Schönheit aus dem Norden
Sie kennt die artenreiche Pflanzen- und Beerenwelt der Wälder am nördlichen Polarkreis wie ein Gärtner seine Blumen. Sie ist selbst ein nordisches Gewächs und hat ihre Kindheit in der waldreichen Wildnis verbracht. Sirkku Hahn ist in Oulu geboren. Der Ort liegt in Nordfinnland, an der Grenze zu Lappland am Bottnischen Meerbusen. Heute lebt die Finnin mit ihrer Familie in Bayern, in Dorfen, nordöstlich von München und betreibt seit fast fünf Jahren den Online Shop Hilla Naturkosmetik. Sie hat sich auf ausgesuchte ökologische Pflegeprodukte aus Nordeuropa spezialisiert. ein Porträt von Nina Stenberg
Oulu liegt am 65sten Breitengrad – dort, wo die Sonne monatelang nicht untergeht. In den Wäldern wachsen vor allem Waldkiefern, Fichten und Birken. Dazwischen gedeihen Strauchflechten, Gräser und Moose – Pflanzen, die einen eigenen Rhythmus haben. Wenn im Sommer zweieinhalb Monate lang die Mitternachtssonne scheint, bewirkt das eine besondere Anpassung an die Umwelt. “Lange lichtreiche Sommertage lassen die Pflanzen im Norden ganz spezielle Wirkstoffe bilden“, erklärt Sirkku Hahn, „das belegen auch wissenschaftliche Studien.“ Zwischen den Sträuchern reift auch die Moltebeere – so heißt „Hilla“ auf deutsch – eine gehaltvolle, orangefarbene Beere, die nur in Nordeuropa wächst. Die Unternehmerin nutzt das Bild der Moltebeere in ihrem Logo.
Es riecht wie im Spa-Bereich eines Wellnesshotels
Es ist Mitte Februar an einem sonnig-kalten Mittwochmorgen. Die Naturkosmetikmesse hat begonnen, letzte Körpercremes, Seifen und Kosmetika werden sortiert und in die Regale gestellt. Es riecht wie im Spa-Bereich eines Wellnesshotels. Die internationale Branchenmesse auf dem Nürnberger Messegelände ist in Halle 7A untergebracht. Auf der Vivaness 2017 trifft Händlerin Sirkku Hahn Hersteller und Lieferanten, spricht mit neuen Kunden und hält Kontakt zu Beautybloggerinnen und Medien. Sie belebt ihr Netzwerk und spürt Neuheiten auf.
Ein Duft wie Apfel strömt aus der kleinen braunen Flasche. Die Pumpe am Flaschenkopf zerstäubt den Inhalt über die Haut. Das Blütenwasser prickelt leicht im Gesicht und erfrischt. Sirkku Hahn kennt den lettischen Hersteller, dessen Naturprodukte sie in ihrem Online Portal vertreibt. Sie lässt sich von den beiden jungen Inhabern die neue Produktlinie zeigen. Ein neues Gesichtsserum aus dem Kernöl der Himbeere solle die Kunden überzeugen, so das Gründerteam aus Lettland und betont, dass sie in ihren Produkten nur reine und ökologische Rohstoffe verwendeten. Der Ursprung der Pflanzenextrakte müsse nachvollziehbar bleiben, vom Anbau über die Verarbeitung bis zur Herstellung.
Es ist der besondere Spirit, der mich beeindruckt
Deutschland ist ein großer Markt für Naturkosmetik. Viele Marken tummeln sich rund um die natürlichen Pflegeprodukte und wetteifern um den Kunden. Auf diesen Trend ist Sirkku Hahn mit ihrem Online Shop aufgesprungen. „Die Naturkosmetikbranche im Norden ist nicht groß. Deshalb will ich die kleinen und besonderen Marken aus den skandinavischen Ländern in Deutschland bekannt machen“, sagt die Finnin. Die baltischen Länder, Estland, Lettland und Litauen, bezieht sie ebenfalls ein und verkauft deren Produkte über ihr Portal. „Im Baltikum herrschen ähnliche klimatische Bedingungen wie in Skandinavien“, erklärt sie. Spannend finde sie vor allem, dass Unternehmer aus diesen Ländern einen besonders innovativen Geist hätten. Dutzende kleiner Kosmetikmarken gäbe es. Ein Spirit, der schnell etwas bewegen will.
Auf der Messe besucht die Online-Händlerin ein weiteres Familienunternehmen. Zwei unterschiedliche Duftvarianten eines Anti-Aging Gesichtsserums werden auf der Messe getestet. Die herbe Variante basiert auf einem Maiglöckchenduft. Ein Cocktail aus Frühlingsblumen und Beeren die andere. Messebesucher können ihren Favoriten auswählen.
Mitten in der historischen Altstadt von Dorfen liegt das Büro von Hilla Naturkosmetik. Eine kleine Anliegerstrasse trennt das Gebäude von der Ortskirche. Die Geschäftsräume liegen im Souterrain. Im Inneren wirbelt ein bunter Duftreigen durch die Luft. Morgensonne fließt in das Büro und beleuchtet ein Plakat mit Winterlandschaft im Nordlicht. „Schönheit aus dem Norden“ steht darauf.
Weiße Regale mit ordentlich aufgereihten und sortierten Puderdosen, Body Lotions, Haarshampoos und Duftseifen lehnen an den Wänden der Dorfener Geschäftsräume. Das Verpackungsdesign fällt ins Auge. „Die Skandinavier haben Sinn für Design, es gibt eine große Tradition in den nordischen Ländern, nützliche Dinge in einer schönen Form für den Alltag zu gestalten“, erklärt Sirkku Hahn.
Mir war sofort klar, dass ich da arbeiten will
„Ich freue mich jeden Tag darüber, wie gut es hier duftet, wenn ich morgens die Tür aufschließe.“ Eine Lieferung ist angekommen. Claudia, eine Mitarbeiterin, öffnet den Karton und überprüft die Anzahl der schlicht in Weiß verpackten Kosmetikdosen. Sie legt die Ware einzeln auf die Packablage. Sirkku Hahn beschäftigt drei Mitarbeiterinnen in ihrem Unternehmen. Claudia ist seit fünf Monaten dabei. Sie wickelt Bestellungen ab, räumt Lieferungen ein, versendet die Pflegeprodukte an Wiederverkäufer und Endkunden. Jeder Handgriff sitzt. Über Facebook sei sie zu Hilla Naturkosmetik gekommen. „Ich habe die Stellenbeschreibung gelesen und mir war sofort klar, dass ich da arbeiten will“, sagt die 45jährige Mutter von zwei Kindern und sieht diese Aufgabe als Chance, nach der Familienzeit wieder berufstätig zu sein.
Regina – sie ist einen Monat später zum Team gestoßen – lacht als sie erzählt, dass sie die Facebookanzeige im Urlaub auf Teneriffa gelesen und sich sofort beworben habe. Früher im Paketshop habe sie noch die duftenden Pakete angenommen. Nun arbeitet sie dort, wo sie die Pakete öffnen darf und der Duft nach Blüten, Beeren und Kräutern ihre Nase umschmeichelt.
„Ich bin selber Mutter und kenne die Herausforderungen von Familie und Beruf. Deshalb stelle ich nur Mamas ein“, erklärt die Unternehmerin. Gerade auf dem Land sei es für Frauen oft schwierig, passende Jobs zu finden, die nah am Wohnort sind und die Möglichkeit bieten, Kinder und Beruf zu vereinbaren. Susanne nickt. Die 51jährige Programmiererin ist seit dem Unternehmensstart dabei, profitiert von den flexiblen Arbeitszeiten und begleitet Sirkku Hahn auf der Messe. Im Büro kümmert sie sich um die Bestellungen und Arbeitsprozesse. Gut gelaunt schildert sie, wie sie noch vor dem Naturkosmetik-Boom eigene Cremes gemischt habe. Mit der heutigen Auswahl an Naturkosmetika wolle sie diesen Aufwand jedoch nicht mehr betreiben.
Ich spüre, dass die Naturprodukte meiner Haut gut tun
Die blonden Haare legen sich über die orangefarbene Seidenbluse. Der Lippenstift ist abgestimmt auf die Farbe der Bluse. Es ist die Farbe der nordischen Wildfrucht – die Moltebeere auf dem Logo. Die hochgewachsene Finnin beschreibt sich als eine Frau, die immer neue Impulse braucht. Etwas schaffen und bewegen. Jeden Tag lebe sie ihren Traum. Da wo sie herkomme, sei das besondere eben die Natur. „Ich spüre, wie die ausgewählten Inhaltsstoffe in den Naturprodukten meiner Haut gut tun“, sagt die Unternehmerin, „das möchte ich an meine Kunden weitergeben. Mit einer schönen Haut sehen alle gut aus.“
Regina bereitet weitere Versandpakete vor. Am Abend vorher sind die Bestellungen über das Onlineportal eingegangen. Auch aus Österreich und der Schweiz kommen Bestellungen. Vor dem Versand wird jede einzelne Pflegepackung in ein hauchdünnes, farbiges Papier eingeschlagen, die Enden verzwirbelt. Die eingewickelten Artikel sehen hinterher aus wie große bunte Bonbons.
Die Rosen riechen dezent und bleiben als Erinnerung auf der Haut haften. „Diesen Duft haben wir nach dem Rosengarten von Königin Ingrid von Dänemark benannt“, erzählt die dunkelhaarige Frau am Messestand. Der Blick richtet sich auf eine verschlossene Glasvitrine – wie kostbare Juwelen werden die Neuheiten präsentiert; schmale Fläschchen und breite Flakons reihen sich aneinander. Sirkku Hahn sprüht sich einen neuen Duft auf den Handrücken und lässt die Aromen der sommerlich-süßen Himbeere auf sich wirken. „Hygge“ steht auf dem Etikett der kleinen Parfumflasche. „Das heißt Gemütlichkeit im Dänischen“, sagt die Frau. Aber auch: Die Natur als Ausgleich zum stressigen Alltag genießen.