Erster Flug “nach” Corona: Die Wolken lichten sich

Vieles hat sich mit Corona verändert, auch das Fliegen. Wie der erste Flug „nach“ Corona aussehen kann und Vorfreude, Stress sowie Hoffnung vereint – ein Erfahrungsbericht.

Wie viel Flüssigkeiten darf man nochmal im Handgepäck haben? Reicht es mittlerweile, eine Stunde vor dem Abflug am Flughafen zu sein? Und wie kommt man überhaupt hin? Fragen, die man sich nach zwei Jahren Flugpause durchaus mal stellt. Und da war die Frage nach den Einreisebedingungen noch gar nicht dabei. Danke Corona, würden jetzt viele genervt sagen, aber hat uns die Entschleunigung nicht auch ein bisschen gutgetan?

Irgendwie schon. Trotzdem will man jetzt wieder raus, das Verpasste nachholen, fremden Kulturen begegnen, neue Geschmäcker erforschen und die salzige Meeresbrise verspüren. Das Bedürfnis nach Neuem, Aufregendem, Exotischem wurde in den letzten Jahren von vielen zurückgestellt und gedanklich in die hinterste Ecke verbannt. Die sonstigen Urlaubsinspirationsquellen gekonnt ignoriert. Umso wenig überraschend ist, dass nun, wo es wieder geht, alle weg wollen. Wohin ist dabei gar nicht so wichtig, sondern eher das Reisen an sich.

Der Koffer, bei vielen früher stets in Benutzung, nun mit einer dicken Staubschicht bedeckt, wird herausgekramt und los geht’s  – also fast, denn jetzt kommt das Erwachen: Ein Wirrwarr aus Zahlen und Fakten wirbelt durch den Kopf, ans Packen ist kaum zu denken angesichts des organisatorischen Aufwands eines transatlantischen Flugs, der nun bereits mit einem Europaflug einher geht.

Böses Erwachen

Dabei hat das Buchen des Flugs noch etwas von den „guten alten Zeiten“. Das Reiseziel steht fest, das Budget und ein ungefährer Plan auch. Der Flug, gebucht in wenigen Minuten. Dann folgt das böse Erwachen: zusätzliche Kontrollen, längere Wartezeiten und strengere Vorschriften. Aber ist das böse Erwachen vielleicht ein Erwachen an sich? Eines, um sein Reiseverhalten zu überdenken? Bei den zahlreichen Urlaubern kann man davon wohl nicht ausgehen. Gedanken an Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und ähnliches, zuletzt stärker im Fokus denn je, sind schnell wieder vergessen, wenn die Erholung winkt.

Diese Erholung scheint sich aber erst im Urlaub einzustellen, denn vorher durchzublicken, was sich nun alles geändert hat und beachtet werden muss, ist schon fast eine Wissenschaft an sich. On top kommt das vergessene Reisewissen, das man sich mühsam über die Jahre angeeignet hat. Online Check-in 24 Stunden vor dem Flug? Ups, vergessen, aber ist ja auch schon ein bisschen her. Sprüh-Deo nicht erlaubt? Ups, ebenfalls vergessen. Während also akribisch Reisewissen und Kofferwaage wieder rausgekramt werden, sind die An- und Abreise vom Flughafen noch längst nicht geklärt. Gefahren werden? Öffentliche? Shuttle oder doch selbst Fahren? Mit dem Selbstbewusstsein eines Vor-Corona-Vielfliegers wurde der Reiseantritt natürlich ganz unentspannt direkt nach der Arbeit geplant.

Stress über Stress

So wird nach dem Meeting, welches bis höchstens 12:00 Uhr angesetzt war und dann doch bis 15:00 Uhr dauert, gestresst der Koffer in einer statt vier Stunden zu Ende gepackt und zum Flughafen geeilt. Trotz Shuttleservice folgt dann das erste ungeplante Ereignis: Stau – war ja klar. Um die rechtzeitige Ankunft bangend, mit den Füßen wippend, alle zwei Minuten das Navi checkend, kann man nur eines tun: Abwarten. Super für diejenigen, bei denen Geduld eine Stärke ist – sonst nicht. Da das Boarding, was früher gefühlt höchstens 20 Minuten Zeit kostete, nun aber doppelt so lang dauert, ist der Stress am Flughafen durch die Verzögerung vorprogrammiert.

Am Flughafen angekommen, wird das Gepäck aus dem Kofferraum gezerrt und energisch auf den Boden fallen gelassen, der Griff mit einer zerrenden Bewegung aus der Versenkung gerissen und losgestürmt. Terminal 2? Ist hier überhaupt Terminal 2? Kurze Panik, dann bestätigt sich die Annahme, es ist das richtige Terminal. Die Panik wird sogleich wieder durch den Stress abgelöst. Den Koffer erneut packend wird auf das große Glasbildnis aka Münchner Flughafen zugesprintet, direkt zum Security-Check.

30 Minuten sind von der vollen Stunde noch übrig, die man eigentlich vorher da sein sollte, es könnte also knapp werden. Dann die Überraschung: Der Security-Check ist vollkommen verwaist. Nur zwei Reisende stehen an, innerhalb von zwei Minuten ist er passiert. Erleichterung zeichnet sich ab. Dabei die nächste Überraschung: Flüssigkeiten und elektronische Geräte aus dem Handgepäck sortieren? Fehlanzeige! Danke Corona, diesmal im positiven Sinne. Die Zeit, welche durch den Stau verlorengegangen ist, wird so just wieder hereingeholt.

Voller Vorfreude

Der Stress fällt binnen Sekunden von den Schultern ab und macht einem anderen Gefühl Platz: der Vorfreude. Ein kleines Gefühl des Triumphs schleicht sich ein, schließlich wurde die Zeit effizient genutzt. Es sind jetzt nur noch 15 Minuten bis zum Boarding – dass die Kontrolle auch länger hätte dauern können lassen wir jetzt mal bewusst außer Acht, denn das Glücksgefühl überwiegt.

Wenige Minuten später, nach einer Breze und Kaffee, die das Glücksgefühl noch mehr steigern, da für Essen zuvor in dem ganzen Stress keine Zeit war, beginnt das Boarding. Voller Vorfreude wartend, auf dem Sitz und nicht in typischer Alman-Manier direkt vor dem Schalter, obwohl man zur letzten Boardinggruppe gehört. Boardinggruppe? Das ist auch so ein neues Corona-Ding. Einen Moment, wenn wir schon bei Corona-Dingen sind: Keiner fragt nach dem Einreiseformular oder 3G-Nachweis. Verwunderung und gleichzeitig Erleichterung zeichnen sich ab, schließlich hätte das noch mehr der 30 Minuten verschlungen, die so in Breze, Kaffee und Vorfreude investiert werden konnten.

Alles beim Alten

Beim Boarding ist alles beim Alten: Die, welche nervös, den Boardingpass schon parat, zwei Meter vom Schalter entfernt warten und mit genervten Blicken diejenigen durchbohren, die direkt zum Schalter rennen und, es scheint so, unbedingt die Ersten im Flieger seien wollen. Oder die seltenere Flughafen-Spezies: Diejenigen, welche das Alles gar nicht interessiert und lieber konzentriert auf ihrem Smartphone herumhacken, um die letzten Mails und Postings vor dem nicht nur von Digital-Natives gefürchteten Flugmodus rauszuhauen. Wird die eigene Boardinggruppe endlich aufgerufen, geht es zum Schalter. Auf dem Weg wird man kritisch von den nervös Zappelnden beäugt, die jeden zu verurteilen scheinen, dem eine frühere Gruppe zugewiesen wurde.

Ticket gecheckt, in die Schlage eingereiht, Gepäck verstaut, erleichtert auf den geliebten Fensterplatz fallend, ist der Ärger schon fast vergessen. Der Stress fällt nun endgültig von den Schultern ab und macht wieder der Vorfreude Platz. Fasziniert aus dem Fenster blickend, ist geschäftiges Treiben zu beobachten, wie es nur an einem Flughafen herrscht. Diese ständige Eile, aber völlige Präzision jedes einzelnen Vorgangs und jeder Bewegung.

Auf zu neuen Abenteuern

In diesem Moment schleicht sich ein Gefühl ein, das man fast schon vergessen hatte: Diese ganz besondere Aufregung, die nur vor einem Flug aufkommt und alles einnimmt. Gefangen im Moment und doch so bewusst – Aufregung, Freude, Gelassenheit. Das Flugzeug rollt los, vorbei an anderen, auf dem Weg zum Rollfeld. Nach wenigen Minuten die Starterlaubnis, es geht los. Ein Kribbeln breitet sich im Bauch aus, gebannt blickt man aus dem Fenster. Die Gebäude ziehen immer schneller vorbei und dann hebt das Flugzeug ab, der eben noch kribbelnde Magen macht einen Hüpfer, so wie er es nur in diesem Moment tut und eines ist klar: Der Stress ist vergessen und alles ist gut.

Weitere Beiträge von Anna Gampenrieder:
Van Gogh Alive: Ein Erlebnis der besonderen Art
Start-up Frailice: Von der Idee zum erfolgreichen Unternehmen
Zukunft Handwerk – Beständigkeit statt Disruption

Bildquelle: Anna Gampenrieder