Ein Interview von Niels Förster –
Jeder ist gewissermaßen auf der Suche. Und Pilgern gilt als Inbegriff der Suche. Der Jakobsweg hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen.Dazu hat auch Hape Kerklings Bestseller „Ich bin dann mal weg“ wesentlich beigetragen. Was jedoch wenige wissen ist, dass es neben dem spanischen Jakobsweg im Rest Europas ein ganzes Netz von Jakobswegen gibt. Einer davon führt von München zum Bodensee und letztendlich, wie alle Wege, nach Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens.
Der Münchner Jakobsweg beginnt am Kloster des Ordens Arme Schulschwestern am Sankt-Jakobs-Platz in München. Hauptaufgabe des Ordens ist die Betreuung und Bildung von Frauen. Er hat sich aber auch die Betreuung der Jakobuspilger zur Aufgabe gemacht. Niels Förster hat mit Schwester Burkardis gesprochen, die die kirchliche Aussendungsfeier der Pilger betreut.
Wie muss man sich so eine Aussendungsfeier vorstellen?
Das ist ein Gottesdienst, bei dem die Pilger symbolisch ihre wichtigsten Utensilien überreicht bekommen. Das sind der Rucksack, der Pilgerstab, die Jakobsmuschel und der Pilgerausweis. Nach dem Segen können sich die Pilger noch ins Pilgerbuch eintragen und ich erzähle ihnen, je nach Interesse, noch etwas über unser Haus und die Geschichte.
Was sind die Beweggründe, heutzutage überhaupt noch auf Pilgerreise zu gehen?
Die sind sehr vielfältig. Viele der Pilger haben eine harte Zeit durchlebt. Manche wollen sich auch einfach eine Auszeit vom Beruf oder Studium nehmen. Ich erinnere mich an eine Frau, die sich in ihrer Partnerschaft verfolgt gefühlt hat und am Verzweifeln war. Bei Vielen steht nicht unbedingt das Religiöse im Vordergrund. Aber wir alle sind gewissermaßen auf der Suche.
Was für Menschen gehen den Münchner Jakobsweg?
Es gehen Menschen von jung bis alt. Das reicht von Familien mit Kindern über Studenten bis hin zu Senioren. Die jüngste Pilgerin war gerade mal ein Jahr alt. Jedes Jahr gehen zwischen 420 und 460 Pilger hier in München los. Das klingt jetzt vielleicht kurios, aber es gibt auch Muslime, die den Jakobsweg gehen.
Muslime? Das ist aber eher ungewöhnlich, oder?
Ja schon. Aber ich denke, wir alle sind auf der Suche. Und warum sollte nicht auch ein Anhänger einer anderen Religion nach Santiago pilgern dürfen? Solange sich alle respektieren, ist das doch eine schöne Sache.
Das stimmt. Welche Bedeutung hat denn der Jakobsweg eigentlich im ursprünglichen Sinne?
Die Geschichte des Jakobsweges geht zurück in die Zeit der Kreuzfahrer ab dem elften Jahrhundert, als die Menschen wegen der Kriege um Jerusalem nicht mehr so einfach dort hin pilgern konnten. Deshalb haben sie sich das Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela als Wallfahrtsort erwählt. Der Münchner Jakobsweg ist bis ins Jahr 1251 schriftlich nachgewiesen.
Woran liegt es, dass der Münchner Jakobsweg im Gegensatz zum spanischen kaum bekannt ist?
Der spanische Jakobsweg stellt sozusagen das Ende eines 2.500 Kilometer langen Weges dar. Und erst durch das Pilgern der letzten 100 Kilometer zu Fuß beziehungsweise der letzten 200 Kilometer per Rad oder Pferd bekommt man in Santiago das sogenannte Credencial, die Pilgerurkunde. Deshalb pilgern natürlich die meisten Menschen diesen letzten Wegabschnitt. Die wenigsten gehen die 2.500 Kilometer am Stück.
Sind sie bereits selber gepilgert?
Ja. Ich bin schon oft gepilgert, vorzugsweise alleine.
Warum nehmen Sie diese Strapazen auf sich?
Ich nutze das unter anderem zur Meditation. Man läuft sich ja auch viel von der Seele. Ich gehe auch gerne Wege schweigend in einer Gruppe. Das ist eine große Bereicherung.