Mit dem Porsche zum Bauernmarkt um die Ecke
Grünwald betreibt seit 2011 ein Geothermiewerk und hat sich hinsichtlich sauberer Energie ambitionierte Ziele gesetzt. Dennoch sieht die grüne Gemeinderätin Ingrid Reinhart-Maier die Erdwärme nicht als Selbstläufer. ein Interview von Nina Stenberg
München, Grünwald, Nobelvorort – die Gemeinde im Süden der Landeshauptstadt heizt Kindergarten, Grundschule und Rathaus mit Geothermie. Selbst die bekannten Bavaria Filmstudios nutzen die neue Energiequelle seit 2012 für Strom und Heizung. Landläufig steht Grünwald für hohe Einkommen, PS-starke Autos, prachtvolle Villen hinter hohen Mauern. Wer denkt da schon an ein Vorbild in Sachen Klimaschutz?
Grünwald ist Vorreiter in Sachen Geothermie. Gibt es eine Vision?
Ingrid Reinhart-Maier: Wir wollen, dass sich alle Haushalte an die Geothermie anschließen. Bei Neubauten ist das schon der Fall. Aktuell haben wir knapp 1000 Hausanschlüsse bei ungefähr 1800 Wohneinheiten. Der Anreiz, von Öl und Gas auf Erdwärme umzusatteln, ist da.
Mir schaudert`s vor den Kosten
Ist das für Sie als grüne Politikerin der Traum einer erfolgreichen Energiewende?
Ich bin keine uneingeschränkte Befürworterin der Geothermie. Mir schaudert’s auch vor den Kosten für Wartung und Technikverschleiß. Wir erwarten Gesamtkosten von 250 Millionen Euro bis Ende 2018. Ich sehe noch nicht, dass wir die Ausgaben decken können.
Zweifeln Sie am Nutzen der neuen Energiequelle?
Teilweise schon. Meine Zweifel tun mir als Grüne weh. Wir nutzen der Umwelt. Unsere Luft ist besser, wenn weniger Leute mit Öl heizen. Aber mir scheint das im Moment eher eine „gefühlte“ Energieeinsparung zu sein. Die Anlage zu betreiben verbraucht sehr viel Energie.
Manche fürchten negative Einflüsse auf die Umgebung durch den Betrieb der Geothermieanlage.
In der Gemeinde Unterhaching geht man zum Beispiel mit Chemikalien gegen Ablagerungen an den Pumpen ran. Das finde ich schon eine schwierige Geschichte. In unserer Nachbargemeinde hatte man Bedenken wegen des Lärms. Daraufhin wurde unser Kraftwerk besonders gut gegen Schall abgedichtet. Ich fahre da öfter mit dem Fahrrad vorbei und höre nichts.
Rohre werden verlegt, es entstehen Baustellen und der Verkehr wird behindert. Gibt es Beschwerden?
Man meckert halt, wenn die Straße aufgerissen ist. Aber nie massiv.
Der Klimaschutz muss weiter auf der Agenda stehen
Klimawandel, Energiewende und Umweltschutz fordern ein Umdenken. Wie umweltbewußt sind die Bürger einer der reichsten Gemeinden Deutschlands?
Wenn ich durchs Dorf radele, sehe ich viel Photovoltaik auf den Dächern. Der Klimawandel wird wahrgenommen. Dennoch muss der Klimaschutz weiter auf der Agenda stehen. Bei jedem neuen Projekt. Aber ich bin auch Realistin, wenn ich den Straßenverkehr sehe. Man kauft Bio. Aber zum Bauernmarkt fährt man mit dem großen Geländewagen oder dem Porsche. Der Status ist da wichtiger als der Umweltschutz.
Haben Sie Tipps für die Bürger, damit sie die Energiewende noch aktiver mitgestalten können?
Ich will Vorbild sein und fahre mit dem Fahrrad. Im Ort einkaufen, ist ein guter Beitrag. Es gibt viele schöne Läden in Grünwald. Strom sparen, wo es geht. Demnächst startet in Grünwald die Wertstoffbörse. Dort kann man gebrauchte Sachen erwerben. Das finde ich umweltfreundlich.
Frau Reinhart-Maier, danke für das Gespräch.