Mein Leben auf unserem Planeten

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Untergehende Sonne am menschenleeren Strand, Small Data Fotografie Vera Schwamborn

Zerfallene Häuser, zerfledderte Bücher, zersplittertes Glas – Bilder der Verwüstung aus einer Kleinstadt in der Ukraine. Doch sind es hier nicht Szenen aus dem Krieg, wie wir sie seit dem 24. Februar kennen. Die Filmaufnahmen sind wenige Jahre zuvor entstanden. Sie zeigen, wie es dreißig Jahre nach der Atomkatastrophe nahe des ukrainischen Tschernobyl aussieht.

Die Szenen stehen am Anfang von David Attenboroughs filmischem Vermächtnis A Life on our Planet. Der Dokumentarfilm ist vor zwei Jahren in die Kinos gekommen. Auf Netflix läuft Mein Leben auf unserem Planeten noch immer. Und es lohnt sich immer noch, ihn anzuschauen. Denn das Thema ist von höchster Brisanz: Wie halten wir die menschengemachte Zerstörung unseres Planeten auf?

„Es geht nicht darum unseren Planeten zu retten, sondern uns selbst“, so der mittlerweile 96-jährige Filmemacher, der mehr als 60 Jahre lang die ganze Erde bereist hat. Die Natur könne sich nach bestimmten Zeiträumen selbst regenerieren. Ob die Spezies Mensch dazugehöre, werde sich zeigen.

„Das Holozän war unser Garten Eden.“

Um ökologische Zusammenhänge zu erklären und uns die bedrohte Artenvielfalt vor Augen zu führen, nimmt der Tierfilmer uns mit auf die Reise seines Lebens. Von den Anfängen Mitte der fünfziger Jahre bis heute. Wir sehen wundervolle Tier- und Pflanzenwelten, aber auch deren Zerstörung. Und wir hören David Attenboroughs Stimme – artikuliert und engagiert. Knapp anderthalb Stunden lang begleitet uns der Naturfilmer in persona durch seine Filmaufnahmen.

Er zeigt uns, dass wir in den letzten 10.000 Jahren im Paradies gelebt haben, zumindest was unser Klima angeht. Das Holozän hat hervorgebracht, was wir als selbstverständlich erachten und dabei sind zu verlieren: die Jahreszeiten. Deren Verlässlichkeit haben Ackerbau und Zivilisation erst möglich gemacht. Wir haben diese paradiesischen Zustände genutzt und uns entwickelt. So extrem, dass es mittlerweile 8 Milliarden Exemplare von uns gibt. Wir Menschen haben uns die Erde untertan gemacht, sie ausgebeutet und vergiftet. Und das im Wesentlichen erst in den letzten 200 Jahren.

„Die Erde hat ihre Wildnis verloren.“

Trotz bedrohlicher Aussichten schlägt Attenborough ein einfaches Rezept vor: „Wir müssen wieder Wildnis herstellen.“ Das, was in kleineren Gebieten wie zum Beispiel in Costa Ricas Urwald funktioniert habe, sei auch im größeren Maßstab machbar. Zur Regeneration der Ozeane könnten etwa ein Drittel der Küstenmeere unter Schutz gestellt werden. Die sich dort aufbauenden Fischbestände würden wesentlich zur Belebung der restlichen Meere beitragen. Auf Land müssten wieder nutzfreie Flächen geschaffen werden, die nicht unserem Tierkonsum dienen sollen. Eine Umstellung unserer Ernährungsgewohnheiten setzt Attenborough dabei als Notwendigkeit voraus. Und Wälder sollen wieder verwildern dürfen. „Nur wenn wir für die Natur sorgen, wird sie das auch für uns tun.“

Unser größtes Problem sieht Attenborough, wie schon der Club of Rome vor 50 Jahren, in der Überbevölkerung. Doch wie bei jeder Spezies gebe es auch für den Menschen irgendwann ein Populationsmaximum. Wir sollten dieses so bald wie möglich erreichen. Und das gehe nur über die weltweite Erhöhung des Lebensstandards und der Bildung. Wie schon in den Industrienationen werde die Geburtenrate dann automatisch zurückgehen und auf niedrigem Niveau bleiben. Der Balanceakt bestehe darin, Wohlstand in armen Ländern zu mehren, ohne der Erde noch mehr zuzusetzen. Und das werde ausschließlich durch erneuerbare Energien und die Einrichtung von Schutzzonen erreichbar sein.

„Wir müssen wieder ein Teil von Natur werden.“

Am Ende der Reise über den Planeten kehren wir zurück in das zerstörte ukrainische Städtchen. Doch aus der Vogelperspektive sieht das ganz anders aus. Nach nur dreißig Jahren haben sich die Pflanzen ihr Reich zurückerobert. Die alten Plattenbauten, die Straßen und Plätze sind von Grün überwuchert. Und am Boden durchstreifen Füchse und Wildpferde die Gegend. Das wirkt zutiefst beruhigend, auch wenn keine Menschenseele zu sehen ist. Oder gerade deshalb?

„Wir Menschen haben die Fähigkeit uns zu ändern. Wir müssen es nur wollen.“ Wenn man Mein Leben auf unserem Planeten gesehen hat, will man definitiv. Der letzte Satz vor dem Abspann fragt danach, wer den Film noch sehen sollte. Hier die Antwort: Du!

Titelfoto: Vera Schwamborn Urzeitstrand (Small Data Serie)