Wo es in Rom neapolitanische Pizzaspezialitäten, handgeschnittenen Schinken und Cappuccino mit Schlagsahne gibt. Ein Spaziergang.
„Bus Nummer 40 und 64? Obacht, da sind jede Menge Langfinger mit von der Partie!“- „Pass bloß auf am Vatikan – achte auf offizielle Fremdenführer, die anderen zocken Dich nur ab!“ Ankommen in Rom wird Touristen nicht gerade schmackhaft gemacht. Wenn ihnen dann noch die größte aller Unkereien „Neiiin, niemals in Restaurants rund um die Sehenswürdigkeiten einkehren – totale Touristenfallen!“ serviert wird: Dann vergeht dem hungrigen Bel Paese-Liebhaber der Appetit. Doch es gibt Abhilfe: Die Märkte Roms heißen alle willkommen.
MERCATO CENTRALE: ANKOMMEN & GENieSSEN
Bahnreisende haben in Rom die Nase vorn. Gleich nach Ankunft werden sie von verführerischem Duft in den Mercato Centrale geleitet. Die ehemalige Kantine der Bahnarbeiter im Bahnhof Roma Termini ist nun ein Streetfood-Markt der Sonderklasse. So ziemlich alle bekannten Köche Roms haben sich dort einen Stand gesichert. Hier bieten sie ihre Köstlichkeiten für Reisende und Feinschmecker an.
Die berühmte Pizzatasche Trapizzino, Sushi, Burger, Käse, römische Spezialitäten, feiner Wein, bester Caffè: Es gibt hier so unendlich viel zu probieren! Mit an Bord ist Pizzabäcker Pier Daniele Seu, der selbstbewusst sagt: „Meine Pizze bestehen aus Wasser, Mehl und Poesie.“ Ja, die runden Teiglinge sind wirklich ein Gedicht.
Dank der Mischung mehrerer Mehlsorten, langer Gärung und minimalem Einsatz von Hefe ist „seine“ Pizza bekömmlich. Gleichzeitig ist sie luftig und angenehm am Gaumen. Seu experimentiert mit ungewöhnlichen Gewürzen und legt dabei Wert auf ausgewogene Aromen. Den knusprigen auf der Zunge zerschmelzenden Teig stellt er nach halb neapolitanischer und halb römischer Tradition her. Und jetzt schnell die Koffer im Hotel abstellen und weiter auf den nächsten Markt.
MERCATO CORINTO: ALLEIN UNTER EINHEIMISCHEN
Auf der Suche nach dem authentischen Rom kommt man nach nur wenigen Stationen von Termini mit der Metro ans Ziel: Ostiense lautet das Zauberwort, das Eintritt in das reale Rom verschafft. Touristenströme? Fehlanzeige! Studentisches Leben und Arbeiteralltag, preiswertes Essen und erschwingliche Bars – ein Hoch auf Ostiense und seinen Mercato Corinto. Seit 1960 versorgt der Mercato die Ostienser.
Hier gibt es alles für den täglichen Bedarf, menschlicher und regionaler als in jedem Supermarkt. Ein Highlight des Besuchs versteckt beim Haupteingang links in der Ecke: Die Bar „Guilana“ ist auf den ersten Blick nicht auszumachen. Doch hinter Regalen und Dosen zischt die „Caffettiera“-Maschine und auf engstem Raum wird Caffè ausgeschenkt.
Mit verschwörerischem Blick beugt sich der Barista über die Theke. Murmelnd fragt er, ob man nicht etwas ganz Besonderes in den Caffè haben möchte. „Si, certo!“ und mit großem Schwung landet wird ein gigantischer Klecks geschlagener Sahne in der Tasse. Na also, von wegen deutsche Unart – doch echt italienisch, der Cappuccino mit Sahne!
Deftigen Schnäppchen-Genuss zelebriert Salvatori Adelindo an seinem Wurst- und Käsestand. Bei ihm ist es preiswerter, wenn er den Schinken per Hand schneidet, anstatt mit der Maschine. Gekonnt wetzt er seine Messer. Dann hobelt er konzentriert hauchdünne Lagen vom für Spaghetti Carbonara unverzichtbaren Guiancale-Speck ab.
MERCATO DI TESTACCIO: TRADITIONELL NEU
Kulinarisches Zentrum und Treffpunkt für Feinschmecker ist der Nouvo Mercato di Testaccio. Früher war er ein Fleisch- und Lederwarenmarkt. Heute reicht das farbenprächtige Sortiment vom „Vegan Store“ über frische Pasta bis zu schicken Klamotten. Und abermals Roms bester Pizza zu Wein vom Fass und tagesfrischen Lebensmitteln wie Obst oder Fleisch.
Zwischen Warengeschäften schnabulieren sich Einheimische und Touristen durch die unterschiedlichsten Streetfood-Läden, ein wirkliches Eldorado für Schleckermäulchen und Shopping Kings & Queens.
Adresse Numero Uno für Neuankömmlinge ist Mordi e Vai: Dort stehen Hungrige geduldig in einer sich um mindestens 10 Budenecken windenden Menschenschlange. Und das aus triftigem Grund: Der Stand von Sergio Esposito und seinem Sohn verwöhnt die Marktgäste mit besten Panini, Roms Streetfood Nummer Eins.
Die Spezialität des Hauses ist neben Kutteln (Trippa al sugo) das Allesso di scottona: ein Panino, mit gekochtem Kalbfleisch und Chicorée belegt. Wichtig: Bevor man sich in die Wartelinie einreiht, links auf der Anrichte eine Nummer ziehen. Sonst bleibt man zwar young, aber auch hungry!
Frisches Fleisch, insbesondere die für Rom so typischen Innereien, verkauft Metzger Cesare. Seine Großmutter eröffnete die familieneigene Macelleria bereits 1918. Er selbst besteht darauf, auf dem Testaccio-Markt geboren worden zu sein. Für Wissensdurstige: Der neue Markt wurde auf einem antiken Horreum gebaut: Einem römischen Warenhaus, in dem immer noch Hunderte Amphoren und antike Gegenstände aufbewahrt werden.
„Sobald man irgendwo in Rom ein bisschen tiefer gräbt, stößt man auf antike Überreste,“ erklärt Claudio Testale, Marketingmanager des Marktes. „Wer in dieser Stadt baut, macht dies am liebsten nachts, damit sein Baugrund nicht gleich in eine antike Ausgrabungsstelle umgewandelt wird!“ In Rom geht man ohnehin sprichwörtlich auf historischem Boden und zwar in jeder noch so abgelegenen Gasse.
Und irgendwo hier wurde auch das älteste Kochbuch der Welt De re coquinaria von römischen Feinschmeckern verfasst. Kein Wunder also, dass die Liebe zu Rom durch den Magen geht.
Fotos: Bernd Hannover
Wann & Wo
Mercato di Testaccio
Metro B Station Piramide
Via Franklin
Montag bis Samstag von 6 Uhr bis 15 Uhr
www.mercatoditestaccio.it
Mercato Centrale Roma
Im Bahnhof Termini, Eingang Via Giolitti, 36
Geöffnet 365 Tage im Jahr – von 8 Uhr morgens bis Mitternacht
www.mercatocentrale.it
Mercato Corinto/Ostiense
Metro B Station San Paolo
Via Corinto
Montag bis Samstag 6 Uhr bis 14 Uhr (mittwochs & freitags bis 19 Uhr)
www.mercatidiroma.com