energien, Gesundheit und Liebe. Großartig, es ist vollbracht.
»Mit den Augen erkennt der Mensch seinen Weg, mit der Nase begreift er ihn.«
Hildegard von Bingen, 1098–1179)
In unruhigen Zeiten suchen Menschen nach Auszeiten, die sie in Eigenregie gestalten und beeinflussen können. Sie meditieren, gehen zu Selbsterfahrungsgruppen, Achtsamkeits- und Yogakurse boomen. Täglich sind Menschen immer mehr Reizen, Stress, Anforderungen ausgeliefert, die ungefiltert auf sie einströmen. Gesund ist das nicht. Schutz- und Reinigungsräucherungen können helfen, bei geistiger und körperlicher Gesundheit zu bleiben. Aber auch, wenn man nur das Gefühl hat, die Raumatmosphäre sei irgendwie abgestanden und bleiern zum Beispiel nach überstandener Krankheit – kann man mit dieser Methode den alten Mief neutralisieren oder was auch immer zum Fenster hinausjagen.
»Aufsteige mein Gebet wie Weihrauch vor Dein Angesicht.«
(Psalm 140,2)
Magie und Mythos. Solange es Menschen gibt, räuchern sie. Bereits die Römer schickten ihre Bitten an die Götter “per fumum”, durch Rauch, zum Himmel. So wurde durch Räuchern eine Verbindung zu den Göttern hergestellt. Daher leitet sich der Begriff „Parfüm“ ab.
Das Verräuchern von Harzen und Kräutern ist eine uralte Tradition der Menschheit. Viele Menschen wissen heutzutage nicht mehr, welche Bedeutung das Räuchern hat. Die Anfänge des Räucherns gehen zurück bis zum Beginn der Menschheit. Geräuchert wird in fast allen Hochkulturen der Erde. Es lässt sich vermuten, dass unsere Vorfahren Hölzer, Kräuter und Harze ins Feuer warfen und feststellten, dass der entstehende Rauch einen wohltuenden Duft erzeugte und für unterschiedliche Stimmungen sorgte. Man begann, unterschiedliche Pflanzen und Harze zu sammeln und diese für die Räucherkunst zu verwenden. Das Wissen über Räucherrituale wurde den folgenden Generationen übertragen. Mit dem Räuchern von Harzen und Kräutern werden die alten oder negativen Energien vertrieben. Räume werden gereinigt und mit neuen positiven Energien befüllt.
In Deutschland hat sich der Brauch auch im ländlichen Gebiet gehalten, geräuchert wird auf Bauernhöfen, in Ställen, auf Feldern, um den Winter auszutreiben. Wichtige Daten sind die Rauhnächte vom 12. Dezember bis 6. Januar und Mariä Lichtmess am 2. Februar. Grundsätzlich gibt es keine richtigen und keine falschen Zeitpunkte – man kann immer räuchern, wenn man sich danach fühlt.
Ratschläge von der Expertin
Meine Recherchen führen mich in den Spezialladen, in dem ich mein Räucherwerk kaufe: das Candlelight in München-Haidhausen. Ich frage die Geschäftsführerin Irmi Zinke nach einer wissenschaftlichen Grundlage. Die gebe es nicht, sagt sie, es seien nur Erfahrungswerte und weitergegebenes Wissen, Gefühl, Verstand und Intuition.
Sie gibt ihren Kunden auch ganz praktische Tipps mit auf ihrem Weg zum ersten Räuchern. Wichtig ist zum Beispiel die Frage, ob es in der Wohnung Rauchmelder gibt. In dem Fall sollte man auf das Räuchern in einem Räuchergefäß mit Kohle verzichten oder während des Vorgangs zumindest die Batterien aus dem Rauchmelder entfernen. Alternativ zur Kohle gebe es auch die Räucherung mit einem Räucherstövchen mit Sieb, diese qualmten nicht so sehr.
Aber woran merkt man, dass es geklappt hat? „Das kann man nur über die eigene Intuition erspüren. Eine Kundin wollte ihrem Mann nichts von ihren Räucherplänen erzählen. Als ihr Mann schließlich nachhause kam, fragte er völlig überrascht, ob sie die Möbel umgestellt habe, weil irgendetwas anders sei und er ein Gefühl von Weite und Aufgeräumtsein habe.“
Ob es auch möglich sei, negative statt positive Energien in den Raum zu holen möchte ich wissen. Nein, meint Irmi Zinke. Der Grund: Schlechte Energien mögen keine guten Gerüche.
Verbindung zu einer höheren Kraft?
Neben Reinigung, Segnung, Heilung: Kann Räuchern auch als spirituelles Ritual die Verbindung zu einer höheren Kraft herstellen? Ja, sagt Irmi Zinke. Die Wünsche sollen durch den Rauch wie ein Transportmittel zum Himmel geschickt werden. Es gibt dafür sogar spezielle Räuchermischungen wie „Reise ins Licht“: Dabei wird verstorbenen Seelen geholfen, die gewohnte Umgebung, also ihre Wohnung oder ihr Haus, endgültig zu verlassen. Dass das funktioniert, habe sie schon einige Male selbst miterlebt, und auch Kunden hätten ihr viel von ihren Erfolgen erzählt.
Eine wichtige Frage noch zum Schluss: Ob ihr eine besondere Erfolgsstory einfällt, von der Ihr ein Kunde oder eine Kundin nach der Räucherung berichtet hat? Irmi Zinke erzählt mir ihre Lieblings-Erfolgsstory: Ein junger Mann kaufte auf ihre Empfehlung hin die Räuchermischung „Liebeszauber für den Mann“, und prompt klingelte am nächsten Tag eine junge Frau an seiner Tür, in die er sich verliebte. Die beiden seien heute noch ein glückliches Paar.
Diese Geschichte macht für mich die Sache rund: Wer räuchert, erreicht weit mehr als ferne Götter, die Seelen der Vorfahren oder schlechte Energien in den heimischen Räumen. Hat man das richtige Räucher(zauber)werk zur Hand, dann klappt es manchmal auch in der Liebe.
Mein besonderer Dank geht an Irmi Zinke, Geschäftsführerin Candlelight, Metzstr. 13, München