Surjas Hexenladen: Eine magische Frau

Eine Reportage von Michaela Jacob

Surjas Hexenladen versteckt sich zwischen hippen Cafés und altehrwürdigen Kirchen inmitten von München. Inhaberin Surja bezeichnet sich als echte Hexe. Doch wie zaubern moderne Hexen heute in Zeiten von Smartphone, Raumfahrt und künstlichem Käse?

Die Karten in meinen Händen fühlen sich weich und wellig an. Auf der Rückseite sehen sie wie normale Spielkarten aus. Vorn zeigen sie verschlungene Bilder. Sie liegen in Surja in ihrem Hexenladen. Diese Pappbildchen sollen mir die Zukunft voraussagen?

surjas-hexenladen-schwarzer-spiegel

Schwarzer Spiegel in “Surjas Hexenladen” (Surja’s Hexenladen) in München (Foto: Michaela Jacob)

Die Kreuzstraße in Münchens Innenstadt: Touristen wimmeln durch die Straßen, sitzen plaudernd im Café, bestaunen glitzernde Schaufenster. Zwischen den Häusern ein weißer Schriftzug: Surja’s Hexenladen. Ich stehe vor drehbaren Kartenständern, wie man sie aus dem Souvenirshop kennt. Nur werden hier keine Postkarten verkauft, sondern Ketten mit Lederbändchen, die „Fliegende Hexe – Silber“ oder „Hexenbesen“ heißen.

Eben noch vom Sonnenlicht geblendet blicke ich im Laden in riesige Neonröhren an der Decke. Sie erhellen einen verwinkelten Raum, vollgestopft mit bunten Steinen, Engelsfigürchen, Pappkartons und Buddhas aus Holz. Dazwischen Kindersachen, DVDs und Smartphone-Hüllen.

Hexe Surja trägt Schwarz

Und dann kommt Surja. Sie heißt Surja – und weiter nichts. Sie trägt komplett schwarz, auch um die Augen. Ihre wasserstoffblonden Haare reichen bis über die Hüften und um ihren Hals baumelt ein Pentagramm. So also sieht eine moderne Hexe aus. Diese hantiert allerdings mit Gegenständen, die die Welt schon lange kennt.

hexe-surja-in-surjas-hexenladen

Inhaberin Surja betreibt ihren Laden mit viel Hingabe (Foto: Michaela Jacob)

„Das da oben sind Kelche, keine Pokale“, Surja zeigt auf bierglasgroße Becher aus Metall. „Die verwende ich für Rituale.“ Aus ihren blauen Augen blickt sie mich an und verstummt. Ich fühle mich wie eine Schülerin, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Wie wäre es mit einem Rundgang durch ihr Geschäft? Surja nickt. Ihr langer Rock schwingt beim Gehen, ihre Schuhe machen auf dem Teppich kein Geräusch. Sie führt mich tiefer in den Raum hinein.

Ich sehe ein Tablett mit schwarzen Zeichnungen und einen schwarz glänzenden Teller. Haushaltsgegenstände sind das bestimmt nicht. Das Tablett, erklärt Surja, heißt Witchboard und wird zum Gläserrücken benutzt. Von dieser Praktik, mit der man die Toten anruft, habe ich gehört. Der Teller ist in Wirklichkeit ein schwarzer Spiegel, für Magier so etwas wie die Kristallkugel.

„Und hier haben wir Ritualboxen für alle möglichen Zwecke“. Ich sehe bunte Kartons, die ich nicht anfassen darf. Wegen der Schwingungen, die jeder Mensch hinterlässt. Was in den Boxen ist, erkläre sie mir ja gerade: Kräuter, Räucherwerk, eine Anleitung, diese und jene Kerzen, je nachdem, was zu tun ist.

Ungewöhnliche Kerzen in Menschenform

Ja, diese Kerzen: Einige sehen aus wie Menschen, einige haben Pentagramme aufgemalt. Ich muss an Blutopfer und Teufelsanbeter denken und bekomme Gänsehaut. „Nein“, zerstreut Surja meine Bedenken. „Das Pentagramm ist ein Schutzzeichen und hat nichts mit Satanismus zu tun. Die tragen es falsch herum, mit der Spitze nach unten.“ Und die Menschenkerzen? Auch die dienen zum Hexen. So etwas wie Voodoo-Puppen aus Wachs.

surjas-hexenladen-verkauft-ungewoehnliche-kerzen

In Surjas Hexenladen gibt es ungewöhnliche Kerzen zu kaufen (Foto: Michaela Jacob)

Und wozu das alles? „Für Schutz- und Liebeszauber, Flüche oder Trennungen.“ Magie könne man schließlich in vielen Bereichen anwenden. „Es ist einfach eine Art von Energie.“ Wieder verstummt sie. Wie steht eigentlich die Kirche zu Hexen? Plötzlich sprudeln die Sätze aus Surja heraus.

Da war dieser Geistliche, der mit ihr einen kleinen Krieg führen wollte und ihr immer wieder gedroht hat. Die Geschichte scheint unglaublich, ich höre gespannt zu, Surja erzählt. Das alles ist schon lange her, doch noch immer scheint sie die Erinnerung daran aufzuregen. Sie spricht jetzt lauter und eindringlich „Das sollte die Presse berichten!“ Sie selbst habe kein Problem mit der Kirche, eher umgedreht. Dabei schwinge immer das Gefühl mit, dass man für verrückt gehalten wird. So etwas kenne sie auch von ihren Kunden.

Schattenwesen in Surjas Hexenladen

„Da könnte ich ihnen eine Menge erzählen“, stöhnt sie. Ein Lächeln spielt um ihre rot umzeichneten Lippen. Ich höre von Büchern, die aus Schränken kippen, Treppen, die unter unsichtbaren Schritten knarren und Türen, die sich von selbst verschließen. Die Härchen an meinen Armen stellen sich auf. Als ich von einer Freundin berichte, die angeblich einen Geist gesehen hat, vergeht die Zeit auf einmal wie im Flug.

Surja scheint die Welt der Schattenwesen gut zu kennen. Wie lebt man damit? Lässig, einen Arm auf ein Regal gestützt, meint sie „Man gewöhnt sich daran.“ Manchmal wird es aber sogar ihr zu viel: „Nicht alle Geister sind gut und dann muss man sich schützen.“ Diese Frau ist ein Profi! Immerhin betreibt sie Magie schon ihr Leben lang. Und das ist, rechne ich mir aus, eine ganze Weile. Von ihr lasse ich mir also die Karten legen. Bei dem Gedanken verspüre ich ein mulmiges Gefühl.

Surja blickt in meine Zukunft

Wir gehen in einen dämmrigen Nebenraum, nicht größer als ein Kellerabteil. Eine mit rotem Tüll verhängte Stehlampe bringt etwas Licht. Auf dem Tisch steht eine Kristallkugel, die aus „Harry Potters“ Winkelgasse zu stammen scheint.

kristallkugel-in-surjas-hexenladen

Interssante Objekte in Surjas Hexenladen (Foto: Michaela Jacob)

Mit unbewegtem Gesicht sieht mich Surja an. Was sei denn meine Frage? Ich möchte etwas über meine berufliche Zukunft wissen. Wann wird die beginnen? Das könne Surja nicht genau vorhersagen. „Aber mischen Sie mal und denken Sie ganz fest an Ihren Job.“ Mit zitternden Händen gebe ich ihr die Karten zurück. In wenigen Sekunden legen ihre schmalen Hände sie zu einer Art Stoppschild auf den Tisch. „Hier unten haben wir die Zukunft liegen, da sehe ich einen Vertrag.“ Sie blickt konzentriert auf die Bilder und spricht leise. Ich atme tief durch.

Die Karten scheinen etwas über mich zu wissen. Doch nein, ich bin weder unentschieden, mit meiner Mutter im Streit noch ein Kopfmensch. Surja fordert mich auf meine Frage genauer zu stellen. Sie lächelt kurz. Ich soll wieder mischen. Erneut reiben sich die Karten mit leisem Klacken aneinander. Zum Glück liegt der Vertrag auch in der zweiten Runde bereit. Immerhin etwas.

Nach zehn Minuten ist die Sitzung zu Ende – ich habe nur einen Schnuppertarif gebucht. Etwas erschöpft von all den Geistern, Präsenzen und Vorhersagen verabschiede ich mich von Surja. Ich verspreche ihr, mich bei ihr zu melden, wenn die Karten Recht behalten. „Die haben meistens Recht“, sagt sie und gibt mir die Hand. Ihre Augen blicken mich durchdringend an. Ich bekomme wieder eine Gänsehaut.

 

via GIPHY

Mehr Infos zu “Surja’s Hexenladen” hier: Surjas Hexenladen

Fotoshow Surjas Hexenladen

 

Surjas Hexenladen im Video von sueddeutsche.de:

Hier finden Sie Surjas Hexenladen in München: