Start-up Frailice: Von der Idee zum erfolgreichen Unternehmen

Eine Box in Herzform, gefüllt mit bunt verzierten Erdbeeren sowie rosa, pinken und roten Rosen.
Das Classic-Herz von Frailice. © frailice
Von Schokolade ummantelt, verfeinert mit Rosen, Gold und den feinsten Nussvariationen – hätten Sie dabei an eine Erdbeere gedacht? Wohl eher nicht. Das möchte Katrin Bauer von Frailice ändern. Sie macht aus den langweiligen Volksfest-Schoko-Erdbeeren etwas ganz Besonderes.

So gründet sie das Start-up Frailice und produziert Luxus-Schoko-Erdbeeren für besondere Anlässe. Sie sind als Set in Herzform oder anderen Formen verfügbar und können zum Wunschtermin mit persönlicher Grußkarte verschickt werden. Muttertag, Valentinstag und Weihnachten gehören zu den auftragsstärksten Feiertagen von Frailice. Neben Privatpersonen schätzen aber auch große Unternehmen die besonderen Beeren. Denn sowohl privat als auch geschäftlich, regelmäßig steht man vor der Frage: Was schenke ich? Etwas Besonderes soll es sein, kein Staubfänger. Da passen Schoko-Erdbeeren eigentlich ganz gut.

Von Mamas Küche zur Großproduktion

Wie gut sie oftmals passen, zeigt sich bereits zweieinhalb Jahre nach der Gründung deutlich: „Wir schreiben schwarze Zahlen und erwirtschaften dieses Jahr vielleicht den ersten Gewinn.“ Stolz blitzt in den Augen der blonden 27-jährigen auf. Zielstrebig, enthusiastisch und mit einer gesunden Portion Selbstreflexion leitet sie das zweieinhalb Jahre alte Unternehmen und rund 30 Mitarbeiter. Bald sollen noch zwei weitere dazu kommen. Angefangen hat sie in Mamas Küche, die Schokolade versehentlich zu stark erhitzt und etliche andere Fehler begangen. Als nach zahlreichen Versuchen endlich etwas Vorzeigbares entsteht, bringt sie es voller Stolz in einer Pralinenschachtel zur Post. Was sich als „absolute Katastrophe“ entpuppt, denn die Beeren kommen vollkommen zerstört an.

Anstatt sich davon unterkriegen zu lassen, weckt der Misserfolg Katrin Bauers Zielstrebigkeit: Wenn aus Frailice etwas werden soll, muss sie es professioneller aufziehen. Sie mietet sich vormittags in ein Restaurant ein, das nur abends geöffnet hat, um dort die Profi-Küche zu nutzen. Tastet sich langsam an die perfekte Beere heran und kommt ihrem Traum jeden Tag ein Stückchen näher. Anfangs allein, schon bald zu dritt und das zwei Monate vor dem Muttertag, an dem das erste Mal verschickt werden soll. 

Danach geht alles ganz schnell. Die Restaurant-Küche wird zu klein, das Team immer größer. Frailice zieht nach Stockdorf um. Hier sind sie auch heute noch, wenn es nach Katrin Bauer geht, aber nicht mehr lang, denn die Produktionsfläche ist seit Monaten zu klein. Die Nachfrage übersteigt die Kapazität bei Weitem. Bereits drei Wochen vor dem Muttertag 2021 sind die Beeren ausverkauft, potenzieller Umsatz geht verloren. Das soll nicht noch einmal passieren.

Erfolgsfaktor Ehrgeiz?

Also ist Ehrgeiz die Geheimzutat für den Erfolg eines Start-ups? Nicht allein: Die junge Gründerin macht dafür neben ihrem Tatendrang den von Anfang an professionellen Auftritt verantwortlich. Sie ist eine Geschäftsfrau, die Großes vorhat: „Ich wollte kein Café, ich wollte eine Marke kreieren.“ Ihr Ziel ist es aus Frailice eine Lifestyle-Marke zu machen – „Think Big“ ist wohl nicht nur bei der Gründung das Motto. 

Bei der Kreation einer Marke ist eine hohe Erreichbarkeit essenziell. „Neben Deutschland und Österreich wäre ich gerne europaweit vertreten, zumindest in kälteren Ländern. Das ist nur umsetzbar, indem alles von Anfang an als Online-Shop aufgezogen wird.“ Was im ersten Moment nicht unbedingt intuitiv klingt, zahlt auf Katrin Bauers Over-All-Goal ein: Frailice soll in den nächsten fünf bis sechs Jahren zu einer großen Marke werden und weit mehr verkaufen als Schoko-Erdbeeren.

Hauptvertriebsweg: Instagram

Um die Marke zu etablieren und den Grundstein für die spätere Ausrichtung im Luxussegment zu legen, investiert Katrin Bauer zuerst in besonders ansprechendes Bildmaterial. „Damit unterstreichen wir die Qualität und Hochwertigkeit unserer Beeren. Sie sind etwas Besonderes, für das man gerne Geld ausgibt.“ Ein Fotograf und Designer werden engagiert, um den Kunden das Produkt entsprechend hochwertig zu präsentieren. Der zweite Schritt: eine gute Homepage. Und der dritte, nach der Qualitätssicherung, Erstellung des Bildmaterials sowie Abwicklung des Versands: der Vertrieb. 

Katrin Bauer sucht nach günstigen Vertriebswegen und macht aus der Not eine Tugend, indem sie auf das Onlinegeschäft setzt. Und das Konzept geht auf: Mit Hilfe ihres Hauptvertriebswegs Social Media erlangen die Beeren innerhalb kurzer Zeit Bekanntheit. Über 54.000 Follower hat Frailice aktuell – ganz ohne Hilfe gelang das aber nicht: „Wir hatten sehr viel Glück und unglaublich tolle Influencer, die normalerweise für sehr viel Geld werben. Sie hatten Verständnis dafür, dass wir als Start-up kein Budget haben, um sie entsprechend zu bezahlen.“ 

Doch nicht nur mit Influencern, sondern auch Unternehmen geht Frailice Kooperationen ein. Der nächste große Schritt ist eine Zusammenarbeit mit Westwing, einem E-Commerce-Unternehmen im Bereich Home und Living. In einem Special-Sale werden die Frailice-Beeren angeboten. Mit 1,4 Millionen Followern allein auf Instagram könnte das abermals die erhoffte Reichweite verschaffen.

In der für Frailice charakteristischen Herz-Box werden die Beeren auch im Westwing-Sale verkauft.

Alles oder nichts

Was wie ein Start-up-Märchen klingt, hatte aber auch Hürden. Katrin Bauer musste mit viel Gegenwind kämpfen. Mehr als einmal bekam sie zu hören, dass ihre Geschäftsidee nicht umsetzbar sei, sie es lassen und lieber in eine große Marketingabteilung gehen soll. Großhändler, Blumenhändler, Lieferanten – alle raten sie ihr davon ab. „Ich wurde nicht ernst genommen“, sagt sie jetzt mit einem Lächeln im Gesicht, denn sie haben sich alle getäuscht. Bei manchen ist sie heute sogar Großkunde. Wer hingegen an sie glaubt: ihre Eltern. Sie gewähren ihr einen Kredit. Den sie, was ihr wichtig ist zu betonen, mit Zinsen zurückzahlt. „Dadurch konnte ich Frailice von Anfang an als Marke positionieren. Das hätte ich nicht geschafft, wenn ich diesen Kredit nicht gehabt hätte.“

Ein Großteil dieses Kapitals fließt in das Versandsystem. Ob es funktioniert, ist zu Beginn unklar. Denn erprobte Versandwege für die Beeren gibt es im Gründungsjahr 2019 noch nicht. Das Versandsystem wird also nur theoretisch ausgeplant: „Wir haben uns überlegt, welche die ideale Erdbeergröße für den Versand ist, aber sicher wusste es keiner – zumal Erdbeeren nie die gleiche Größe haben. Es war ein Schuss ins Blaue.“ Und das Alles zwei Wochen bevor Frailice live geht – schon Geld in die Homepage investiert, Mitarbeiter geschult und die komplette Kollektion entworfen wurde. „Ich habe zwei, drei Wochen richtig schlecht geschlafen, weil ich dachte: Was machst du, wenn der Versand nicht funktioniert? Die Verpackung oder Kühlung nicht passt? Das war ein großes Risiko, das ich so auch nicht jedem empfehlen würde.“ 

Katrin Bauer setzt trotzdem alles auf eine Karte, die Fragen bleiben unbeantwortet und die Verpackung wird auf Risiko geordert. „Man bestellt am Anfang kleine Stückzahlen und das ist super teuer. Ich hätte nicht noch eine andere kaufen können.“ Wenn das nicht funktioniert hätte, wäre es aus gewesen. Die Risikobereitschaft macht sich aber bezahlt, es geht alles gut, der Versand klappt.

Ausgeklügeltes System

Heute weiß sie, dass der Prozess funktioniert. Für den Versand gibt es ein ausgeklügeltes System, das stets unter Nachhaltigkeitsaspekten optimiert wird: Damit die Beeren frisch bleiben, wird der Versandkarton mit Isoliermaterial aus recyceltem Altpapier sowie einem wiederverwendbaren Kühlakku versehen. Gerade im Sommer ist die Gewährleistung der Kühlkette besonders wichtig. Landet das Paket über Nacht bei der Post oder braucht einen Tag länger, ist das bei warmen Temperaturen risikoreich. Gut also, dass der Sommer für Frailice die Nebensaison ist. Denn auch die Schoko-Erdbeeren bleiben von dem bekannten Sommerloch nicht verschont, denn dann sind viele im Urlaub und es gibt weniger besondere Anlässe und Feiertage.

Sicher ein überwältigendes Gefühl, dass es sich ausgezahlt hat, das für sie größte Risiko einzugehen.

Herkunft der Frailice-Erdbeeren

Woher kommen die Frailice-Beeren, wenn in Deutschland keine Saison ist? Versucht wird, immer das Herkunftsland zu wählen, welches am nächsten an Deutschland liegt. 

Frühling: zwei Wochen lang aus Spanien 
Valentinstag und Muttertag: Griechenland
Sommer: Deutschland
Herbst: Belgien
Winter: Holland

„Wir haben einen Einkäufer am Großmarkt, der diesen morgens um drei Uhr abläuft. Er weiß ganz genau welche Erdbeeren wir möchten, brauchen und am besten für den Versand geeignet sind und kauft sie ein. Wir haben ihn gebrieft, dass er solange es geht deutsche Erdbeeren wählen soll, dann Belgien und Holland, weil da die Wege nach Deutschland sehr kurz sind. Wenn hier dann drei Monate lang keine Saison ist, weichen wir auf Griechenland, Italien oder Spanien aus.“

*die Herkunftsländer können je nach Ernte und Jahreszeit variieren.

Die Höhle der Beeren?

Ein Investor hätte ihr eventuell von einem derartigen Schritt abgeraten. Einen solchen hat sie sich aber bewusst nicht zugelegt. Denn das ist meist auch mit der Abtretung von Anteilen verbunden und das wäre ein großer Schritt. Allerdings geht sie mit dieser Entscheidung sehr reflektiert um: „Ich bin 27 und habe keinen Berater oder persönlichen Mentor. In erster Linie lerne ich von mir selbst. Allerdings möchte ich natürlich noch dazulernen und hier kann ein Investor sehr viel beitragen. Letztendlich hat alles seine Vor- und Nachteile.“ Ein Format wie die VOX-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ kommt derzeit aus denselben Gründen nicht in Frage. „Ungefähr einmal im Jahr rollen wir die Frage aber neu auf, weil es einem schon ein Stückweit mehr Freiheit gibt, jemanden mit an Bord zu haben. Außerdem haben Investoren mehr Erfahrung, von der man profitiert.“ 

Katrin Bauers Tipp für potenzielle Gründer, die Geld benötigen: Sich erst einmal bei Freunden und Familie umhören und dann überlegen, ob man es so oder teilweise mit der Bank finanzieren kann. Als andere Möglichkeit nennt sie Crowdfunding. Gerade bei einem Produkt, dass für Kunden leicht verständlich ist. Dabei behält der Gründer seine Entscheidungsfreiheit und gibt nicht so viele Anteile ab wie bei einem Investor.

Mitarbeiter begeistern

Neben solchen Überlegungen stehen auch stets die Mitarbeiter von Frailice im Fokus. Was der jungen Gründerin dabei besonders wichtig ist: „Führungsqualität heißt auch Empathie und ein einfühlsames Miteinander und nicht nur: Ich bin der Chef und sag wie es geht und höre auf niemanden. Es ist wichtig, jedem zuzuhören. Du darfst nie jemanden das Gefühl geben, dass er weniger wert ist, nur weil du der Chef bist.“ 

Auch junge Leute aus unterschiedlichen Kulturen sollten sich einbringen können: „Wir haben extrem viele Kulturen und Altersschichten in unserer Produktion. Unsere stellvertretende Produktionsleiterin ist 23, unsere älteste Mitarbeiterin über 70. Wir achten sehr auf ein diverses Team, ebenso auf eine offene Feedbackkultur. Das ist nicht nur super wichtig, sondern macht auch Spaß und bringt uns alle letztendlich weiter.“ 

Das sagt sehr viel über Katrin Bauers Rolle als Leader sowie ihre Persönlichkeit aus. Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen, motivieren und dabei stets die professionelle Distanz bewahren, das sind Eigenschaften, die ein guter Leader haben sollte. „Eines meiner persönlichen Ziele ist es so viele Mitarbeiter wie möglich positiv zu beeinflussen“, ergänzt sie.

Der wichtigste Erfolgsfaktor

Aber wann sollte man denn jetzt gründen und wann es lieber lassen? „Ich glaube der wichtigste Punkt ist, deine Entscheidungen selbst zu hinterfragen. Man darf Dinge nicht schönreden. Nur weil man sie will, heißt das nicht, dass sie auch passieren“, sagt Katrin Bauer. Allerdings warnt sie auch davor, es zu neutral zu sehen, denn dann würde man einen solchen Schritt wohl nie wagen. Denn in der Regel gibt es zu viele Faktoren, die Angst machen, passieren können und die Idee zum Scheitern verurteilen können. 

Ihre abschließenden Tipps: Das eigene Bauchgefühl neutral überprüfen und Freude an der Arbeit haben. „Denn wer das nicht hat, wird nie bereit sein zu Zeiten wo es nicht so gut läuft weiter zu machen. Man muss es lieben und auch ein Stück weit die Tendenz dazu haben Risiken einzugehen, keine dünne Haut haben und Dinge ständig überdenken, strategisch und weitsichtig planen, was die Ziele in ein paar Jahren sind und es dann entsprechend vom Long-Term- in Short-Term-Ziele aufdröseln.“

Bereut hat Katrin Bauer die Entscheidung zu gründen nie: „Ich glaube auch nicht, dass ich es je bereuen werde.“

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Bildquellen: Alle Bilder von frailice.