Angst vor dem Zahnarzt, Angstpatient

Alles wird gut: Angst vor dem Zahnarzt „wegtrainieren“ funktioniert

Gute Aussichten für Angstpatienten: Führende Neurowissenschaftler und Psychologen bestätigen den neuen alten Trick zur Verhaltensänderung.

Eine Reportage von Eva-Maria Steckenleiter

Über den Ernst meiner Lage kann die herzliche Begrüßung nicht hinwegtäuschen. Weiße Kittel huschen über den Gang, Gespräche nur im Flüsterton.

Dass hier zuverlässig und korrekt gearbeitet wird, ist zu spüren. Dass es hier clean zugeht, ist zu riechen. Dass Patienten Menschen sind, die auch vor kleineren Eingriffen große Angst haben können, weiß man hier offenbar ganz besonders: Die professionelle Gelassenheit ist echt und wirkt auch heute beruhigend. Wenn meine Gedanken auf dem Zahnarztstuhl kurz vor der Spritze nochmals zu kreisen beginnen, bin ich tief im Innern überzeugt, mich für die richtige Praxis, den richtigen Arzt und die richtige Behandlung entschieden zu haben. Was für ein langer innerer Kampf. Ein Kampf um Vertrauen.

Zweitmeinung einholen

Ausgeprägte Skepsis gegenüber Ärzten ist Zeit meines Lebens die vorgeschobene rationale Begründung für meine übergroße Angst: Eine Mandelentfernung ohne  Narkose als Zehnjährige ist der wahre Grund. Ich hatte immer einen guten Zahnarzt und zugleich das Glück, dass sich bei den turnusgemäßen Vorsorgeterminen nie was „Größeres“ ergeben hatte. Bis zum letzten Besuch: Eine Zahn-OP muss sein, zwei Möglichkeiten stehen zur Auswahl. Was tun? Seit einigen Monaten muss ich mir zu Recht die Frage gefallen lassen, wie lange „gesunde Skepsis“ gesund ist und nicht gesundheitsgefährdend. Wie komme ich raus aus dem Teufelskreis?

Der Aufwand, selbst zu recherchieren und eine Zweitmeinung einzuholen, hat sich gelohnt, ebenso die vermeintlich nachhaltigere Methode durchzuspielen.

„Der Köder muss dem Fisch schmecken, die Behandlungsmethode dem Patienten“, sage ich zu mir leise und stolz. Und ich empfinde Dankbarkeit für die Geduld und das Verständnis meiner besten Freundin – sie ist auch heute dabei. Behutsam, aber bestimmt hat sie mich auf Kurs gebracht hat: „Danke dir, es war ein weiter Weg!“ – Ohne ihre Unterstützung würde ich mich noch immer mit übelsten Zahnschmerzen herumquälen, schlaflose Nächte verbringen, Ausreden erfinden und hoffen, der Schmerz würde sich in Luft auflösen.

Selbstvertrauen gezielt aufbauen

Wir kennen uns seit mehr als zehn Jahren. Obwohl deutlich jünger, ist sie mir zahntechnisch Lichtjahre voraus, egal ob Vertikalfraktur oder Wurzelresektion: Immer bleibt sie cool und beweist ein Urvertrauen in ihren Zahnarzt. Wie oft hat sie versucht, mich aus meinem Schneckenhaus zu locken. Mein Zahnarzt und sie kennen mich schon immer als die typische Angstpatientin. Doch die will ich nicht länger sein. Die Angst, die mich bei schwierigen Behandlungen ereilt, muss aufhören. Dann bin ich frei und unabhängig – und muss auch nicht darauf hoffen, dass mein Zahnarzt über die Videobrille verfügt, die Patienten während der Behandlung auf spannende Reisen und Wanderungen entführt.

Ich kann, wenn ich will

Schon früher habe ich mich mit Verhaltenstherapie, Veränderung und Entspannungsmethoden befasst, aber vermutlich fehlte der wirkliche Wille zum Gelingen. Jetzt ist der Zeitpunkt endgültig gekommen. Sechs Wochen „trainiere“ ich und lerne gezielt, mich gegen meine Vorbehalte zu konditionieren. Ein Mentaltraining zur Verhaltensänderung mit praktischen Begleitübungen. – Zwei Angebote und zwei ziemlich unterschiedliche Behandlungsmethoden liegen mir vor, die ich mir genau erklären lasse. In beiden Fällen muss ich sehr viel bezahlen.

Gelassenheit siegt

Ruhe tanken – Verhalten neu denken und trainieren – Vertrauen gezielt aufbauen – Foto: MEV-Agency

Ergebnis: Mein Vertrauen gewinnt letztlich die Handwerkskunst des – teureren – Zahnarztes. Und ich bin überzeugt: Das Geld ist gut angelegt.

Gelassenheit siegt – in der Ruhe liegt die Kraft

Wie alt musste ich werden, um meine Großmutter und ihren Glaubensspruch über die Zunft der Ärzte wirklich zu verstehen: „Wenn er was taugt, geht es uns gut. Wenn er nichts taugt, müssen wir schauen, dass wir überleben.“

So ist das nun einmal mit dem Vertrauen.  Persönlich-privat geht es uns gut, wenn das zwischenmenschliche Vertrauensklima stimmt. In Geschäftsbeziehungen und im Business verhält es sich nicht anders: Jedes Unternehmen, jedes Produkt, jede Dienstleistung, jede Beratung lebt davon. Geht alles glatt, stimmt die Balance zwischen Geben und Nehmen.

Weiterführende Informationen

 

Ebenfalls von Eva-Maria Steckenleiter in diesem Dossier:

Titelfoto: MEV-Agency