Endlich wieder abheben!

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Cockpit aus Papier im Wohnzimmer aufgebaut Foto Petra Kellner

Pilotinnen und Piloten mussten durch die Corona-Pandemie weltweit massive Veränderungen und Disruptionen in ihrem Berufs- und Privatleben erfahren. Die in Australien lebende Münchnerin Viola Gibson, 45, arbeitet sich nach drei Jahren Unterbrechung derzeit bei einer für sie neuen Fluggesellschaft als Pilotin ein. Über Wege und Umwege in einem Beruf, den sich Frauen erkämpfen mussten.

Flugkapitänin Viola Gibson
Flugkapitänin Viola Gibson

Wien scheint sich am ersten Oktoberwochenende schier zu überschlagen vor Charme und gutem Essen. Täglich lockt die österreichische Metropole mit einem üppigen Strauß von Veranstaltungen. Die Stadt mit dem Fahrrad zu entdecken wäre eine gute Idee. Allein schon die künstlich aufgeschüttete Donauinsel ist ein 21 Kilometer langes Freizeit- und Naturparadies. Kaum etwas davon wird Viola Gibson in den sieben Wochen, die sie hier vorübergehend zuhause ist, genießen können. Denn sie muss lernen. Sehr viel lernen, sehr viel üben. Und das sechs Tage die Woche.

Nach drei Jahren anfangs freiwilligen, dann erzwungenen Pausierens freut sie sich, bald wieder fliegen zu dürfen. Die Fluggesellschaft, bei der sie jetzt als Pilotin unter Vertrag steht, verwendet einen Flugzeugtyp, mit dem sie noch keine Erfahrung hat. Nun büffelt sie für das Type Rating, die Musterberechtigung zum Führen eines bestimmten Modells. Der intensive Übungskurs, zu dem sie ihre neue Firma hierher sandte, besteht aus Lerneinheiten am Computer gemeinsam im Team, aus Simulator-Trainings und aus Übungssequenzen zu Hause, allein oder zu zweit. Um das Cockpit in ihrem Zimmer nachzustellen, hat sie sich die Konsolenansichten auf Kartonstreifen gedruckt schicken lassen, die sie vor dem Fernseher auslegt. Zwei Küchenstühle dienen ihr und ihrem Teampartner als Pilotensessel.


Gehen Pilotinnen und Piloten heimlich zur psychologischen Beratung?

Die geborene Münchnerin lebt seit 2010 mit ihrem australischen Mann, einem ehemaligen Helikopter-Piloten, in Perth im Bundesstaat Western Australia. Im Interview verrät die 45-Jährige, welche Wege und Umwege sie ging, um trotz aller Hindernisse als Pilotin abheben zu können.

Ein Audio-Interview über eine lebenslange Leidenschaft, Aufbrüche ins Unbekannte, kontinuierliche Lernbereitschaft, eine Landung in Kathmandu, Krisenmanagement, Abgründe, die durch die Pandemie aufgerissen wurden, mentale Gesundheit in der Luftfahrt, Älterwerden, Klimakrise und trotz allem: neue Chancen.      

Fachbegriffe im Interview: Ab Initio Pilot Erstausbildung für angehende Piloten, die noch keine Fluglizenz besitzen, Medical Medizinisches Tauglichkeitszeugnis.

„Give it forward, don’t give it back!“

„Die Fliegerei“, sagt Viola Gibson, „ist in meiner Erfahrung eine sehr kollaborative Gesellschaft“. Wissen und Kompetenzen, die man von Lehrerinnen, Lehrern und Vorbildern vermittelt bekam, gibt man gerne weiter. Kein Wunder also, dass sie Mitglied bei Talking Leads Aviation Network ist, einem Zusammenschluss von Menschen, die in unterschiedlichsten Funktionen in der Branche tätig sind. Sie wollen dazu beitragen, der Zukunft der kommerziellen Luftfahrt neuen Auftrieb zu verschaffen. Und natürlich gehört sie auch zum australischen Zweig von Women in Aviation. Das ist die weltweite Non-Profit Organisation, die sich der gegenseitigen Unterstützung von Frauen in allen Berufsfeldern der Luft-und Raumfahrt widmet.

Deborah Lawrie und Viola Gibson unter dem Regenbogen.
Deborah Lawrie und Viola Gibson unter dem Regenbogen.

“I don’t take no for an answer!”

Mit diesem Satz hat sich ein großes, geliebtes Vorbild in die Herzen aller nach ihr kommenden australischen Pilotinnen geschrieben: Die legendäre Deborah Lawrie. Sie hatte, ähnlich wie Viola Gibson Jahre später, schon in ihrer Jugend zur Fliegerleidenschaft gefunden und wollte unbedingt Pilotin werden.

Sie stieß auf eine massive Wand sexistischer Vorurteile in der Branche und musste sich ihren Weg 1979 nicht nur erkämpfen, sondern öffentlichkeitswirksam freiklagen. Durch ihren Erfolg öffnete sie Frauen in Australien den Weg zu Karrieren in der Flugzeugkanzel.

Lawrie und Gibson waren Mitte der 2010er Jahre eine Weile Kolleginnen bei Tigerair, einer Fluggesellschaft mit einem vergleichsweise hohen Anteil an Pilotinnen. Doch während der Pandemie beschloss die Muttergesellschaft Virgin überraschend, die Airline einzustellen und abzuwickeln. Ihre Freundschaft überdauert mühelos die anhaltende Branchenkrise, daher dürfen wir dieses private Foto zweier Frauen zeigen, die eines besonders glücklich macht:

Sobald wie möglich wieder abheben können.

Fotos: Petra Kellner, Viola Gibson, Deborah Lawrie