Hund und Hundeführer bilden im Einsatz eine Symbiose. Sie sind aufeinander angewiesen. Die Basis dafür ist Vertrauen.
Ein Feature von Sonja Müller
Das Gelände der Diensthundestaffel der Münchener Polizei liegt in einem abgelegenen Waldstück. Hier befinden sich der Übungsplatz und die Zwinger, in denen die Hunde tagsüber untergebracht sind. Ein angehender Diensthund ist im Normalfall zehn Monate alt, wenn er auf seinen Hundeführer trifft. Damit die Bindung und das Vertrauen von Anfang an so stark wie möglich werden können, lebt der Hund bei seinem Hundeführer und wird in dessen Umfeld integriert. Die Bindung zwischen Hund und Hundeführer bildet die Grundlage für die gemeinsame Arbeit. Je enger diese ist, desto mehr will der Hund für den Menschen tun. Im Einsatz spürt das Tier das gestiegene Adrenalin seines Menschen. Es weiß, die Situation ist jetzt ernst.
Duale Ausbildung
Jeder Diensthund der bayerischen Landespolizei erhält eine duale Ausbildung. Diese beinhaltet zum einen die Ausbildung zum Schutzhund. Zu den Aufgaben des Schutzhundes gehören die Absuche von Gebäuden und Freiflächen nach Straftätern oder vermissten Personen, die Unterstützung bei einem gewaltbereiten Gegenüber sowie Absperr- und Räumungsmaßnahmen. Zum anderen umfasst die duale Ausbildung die Spezialisierung als Rauschgift-, Sprengstoff- oder Leichenspürhund. Der Hund ist ein Nasentier, er kann einzelne Bestandteile erschnüffeln. Auf diese Weise riecht er Sprengstoff auch dann heraus, wenn dieser von anderen Stoffen – etwa Kaffee – umgeben ist.
Spezialisierung als Sprengstoffspürhund
Auch am Flughafen München gibt es eine Hundestaffel. Alle Anlieferungen, die am Flughafen verbleiben, verbaut oder verarbeitet werden, müssen die Halle der Zentralen Warenkontrollstelle (ZWKS) passieren. Die Kontrolle der Waren auf Sprengstoff erfolgt visuell, per Hand-Search oder über die Gepäckprüfanlage. Sollte eine Überprüfung über diese drei Methoden nicht möglich sein, kommt der Diensthund zum Einsatz. Die Sprengstoffspürhunde der Flughafengesellschaft München arbeiten nicht als Schutzhunde. Sie sind ausschließlich auf die Sprengstoffsuche spezialisiert.
Klassische und operante Konditionierung
In der Ausbildung der Hunde finden zwei Methoden Anwendung: Bei der klassischen Konditionierung, dem Klicker-Training, erhält der Hund nach jedem Klick eine Belohnung. Dem Hund wird klar, dass der Klick bedeutet, er hat etwas richtig gemacht. Allerdings hat er dabei noch nichts geleistet. Deshalb kommt die operante oder instrumentelle Konditionierung hinzu. Hierbei lernt der Hund an Erfolgen und Misserfolgen. Bei Fehlern bleibt das Klickgeräusch aus. „Der Hund ist ein Egoist“, sagt Franz, seit mehr als vier Jahren Hundeführer bei der Flughafen München Gesellschaft. Weil auf den Klick immer eine Belohnung folgt, möchte der Hund ihn wieder hören. Der Hund wird dabei nicht geführt, sondern bietet selbständig Sachen oder Verhaltensweisen an. Der Klick kommt erst, wenn der Hund das Richtige gebracht oder getan hat. Dies führt zur Änderung seines Verhaltens, da er merkt, auf bestimmte Aktionen folgt kein Klick und keine Belohnung. Früher wurde viel mit Aggression gearbeitet, was zu einem schlechten Sozialverhalten der Hunde gegenüber Menschen führte. In den letzten Jahren kam es zu einer Umstellung der Ausbildung. Die Bindung zum Menschen steht jetzt im Vordergrund.
Entwicklung der Bindung
Wie schnell die Bindung zwischen Mensch und Hund entsteht, weiß Christoph von der Polizeihundestaffel aus eigener Erfahrung zu berichten. Er hatte zunächst einen deutschen Schäferhund. Nach zweieinhalb Wochen wurde bei dem Tier im Rahmen eines Checks in der Unitierklinik Arthrose und Hüftdysplasie festgestellt. Somit war der Hund nicht geeignet für die Staffel. Das ist keine Seltenheit, weil die Züchter in der Vergangenheit den Schwerpunkt auf die „Schönheitslinie“ legten, wodurch diese Krankheiten begünstigt wurden. In der Zwischenzeit ist dieser Trend aber wieder rückläufig. Christoph bekam einen anderen Hund, einen belgischen Schäferhund. Zwei Hunden gerecht zu werden, ist sehr schwierig, weshalb er den deutschen Schäferhund wieder zurückbringen musste. Dieser Schritt fiel ihm schwer, da er bereits nach dieser kurzen Zeit eine Bindung zu dem Tier aufgebaut hatte.
Training bei der Münchener Polizei
Auf dem Übungsplatz der Polizeihundestaffel wird die Gegenstandssuche demonstriert. Drei Gegenstände werden auf dem Gelände versteckt. Ein Kollege von Christoph holt seinen Hund „Tiger“ aus dem Zwinger. Als das Tier die Gegenstände der Reihe nach findet, verweist es jedes Mal passiv darauf. Es legt sich regungslos auf den Boden, berührt den Gegenstand nicht. Auch im Echteinsatz haben die Tiere keinen direkten Kontakt zu den gesuchten Stoffen, weil dies zu gefährlich wäre. Sie zeigen den Fund nur an, indem sie auf die Stelle verweisen, wo der Geruch für sie am stärksten ist. Schließlich klickt es, „Tiger“ weiß, er hat alles richtig gemacht. Als Belohnung darf er mit seiner Beißwurst spielen. Christoph hat in der Zwischenzeit einen Schutzanzug angezogen und fungiert als gewaltbereites Gegenüber. Der Hund muss sich und sein Herrchen schützen, weshalb er beißen darf, wenn er angegriffen wird. Es gibt rechtlich festgelegte Beißzonen, wie Arme und Beine. Der Hund darf nicht in jede Körperstelle beißen.
Sprengstoffsuche am Flughafen München
In der ZWKS am Flughafen München sind mehrere Paletten mit Zeitschriften eingetroffen. Zunächst muss Franz überprüfen, ob die Paletten kontrollierbar sind und der Hund eine Chance hat, etwas zu finden. Er entfernt die Folien, damit die Geruchsmoleküle, darunter auch eventuelle Sprengstoffmoleküle, freigesetzt werden. Im Anschluss müssen die Stapel noch ein wenig „ausatmen“. Auf Grund der Vakuumverpackung waren die Gerüche sehr komprimiert, was zu einer chemischen Reaktion führen kann, die dem Sprengstoffgeruch ähnelt. Jetzt kommt „Bandit“ in die Halle der ZWKS: An der Leine geführt, durchsucht er alle Paletten. Damit der Hund sich konzentrieren kann und nicht von anderen Gerüchen abgelenkt wird, müssen während der Suche die Tore der ZWKS geschlossen bleiben und die Personen in der Halle sich ruhig verhalten. Der Hundeführer hat zuvor ein wenig abseits der Paletten eine Sprengstoffriechprobe deponiert, damit der Hund ein Erfolgserlebnis hat, obwohl sich in den Zeitschriftenstapeln kein Sprengstoff befindet. Nach einiger Zeit lässt Franz ihn in Richtung Probe schnüffeln. „Bandit“ zeigt die Riechprobe passiv ein. Er friert direkt davor ein. Es klickt und der Hund erhält sein Spielzeug zur Belohnung.
Diensthund als Familienmitglied
Der Hund ist vom ersten Tag an nicht nur Bestandteil der Familie seines Hundeführers, sondern es wird auch sofort mit dem Gehorsamstraining, der so genannten Unterordnung, begonnen. Da der Hund immer wieder versucht, eine Rangverbesserung herbeizuführen, muss das Training konsequent sein, aber nicht hart. Für den Hundeführer ist es wichtig, auf den Charakter des Tieres einzugehen. Klare Ansagen fördern das Vertrauen des Hundes zum Herrchen. Je mehr mit dem Hund gearbeitet wird, desto mehr Spaß hat das Tier und desto stärker wächst das Vertrauen.
Ein Hund steht im Dienst der Staffel, bis er zehn Jahre alt ist. In der Regel bleibt er nach dem Ausscheiden bei seinem Hundeführer und wird von diesem übernommen. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist so eng, dass der Hundeführer seinen Hund nicht mehr hergeben will.
Weiterer Beitrag von Sonja Müller in diesem Dossier:
Titelfoto: Pixabay