Museum soll modern sein. Meist, um Kunst besser an die Allgemeinheit zu vermitteln. Verständlich für jedermann bringen neue Medien und kreative Ausstellungsmethoden dem Besucher die Welt der Kunst näher. Was sich gut anhört, sieht im Lenbachhaus mehr als daneben aus.

Abstrakte Malerei von Wassily Kandinsky auf schwarz melierter Tapete im Lenbachhaus.

Expression à la Pilcher

„Das Lenbachhaus besitzt die weltweit größte und bedeutendste Sammlung an Kunstwerken aus dem Kreis des blauen Reiters“ steht im Begleitheft des Museums. Den Rundgang behutsam verändert, präsentiert die Hängung gemäß Kandinsky das „eigentliche Künstlerische“.
Leider nur erinnern Münters in Violett gehaltene Landschaften auf Wänden in Fliederfarbe an einen Sommer bei Rosamunde Pilcher. Ausdrucksstarke Bilder mit wenig gefälligen Farbkombinationen so zu versüßen und zu verschandeln – das muss man dem Kurator lassen – schafft nicht jeder. Während sich im nächsten Raum Jawlenskys Tänzer zu behaupten weiß, werden seine Bildnachbarn in zu breiten und billig angemalten Holzrahmen zur Deko. Und nebenan im großen Saal? Muss man zweimal hinsehen: Kandinsky auf schwarz melierter Tapete. Schwarz, das weiß bekanntlich jeder, verschluckt Farbe und hier leider ihre Komposition eines Meisters. Mühselige Gestaltung auf Kosten der Kunstwerke. 1912 entstand der Blaue Reiter und zehn Jahre später das Konzept des White Cube: Ausstellung in farbneutralen weißen Räumen zugunsten von Kunstwerken. Was die Kunstwelt der Moderne damals schon wusste, scheint heute leider vergessen.

Ofen als Kunstobjekt von Joseph Beuys eingefasst in einem dicken Glaskasten im Lenbachhaus.

Beuys im Glas

Die herausragende Sammlung Joseph Beuys wird im Lenbachhaus kalt gestellt. Mattes Licht und künstlich glänzender Fußboden spülen Beuys Rauminstallationen weich. Hier stellen Leichenbahren, Blechkästen und Fettmasse der Installation Zeige Deine Wunde die Begrenztheit des Menschen in ein Möbelhaus. Vor dem Aufbruch aus Lager I  ist in eine Ecke gequetscht und wirkt fehl am Platz. Man muss nicht alles ausstellen, was man kann. Im nächsten Raum wird es noch schlimmer – dickwandige Glaskästen auf breiten Messinggestellen, die golden schimmern. Beuys Berglampen aus Zink sind wie Ohrringe in einer Vitrine arrangiert. Der Filzanzug liegt in einem Sarkophag aus Glas. Das Gelose-Objekt aus Gelatine und Wachs, der modrige Mäusestall und der ölige Lavendelfilter hinter dickem Glas. Wärme kommt hier keine mehr durch, ganz zu schweigen von der Materialität, die im Sinne Beuys nicht nur die Kunst, sondern die Welt ausmacht.

 

Im Lenbachhaus: Landschaftsmalerei aus dem 19. Jahrhundert darunter ein kleiner Bildschrirm mit Filmausschnitt, in dem Schlagersängerin Alexandra singt.

Mit Donald Duck und Schlagerstar im 19. Jahrhundert

Donald Duck begrüßt den Besucher fröhlich quakend in der Sammlung Ansichten des 19. Jahrhunderts. Hat Donald sich verirrt? Nein, die Information zum Video erklärt, dass sich Walt Disney stark an den Malern des 19. Jahrhunderts orientiert habe. Zusammenhänge derart zu verkürzen beweist ein beschränktes Kunstverständnis. Einen Raum weiter hängen Bilder mit volkstümlichen Motiven. Hier gibt es keine Meisterwerke, das ist offensichtlich. Aber zwischen die Gemälde einen Bildschirm zu montieren, der Ausschnitte aus der Geschichte des Komödienstadls im Bayrischen Fernsehen zeigt, das macht einen sprachlos. Natürlich gibt es auch hier eine Erklärung. Sie schlägt von Grützners Malerei im Jahre 1882 über den Komödienstadl Mitte der 50er bis zu den Krimis und Kultserien von heute einen Bogen. Das tut auch dem Komödienstadl weh, wenn Malerei, Film und ihre Genres derart durcheinander geschmissen werden. Ergänzend zu den Erläuterungen über Kunst hängen DIN A4 Blätter seitlich von und unter den Gemälden. Neben Selbstbildnis von Max Slevogt (1913), hängt als Farbkopie im DIN-A4 Format Slevogts Selbstporträt mit steifem Hut (1912). Unter dem impressionistisch anmutenden Bildnis der Großherzogin Caroline sind zwei DIN A4-Kopien angebracht: Ein Porträt von Caroline mit Hut und ein Foto von Caroline mit Hund. Wem diese Art von visuellem Querverweis nicht gefällt, kann die Augen schließen und per Kopfhörer einer Oper aus dem 19. Jahrhundert lauschen. Gott sei Dank!

Ab Raum 23 kleben die DIN A4 Zettel nicht mehr an der Wand, sondern auf einem Bord. Das Bord verläuft schräg unter den Bildern, darin einzelne kleine Bildschirme. Jagd, Brauchtum und Tracht aus dem 19. Jahrhundert sind laut Info immer noch interessant, denn „ … auf Oktoberfesten wird heute weltweit Bayer gespielt.“ Echte Bayern schuhplattln dann auch im Heimatfilm „Das Schweigen im Walde“ unter Lovis Corinths Walchensee bei Mondschein. Hat man das überstanden, singt einen Raum weiter Alexandra für den Besucher: „Mein Freund der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot“. Sie gehört – für mich neu – zu den „baumaffinen Schlagerstars“ und hat einen wichtigen Beitrag zu der „sozialen Realität des Waldes“ geleistet. Dann wird Beuys Aktion 7000 Eichen auf der documenta 7 erläutert. Carl Spitzwegs ausruhende Spaziergänger können leider nicht davonlaufen – ich schon. Auf dem Weg zum Ausgang will ich von der Museumsaufsicht wissen, wie es zu dieser ganzen Misere kam und seit wann es hier Videos gibt. Das sei seit anderthalb Jahren die Sonderausstellung Bildschirm. „Bildschirm?“ wiederhole ich. „Nein, nein“, antwortet der nette Herr: „Bildschön.“

 

Andere Beiträge von Meiki Beck           Puppentheater Stadtmuseum München          Wer bügelt meine Hemden?