Ein Leben über den Dimensionen, Zeit und Raum
Dan Millman ist ein US-Hochleistungssportler. Als Mitglied der olympischen Turner-Equipe der USA, hält er sich für großartig und besonders. Eines Nachts begegnet er einem seltsamen älteren Mann an einer Tankstelle. Damit nimmt die Geschichte ihren Lauf. eine Buchkritik von Sinje Krieger-Pflaume
‚Der Pfad des friedvollen Kriegers‘ von Dan Millman
Dan nennt den seltsamen Alten Socrates, denn er scheint weise und philosophisch zu sein. Socrates ist kein gewöhnlicher Mann. Äußerlich entspricht er mehr oder weniger einem sportlichen Mit-Sechziger, drahtig und asketisch, weißes Haar, Japan-Schlappen. Aber bereits zu Beginn entpuppt er sich als Magier, übersinnlicher Lebenskünstler und spiritueller Meister, der nicht nur die Welt des Studenten auf den Kopf stellt, sondern die des Lesers gleichermaßen. Er wechselt Standorte in der Geschwindigkeit eines Flügelschlags, gibt Dan seltsame Rätsel auf, scheint ihn genau zu kennen, provoziert, irritiert, begeistert. Wer ist dieser Socrates, aus welcher Welt kommt er, und wie kann er über Fähigkeiten verfügen, die kein Irdischer je beherrschen würde?
Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Der Schüler selbst findet keine Erklärung. Aber dem Leser kann es egal sein. Es geht nicht darum, was Socrates tut, sondern darum, wie Dan sich durch ihn im Laufe der Zeit verändert. Der Leser bleibt nicht irritiert zurück. Er wird involviert in diese Entwicklung und darf am Unterricht teil nehmen. Staunen darf er dennoch.
Socrates, wo führt das hin?
Wenn du wissen willst, wo etwas hinführt, musst du warten, bis du dort angekommen bist, grinste er und fuhr mit seiner Geschichte fort.
Lektionen des Lebens
Socrates führt Dan durch Lektionen des Lebens zu einem tieferem Verständnis seiner selbst, seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten. Ist der Leser zu Beginn noch erfüllt von berechtigten Zweifeln, so kann er sich bereits nach den ersten Seiten der ungewöhnlichen Erlebniswelt nicht mehr entziehen. Sensibel, mit viel Witz und Humor, wird der Leser in den Bann einer tieferen Bewusstheit gezogen. Socrates bezeichnet sich selbst als Krieger des Lichts. Und diese verfügen über ein großes Herz, Mut, Weisheit, Entschlossenheit und Klarheit.
Das Reich der Krieger, Dan, ist von einer Pforte bewacht. Sie ist gut verborgen – wie ein Kloster in den Bergen. Viele klopfen an, aber nur wenige können eintreten.
Gut, zeig mir die Pforte, Socrates, ich werde schon einen Weg hinein finden.
Das ist nicht so einfach, Dummkopf. Die Pforte ist in dir selbst, du musst sie allein finden. Ich kann dich nur hinführen.
Mit diesen Worten schickt Socrates seinen Schüler auf die Reise, ein friedvoller Krieger zu werden. Dan stehen viele Prüfungen bevor, bei denen sein Meister ihn begleitet und führt. Die Lösungen muss der Lehrling jedoch selber finden. Ein Buch, das anregt, unterhält und bewegt. Durch die authentische und persönliche Erzählform gelingt dem Autor ein dramaturgisches Wechselspiel zwischen Erwartung und Auflösung.
Die größte Kraft liegt im Jetzt
Die Aussage der Geschichte ist schnell klar: Es geht darum, sein Denken zu kontrollieren, sich von Ego und Beurteilung zu lösen. Erkenntnis darüber zu erlangen, dass in der Gegenwart und der Annahme dessen, was ist, die größte Kraft liegt. Sich in der Vergangenheit zu verlieren oder auf ein besseres Morgen zu hoffen, führt zu nichts. Der einzige Moment, das Leben zu genießen und Ziele zu verwirklichen, ist Jetzt. Der Leser wird automatisch aufgefordert, seine eigene Aufmerksamkeit und Bewusstheit zu hinterfragen. Dans´ Geschichte ermutigt, persönliche Denk- und Verhaltensmuster zu entlarven und seine eigene materialistische Anhaftung zu überprüfen. Trotz der inhaltlichen Tiefe des Themas, bleibt die Lektüre dank der amüsanten und spritzigen Erzählform des Protagonisten geistreich unterhaltend und leicht.
Mit der Zeit lernt Dan, der Welt ohne Erwartung gegenüber zu treten. Er begreift, dass er stets darum gekämpft hatte, jemand zu werden. Und er erwacht in der Erkenntnis, dass es nicht um Leistung oder Wissen geht, sondern darum, im Herzen wahrhaftig zu sein. Der Weg selbst ist die Antwort auf alle Fragen. Oder wie Socrates es ausdrückt: ‚Es geht nicht darum, wie glücklich man wird, sondern darum, glücklich zu sein.‘