Es wurde lange kontrovers diskutiert, wie man in Deutschland mit den steigenden Fällen von Kinderehen umgeht. Jetzt und zukünftig.
Ein Kommentar von Ines Wagner.
Nun gibt es eine Entscheidung, die endgültig ist, vernünftig scheint und zugleich einen Kompromiss beinhaltet.
Laut Bundesinnenministerium waren in Deutschland im Juli 2016 bereits 1.475 ausländische minderjährige Verheiratete registriert, darunter mehr als 1.100 Mädchen. Der Nachsatz benennt das Dilemma. Es sind überwiegend junge Mädchen, die in ihren Heimatländern mit zum Teil wesentlich älteren Männern verheiratet wurden. 361 davon sind sogar jünger als 14 Jahre.
Diese Mädchen, so Myria Böhmecke von „Terre des Femmes„, seien vollkommen abhängig vom Ehemann und hätten oft keine Möglichkeit, sich zu entwickeln. Blieben die Ehen bestehen, würde sich auch in Deutschland an ihrer Situation nichts ändern. Das klingt einleuchtend und verpflichtet geradezu zum Schutz der Persönlichkeitsrechte dieser Mädchen, zur Förderung ihrer individuellen Entwicklung. Ein Weg wäre die Aberkennung des (Zwangs-)Ehestatus.
Unterhalts- und Erbansprüche hinfällig
Das wäre dennoch nur ein erster Schritt. Was erwartet die Mädchen dann? Werden ihre Ehen aberkannt, verlieren sie unter Umständen den familiären Zusammenhalt, Unterhalts- und Erbansprüche, ihre Kinder sind plötzlich unehelich. Vielen wäre dann die Rückkehr in ihre Heimatländer nicht mehr möglich, gab die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz mehrfach zu bedenken. Ein anderes Thema sind die minderjährigen Deutschen, die in Ausnahmefällen bisher heiraten konnten, beispielsweise wenn einer der Ehepartner volljährig war und das Familiengericht eine sogenannte Befreiung erteilte.
Künftiges Verbot aller Eheschließungen Minderjähriger
Die Union hatte sich in dem Monate währenden Streit um die neue Gesetzgebung komplett gegen die Ehe Minderjähriger in Deutschland ausgesprochen, inklusive der Aberkennung und Auflösung aller Kinderehen von Geflüchteten. Jetzt hat sie dem Konzept von Justizminister Heiko Maas (SPD) zugestimmt. In Deutschland sind künftig Eheschließungen zwischen Partnern unter 18 Jahren ausnahmslos verboten. Ehen geflüchteter Minderjähriger unter 16 Jahren sollen zum Schutz der Betreffenden pauschal nichtig sein.
Bei Eheschließungen zwischen 16 und 18 Jahre werden Einzelfälle geprüft. Das ist vielleicht das Beste für alle. Zumindest für die Mädchen, die von der Bevormundung ihrer wesentlich älteren Zwangsehemänner befreit werden und sich selbständig und selbstbewusst entwickeln können. Für sie gibt es eines Tages vielleicht ein Happy End mit Liebesheirat. Bis dahin sollten wir uns jedoch daran erinnern, dass unsere Sorgfaltspflicht nicht mit der Ehetrennung endet.
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