Pflücken erlaubt in der essbaren Stadt Puchheim

Gemeinsam in der Stadt gärtnern, zentral in der Nähe der S-Bahnstation Zucchinis ernten, Kräuter hinter dem Altenheim pflücken oder Obst in öffentlichen Parks ernten: All das bietet die „Essbare Stadt“ Puchheim.

Essbare Städte sind Treffpunkte für Alt und Jung und fördern die Gemeinschaft. Sie bieten Kindern die Möglichkeit zu erfahren, wie Obst und Gemüse angebaut wird und stärken die Selbstversorgung. Ganz nebenbei entsteht ein größeres Bewusstsein für die Natur. Im Interview spricht die Umweltbeauftragte Monika Dufner. Sie hat das Projekt gemeinsam mit einer Gruppe engagierter Puchheimerinnen und Puchheimer vor fünf Jahren ins Leben gerufen.

Wie beschreiben Sie die essbare Stadt jemandem, der das Projekt nicht kennt? Wie entstand die Idee dazu?

Monika Dufner: Die Idee entstand bei einem Neujahrsempfang in Puchheim, zu dem auch der Bürgermeister von Andernach eingeladen war. Andernach ist die erste „essbare Stadt“ in Deutschland. Nachdem der Bürgermeister über sein Projekt berichtet hatte, waren alle Beteiligten begeistert. Es entstand der Wunsch, so etwas auch in Puchheim umzusetzen. In einer Projektgruppe des Umweltamtes, an der auch Bürger aus Puchheim beteiligt waren, wurde ein erstes Konzept erstellt. Hierzu hatten wir uns angeschaut, was es bereits in anderen Städten gab und uns auch neue Dinge überlegt. Aus einem ursprünglich klein angedachten Rahmen wurde dann ein Gesamtpaket mit ganz vielen verschiedenen Einzelprojekten. Das gibt es in dieser Form nicht allzu oft.

Was ist das Hauptanliegen des Projekts?

In erster Linie ist es ein soziales Projekt. Das gemeinsame Arbeiten und etwas für andere zu machen steht im Vordergrund. Dann natürlich die Wertschätzung der kommunalen Flächen. Viele beachten sie gar nicht. Das Dritte ist, den Gemüseanbau und die regionale Vermarktung zu fördern. Eines der Hauptmotive ist sicher das gemeinsame Arbeiten in der Natur. Wir haben ja ganz viele Nationen hier, die Wurzeln in vielen Ländern haben. Durch das Projekt kann man die Bürger ein bisschen zusammenbringen.

Wie nehmen die Bürger das Projekt an? Was ist Ihre Erfahrung aus den letzten fünf Jahren?

Insgesamt ist das Projekt sehr gut angekommen und über die Jahre gewachsen. Wir haben den Bürgergarten, der sehr zentral gelegen ist. Dort gibt es ein paar Hochbeete, mehrere Obstbäumen und Sträucher. Hier darf jeder ernten. Eine feste Gruppe von Bürgern kümmert sich engagiert um die Pflege dieser Fläche.

Was auch sehr gut ankommt, sind unsere Hochzeitswiesen. Wir haben schon über 60 Bäume gepflanzt und letzten Sonntag waren es nochmals 20. Das machen wir jeweils zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst. Wir pflanzen alte Obstbaum-Sorten, die Bürger für schöne Anlässe wie Hochzeiten, Taufen und Jubiläen spenden.

Die Bürger erhalten dann ihren Baum, auf Wunsch auch mit einem individuellen Namenschild versehen. Der Baum gehört quasi ihnen und sie können ihr Obst dort ernten. Die Pflege übernimmt die Stadt. Wenn die Besitzer das Obst selbst nicht pflücken wollen, binden sie um die Bäume ein farbiges Bändchen und geben sie damit zum Ernten für alle frei.

Im gesamten Stadtgebiet haben wir an markanten Stellen Hochbeete zum Bepflanzen aufgestellt. Das finde ich sehr schön und es funktioniert tatsächlich, ohne dass ich mich darum kümmere. Ich weiß gar nicht, wer die Beete pflegt. Es ist einfach toll, dass es funktioniert. Es gibt auch städtische Streuobstwiesen. Wenn Obst übrigbleibt, das die Stadt nicht nutzt, stellen wir Schilder auf, die verkünden: „Hier darf geerntet werden“.

Nicht zuletzt denken wir auch an jene, die allzu oft übersehen werden. Alle unsere Flächen haben einen kleinen Bereich mit einer Blumenwiese, um Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch die Insekten ein wichtiger Bestandteil unserer Umwelt sind.

Welche Bäume wählen die Bürger für die Hochzeitweise am liebsten?

Wir haben sechs verschiedene alte Apfelsorten, drei Birnensorten und eine alte Pflaumensorte, aus denen die Bürger wählen können. Die mit dem schönen Namen gehen am besten: die Rosenäpfel. Ich glaube, das liegt wirklich am Namen, denn die anderen sind genauso gut. Der Obstbaum, der einen guten Namen hat, kommt besser weg.

Dann haben Sie noch städtische Ackerflächen, die Bürger für den Eigenbedarf nutzen dürfen?

Es gibt zwei kleine Ackerflächen, wo Bürger auf einer Fläche von 30 beziehungsweise 50 Quadratmetern ihr eigenes Gemüse anbauen können. Das Schöne daran ist, dass viele Familien mit Kindern oder Großeltern mit Enkelkindern das gemeinsam nutzen. Die Flächen sind mit einem Brunnen ausgestattet. Wir haben hier sehr hoch stehendes Grundwasser, daher geht das.

Das Projekt gibt es jetzt seit fünf Jahren. Wie hat es sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt?

Ackerflächen könnte ich noch ganz viele eröffnen. Wir haben jetzt 50 Flächen vergeben und bereits eine Warteliste mit acht Leuten. Daher versuche ich eine dritte Ackerfläche zu bekommen.

Es kommt aber auch vor, dass Bürger Ackerflächen wieder aufgeben. Da hatten wir erst kürzlich einen Fall. Die waren wohl überrascht, wie viel Arbeit dahintersteckt, wie viele Schnecken es gibt oder auch Ameisen. Aber natürlich ist auch das eine wichtige Erfahrung.

Schön ist, dass eine Wohnungsgenossenschaft jetzt bei der Sanierung der Außenbereiche Hochbeete mit angelegt hat. Auch in den geplanten Neubauprojekten wird nun von vornherein jeweils ein Bereich für die essbare Stadt mit eingeplant. Wir sind immer noch dabei neue Ideen umzusetzen. Es geht weiter und das Projekt macht einfach Spaß.

Was waren besonders positive Erfahrungen?

Was mich am meisten freut: Dass man es immer mit netten Leuten zu tun hat. Die Gruppe beispielsweise, die den Bürgergarten betreut, hat sich in den letzten fünf Jahren konstant und zuverlässig selbst um alles gekümmert. Bei Veranstaltungen der Stadt, in denen das Projekt vorgestellt wird, habe ich nie Probleme Leute zu finden, die Standdienst machen oder mit den Kindern etwas basteln.

Sehr schön ist, dass sich aus dem Projekt heraus neue Initiativen gebildet haben. So gibt es gemeinsame Kochaktionen, die aus dem Stadtbeete-Projekt heraus entstanden sind und die es nach wie vor gibt. Außerdem wurde vom Quartiersbüro ein wunderschönes Kochbuch entwickelt.

Gab es gab es auch negative Erfahrungen?

Die gab es leider auch. Es gibt einen Standort, an dem Unbekannte die Pflanzen immer wieder komplett herausreißen. Das ist sehr schade. Es kam in diesem Jahr auch erstmals vor, dass bei den Bürger-Ackerflächen Gemüse entwendet wurde. Wir müssen jetzt schauen, wie wir damit umgehen. Doch insgesamt ist der Rückhalt in der Stadt sehr gut. Von ganz vielen höre ich, dass sie das Projekt toll finden.

Wird das Projekt finanziell gefördert?

Nein, das finanziert die Stadt. Wir sind ein anerkanntes UN-Dekade-Biodiversitäts-Projekt und haben eine schöne Urkunde und einen Presseartikel bekommen. Aber in Geld hat sich das leider nicht niedergeschlagen. Für unseren Wildbienengarten haben wir an einem Projektwettbewerb teilgenommen. Wie der ausgehen wird, weiß ich noch nicht. Aber das sind kleine Beträge, die man dann bekommt.

Wenn man mitmachen möchte: Wohin kann man sich wenden?

Im Rathaus liegen Karten aus. Dort kann man ankreuzen, dass man eine Bürger-Ackerfläche haben möchte. Außerdem gibt es eine Gruppe, die sich an festen Terminen trifft. Die Termine stehen auf unserer Homepage. Man kann einfach dazu kommen, wenn man möchte. Die Gruppe trifft sich am ersten und dritten Dienstag des Monats immer um 16:00 Uhr. Wer möchte, kann mir auch einfach eine E-Mail schreiben.

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